Social-Media-Star seit März

Tiktok-Antiquar Willbrand gestorben


sized

Der durch Tiktok und Instagram bekannte Antiquar und Literaturkenner Klaus Willbrand ist im Alter von 83 Jahren gestorben (Archivbild).

Von dpa

Schulterlange weiße Haare, leicht brüchige Stimme und im Hintergrund Bücher, Bücher, Bücher - das war das Szenario, mit dem Klaus Willbrand zum Social-Media-Star wurde. In kurzen Videos auf Instagram und Tiktok sprach er über die Großen der Literatur: Franz Kafka, Thomas Mann, James Joyce.

Unvereinbar mit den Anforderungen der sozialen Netzwerke sollte man meinen - doch weit gefehlt: Der durch und durch analoge Antiquar aus Köln genoss besonders unter Schülerinnen und Schülern Kultstatus. Jetzt ist er weniger als ein Jahr nach Beginn seiner digitalen Karriere gestorben.

Der 83-Jährige sei am Mittwoch in einem Krankenhaus in seiner Heimatstadt Köln "friedlich eingeschlafen", sagte seine Digitalberaterin Daria Razumovych der Deutschen Presse-Agentur. Es sei ihm schon längere Zeit gesundheitlich nicht mehr so gut gegangen. Zuvor hatte die "Tagesschau" berichtet.

Willbrands Liebe galt dem Antiquariat, das er im bürgerlichen Stadtteil Sülz betrieb. Bücher vom Boden bis zur Decke, in der Luft ein süßlich-erdiger Geruch, wie er mitunter von vergilbtem Papier verströmt wird. Als zukunftsfähig gelten solche Geschäfte im Allgemeinen nicht mehr. Und so stand auch Willbrand Anfang vergangenen Jahres kurz davor, seinen Laden schweren Herzens zu schließen.

Es kam "nahezu niemand mehr", wie er sich eingestehen musste. Dann aber griff die befreundete Lektorin Daria Razumovych ein. Sie hatte Willbrand einige Jahre zuvor kennengelernt und war beeindruckt von seinem enormen literarischen Wissen. Das dürfe nicht verloren gehen, fand sie.

Lange hatte Willbrand Bedenken, doch nun, da es nichts mehr zu verlieren gab, stimmte er zu. An Karfreitag wurde das erste Video aufgenommen. Das Echo übertraf alle Erwartungen - Willbrand wurde binnen kürzester Zeit zum Social Media-Star. Nach wenigen Monaten hatte er 100.000 Follower auf Instagram und mehr als 40.000 auf Tiktok. "Der alte Mann, der über Literatur spricht? Kenn ich! Der ist so süß!" Das war in etwa die gängige Reaktion, wenn er irgendwo zur Sprache kam.

Der gewaltige Erfolg hatte wohl viel damit zu tun, dass Willbrand ein Gegenentwurf zum typischen Influencer war. Er sprach über ein denkbar anspruchsvolles Thema und er biederte sich dabei weder an noch setzte er sich in Szene. Man spürte: Dieser Mann war das Gegenteil eines Blenders. Er wusste unendlich viel, aber er wollte damit nicht angeben.

Gleichzeitig war er sich seiner Sache so sicher, dass er nicht davor zurückschreckte, die Fragen von Daria Razumovych klar zu beantworten. Welcher Schriftsteller wird überschätzt? Hermann Hesse. Welche drei Bücher sollte man gelesen haben? "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von Proust, "Ulysses" von Joyce und "Der Prozess" von Kafka.

Er erkenne die Qualität eines Buches sehr schnell, sagte Willbrand im August der Deutschen Presse-Agentur. "Je mehr man gelesen hat, desto mehr Vergleichsmöglichkeiten hat man. Ich würde auch sagen, dass mindestens 50 Prozent der Leute, die heute Literatur schreiben, gar keine Schriftsteller sind. Die können das gar nicht. Da wird dann sehr viel individueller Kram aufgeschrieben, der aber gesellschaftlich nicht relevant ist. Ich verstehe unter guter Literatur auch Literatur, die von der Sprache lebt. Ein Dichter, der keine eigene Sprache hat, der ist keiner."

Dass es mit ihm gesundheitlich nicht mehr zum Besten stand, enthielt er seinen Followern nicht vor. Im Oktober meldete er sich statt wie gewohnt aus dem Antiquariat aus einem Krankenhaus zu Wort und berichtete denkbar nüchtern und ohne eine Spur von Selbstmitleid: "Ich habe die Wassersucht." Das sei eine Krankheit, die bereits in der Bibel umschrieben werde und an der sowohl der Prophet Nostradamus als auch Friedrich der Große gestorben seien. 1787 sei das erste Buch über die Wassersucht erschienen, "nach heutigen Maßstäben natürlich indiskutabel". Anschließend kam noch sein behandelnder Arzt zu Wort.

Was wird nun aus seinem Lebenswerk, dem geliebten Antiquariat? "Ich werde, wenn alles klappt, das Antiquariat weiterführen", sagt Daria Razumovych. "Das war sein größter Wunsch."


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.