Kultur
Wohin gehen die Besucher?
22. Januar 2023, 18:05 Uhr aktualisiert am 22. Januar 2023, 18:05 Uhr
Es scheint, als sei in den Kunstmuseen das Publikum zurück: Die Schlangen in einigen Münchner Häusern nahmen über die Winterferien kein Ende. Die Energiekrise erhöht die laufenden Kosten der Museen, doch das Publikum spart trotz gestiegener Lebenserhaltungskosten derzeit nicht am Kunstgenuss - zumal die Eintrittspreise hier bezahlbar bleiben.
Vor der Kunsthalle in der Theatinerstraße etwa staute es sich schon seit Wochen. Die bis vergangenen Sonntag laufende Schau "JR Chronicles" war nicht zuletzt aufgrund der digitalen Sichtbarkeit des Street-Art-Aktivisten auch bei jüngerem Publikum populär und brachte es zum Schluss, so Pressereferentin Agnes Trick, auf 135 000 Besucherinnen und Besucher.
Höchst erfolgreich war auch das vergangene Jahr für das unter Andrea Lissoni als künstlerischem Direktor seit 2020 neu ausgerichtete Haus der Kunst, das allerdings als halbstaatliches Haus keine konkreten Zahlen veröffentlicht. Pressesprecherin Claudia Illi: "Wir freuen uns über anhaltend großes Interesse. Allein über die Feiertage hatten wir doppelt so viel Publikum wie in anderen durchschnittlichen Wochen. Die Ausstellung ,Nebel - Leben' von Fujiko Nakaya hatte die höchsten Besucherzahlen des Hauses in den letzten zehn Jahren. Aber auch die anderen Schauen - darunter ,Joan Jonas', die man noch bis Ende Februar sehen kann - liefen sehr gut." Insgesamt seien die Besucherzahlen von 2022 höher als vor der Pandemie.
In der Pinakothek der Moderne nennt Pressesprecher Eric Dietenmeier die rund 290 000 Kunst-Interessierten im Jubiläumsjahr 2022 "erfreulich", was 87 Prozent der Besucherzahlen von 2019 entspricht. Zum Vergleich: Das Essener Folkwang-Museum brachte es zu seiner 100-Jahr-Feier 2022 auf 442 000 Besucher.
"Zufriedenstellend, aber nicht beglückend", findet Sammlungsdirektor und Kurator Oliver Kase, dass die opulent und klug aufbereitete Beckmann-Ausstellung "Departure" (bis 12. März) mit zahlreichen internationalen Leihgaben in bisher acht Wochen Laufzeit 32 000 Besucher zählte. Was vermutlich auch daran liegt, dass die Ausstellung zehn Euro Extra-Eintritt kostet.
Dabei sind im europäischen Vergleich die Münchner Ticketpreise im Allgemeinen und in den Staatsgemäldesammlungen in Besonderen moderat: Während Alte Pinakothek 7 Euro und Moderne 10 Euro kosten, sind es etwa im Louvre 17 Euro. Das Kunsthistorische Museum in Wien verlangt regulär gar 18 Euro, für eine Baselitz-Sonderschau ab März sind dort stolze 21 Euro Eintritt fällig.
Ins städtische Lenbachhaus strömte das Publikum ebenfalls reichlich, rund 15 000 Besucher kamen allein über die Ferientage. Insgesamt zählte man 2022 rund 205 900 Besucherinnen und Besucher (2019: 234.200). Wenn man bedenkt, dass die ersten Monate noch nicht im Normalbetrieb liefen, ist das ziemlich gut, den Ein-Euro-Sonntag gibt es hier nicht. Dafür ist die Jahreskarte (20 Euro) unschlagbar günstig.
Und auch Angela Brehm vom ebenfalls städtischen Jüdischen Museum spricht von einer "Rückkehr zur Normalität". In die aktuelle Präsentation "Die letzten Europäer - Jüdische Perspektiven auf die Krise einer Idee" kamen über die Feiertage im Schnitt täglich 220 Personen. Damit ist das eher kleine Haus am St. Jakobsplatz dann schon gut belebt.
Noch nicht wieder auf dem Niveau vor Corona lägen indes die Besucherzahlen im Museum Villa Stuck, so Pressesprecherin Birgit Harlander. Gut besucht seien die Wochenenden, sowohl in den aktuellen Wechselausstellungen "A Big Announcement" und "Dayanita Singh" als auch in den Historischen Räumen. Bei Veranstaltungen ist es in der Villa Stuck ohnehin meistens voll. Und auch hier stiegen die Besucherzahlen zuletzt an, sie waren jetzt mehr als doppelt so hoch wie im Herbst.
Hingegen freut sich das Bayerische Nationalmuseum über neuerdings vermehrt junges Publikum, so Dorothea Band. Und auch hier waren die Besucherzahlen im Dezember 2022 deutlich höher als im gleichen Monat vor Corona: Sie lagen bei 11 000 im Vergleich zu 9 300 im Vergleichsjahr 2019. Und sowohl die Sonntage, für die in dem staatlichen Haus in der Prinzregentenstraße ebenfalls der Ein-Euro-Eintritt gilt, als auch die einstündigen Kurzführungen mit anschließendem "Sundowner" würden derzeit überdurchschnittlich gut angenommen.
Bleibt zu hoffen, dass das Publikum nach ein paar weiteren Sonnenaufgängen immer weiter und wieder ins Museum kommt.