Grabsteine statt Garten
Deshalb will keiner dieses schmucke Häuschen
7. Februar 2019, 8:12 Uhr aktualisiert am 7. Februar 2019, 8:37 Uhr
In der englischen Grafschaft Norfolk steht ein schönes, günstiges Haus, das keiner will. Der Grund: Direkt vor der Tür ist ein Friedhof.
Norfolk - Wer sich leicht gruselt, für den ist es nichts. Alle anderen könnten ein richtiges Schnäppchen machen. In der englischen Grafschaft Norfolk steht zur Zeit ein Haus zum Verkauf, das für mindestens 100 000 Pfund, umgerechnet ca. 114 000 Euro, unter Wert angeboten wird. Der zukünftige Besitzer darf nur keine Angst vor Leichen im Vorgarten haben.
"Ich bin sicher, die Grabsteine sind ein Faktor, der manche Leute abschreckt", räumt Emmerson Dutton vom Maklerbüro Bedfords ein. Er versucht seit geraumer Zeit, die Immobilie an den Mann zu bringen, musste aber die Preisforderung immer weiter herunterschrauben. Ursprünglich kam das Objekt für 595.000 Pfund auf den Markt. Dann ging man, als sich kaum jemand interessierte, um 50.000 Pfund herunter. Mittlerweile ist das Haus für schlappe 490.000 Pfund, umgerechnet rund 558.000 Euro, zu haben.
Der Grund für das fehlende Interesse ist der der Immobilie vorgelagerte Totenacker. Bis vor wenigen Jahren fungierte das Haus im Dorf North Lopham noch als eine Kapelle der Methodisten-Kirche, und früher war es üblich in England, auf dem Kirchhof die Gemeindemitglieder zu beerdigen. (Lesen Sie hier: Wohin flieht die Queen, wenn der Buckingham Palast evakuiert wird?)
Die Grabsteine dürfen nicht entfernt werden
2014 wurde die Kapelle geschlossen, entweiht und verkauft. Das Gräberfeld allerdings gehört nach wie vor der anglikanischen Staatskirche in Erbpacht für die nächsten 999 Jahre. Und die Grabsteine, so ein Gemeindebeschluss, dürfen nicht entfernt werden, weil sie zum traditionellen Charakter des Dorfs beitragen.
Ein Friedhof direkt vor der Haustür ist sicher nicht jedermanns Geschmack. Als mildernden Umstand ließe sich jedoch anführen, dass es sich bei den mehr als 20 Gräbern und Grüften um Ruhestätten handelt, die aus dem späten 19. Jahrhundert stammen. Da darf man sicher sein, dass keine Verwandten plötzlich im Vorgarten auftauchen, um Grabpflege zu betreiben. "Einmal im Jahr, an Halloween", gibt Makler Dutton zu bedenken, "könnte es ein Problem werden."
Dann könnten sich womöglich gruselbegeisterte Briten das Spukhaus als Pilgerziel auswählen. Die ortsansässige Gwen Dilloway hätte nichts dagegen, in die ehemalige Kapelle zu ziehen, wenn sie es sich leisten könnte. "Es würde mir überhaupt nichts ausmachen", meint die 65-Jährige. "Leute, die tot und beerdigt sind, können mir nichts antun."
Inneres der Immobilie totalrenoviert
Der pensionierte Polizist Mike Warner, der um die Ecke wohnt, kann dagegen Bedenkenträger verstehen. "Es scheint, dass die meisten Menschen die Idee von Grabsteinen nicht mögen. Seitdem das Haus auf dem Markt ist, habe ich nur drei Leute gesehen, die es sich angeschaut haben."
Dabei ist die Immobilie, wenn man sie sich erst einmal von innen betrachtet, durchaus attraktiv. Sie wurde totalrenoviert und hat auf rund 210 Quadratmetern Wohnfläche drei Schlafzimmer, zwei Badezimmer, eine Abstellkammer und eine riesige, gut 83 Quadratmeter große Wohnküche zu bieten. An den Materialien wurde nicht gespart: solide Eichenböden im Wohnbereich, Granit in der Küche, überall Fußbodenheizung und zeitgemäßes Finish in den Badezimmern. "Es ist wirklich schade", bedauert Emmerson Dutton, "dass Käufer abgeschreckt werden, denn die Kosten der Renovierung überwiegen bei weitem den Preisrückgang."
In Zeiten des Brexit hat das Interesse auf dem Immobilienmarkt im Königreich sowieso nachgelassen. In London, das jahrelang ein Hotspot des Immobilienbooms war, sind die Preise im letzten Jahr um 1,7 Prozent zurückgegangen. Allerdings sollte dieser Flecken in der Grafschaft Norfolk vom Abschwung eigentlich ausgenommen sein.
Das nur sechs Meilen entfernte Städtchen Diss entpuppte sich im Jahr 2018 als derjenige Ort in Großbritannien, in dem es den drittstärksten Wertzuwachs bei Immobilien gab, als man eine Preissteigerung von rund acht Prozent verzeichnen konnte. Die Verkehrsanbindung nach London ist gut, die Schulen in der Gegend sind hervorragend und die Landschaft ist hinreichend idyllisch. Wenn da nur nicht die Leichen im Vorgarten wären.
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