Panorama

Ermittlungen nach der Bluttat: War Grafing völlig willkürlich gewählt?


Ein offenbar psychisch kranker Mann hat am Dienstag in Grafing vier Fahrgäste mit einem Messer attackiert. Einer der Verletzten starb wenig später im Krankenhaus.

Ein offenbar psychisch kranker Mann hat am Dienstag in Grafing vier Fahrgäste mit einem Messer attackiert. Einer der Verletzten starb wenig später im Krankenhaus.

Am frühen Morgen steigt ein Mann in Grafing bei München in die S-Bahn und sticht auf einen Fahrgast ein. Danach attackiert er drei weitere Männer. Ein Opfer stirbt. Das Motiv bleibt unklar. Bei der Festnahme, die ohne Gegenwehr von statten ging, fanden Polizeikräfte in seinem Gürtel ein 10 Zentimeter langes und 3 Zentimeter breites Messer.

Ein offenbar psychisch kranker Amokläufer hat am Bahnhof in Grafing nahe München einen Fahrgast erstochen und drei Männer verletzt. Ein Opfer schwebte am Dienstagmittag noch in Lebensgefahr. Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund der Tat bestätigten sich zunächst nicht.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, dass der festgenommene mutmaßliche Täter offenbar psychische Probleme habe und auch drogenabhängig sei. Der 27-Jährige aus Hessen hat die Tat laut Herrmann bei seiner Vernehmung gestanden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einer "abscheulichen, feigen Messerattacke". Er fügte hinzu: "Das Motiv dieser Tat ist noch nicht abschließend geklärt." Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und Mordversuchs gegen den mutmaßlichen Täter.

Der Angreifer war laut Landeskriminalamt gegen 4.50 Uhr barfuß in die erste an dem Tag nach München fahrende S4 gestiegen und hatte dort auf einen 56 Jahre alten Fahrgast eingestochen. Weitere Ermittlungen und Videoaufnahmen sollen mehr Aufschluss über diese erste Attacke geben. Der angegriffene Mann aus dem nahen Wasserburg am Inn erlag kurze Zeit später in einem Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.

Auf dem Bahnsteig attackierte der 27-Jährige einen weiteren Mann mit einem Küchenmesser. Anschließend stach er auf dem Bahnhofsvorplatz auf zwei Radfahrer ein. Die drei Männer waren im Alter von 58, 43 und 55 Jahren. Einer der Verletzten schwebte nach LKA-Angaben am Dienstagmittag noch in Lebensgefahr. Am Mittwoch gab das Landeskriminalamt bekannt, dass die Zustände der drei Verletzten alle stabil seien.

Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts München hat gegen den Täter am Mittwoch die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach der vorläufigen Bewertung eines medizinischen Sachverständigen soll der 27-Jährige an einer psychischen Erkrankung leiden. Es würden dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit oder zumindest verminderten Schuldfähigkeit die Taten begangen hat.

Bisher keine Hinweise auf islamistischen Hintergrund

Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund fanden die Ermittler nach Angaben Herrmanns zunächst nicht, auch in der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag wurde nochmal bestätigt, dass die Ermittler bisher keine Hinweise auf Mittäter oder auf islamistische Netzwerke gefunden haben. Der Staatsschutz habe bislang keine Erkenntnisse über den 27-Jährigen. Es werde aber geprüft, ob ein politischer Hintergrund vorliege. Weiter gehen die Beamten davon aus, dass der 27-Jährige ein Einzeltäter war.

Zu einem möglichen Motiv konnte Herrmann noch nichts sagen. Es gebe eine Zeugenaussage, wonach der Mann bei seiner Tat "Allahu Akbar" (Allah ist groß) gerufen haben soll. Auch sollen Zeugen folgende Rufe des 27-Jährigen vernommen haben: "Ihr Ungläubligen, Ihr müsst sterben".

Herrmann bestätigte, dass es sich bei dem Täter um einen Deutschen aus Hessen handele. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen stammt der Mann aus Gießen. Dort soll sich zwei Tage zuvor ein Zwischenfall ereignet haben, bei dem der Mann "wirres Zeug" von sich gegeben hatte. Wie aus der Pressekonferenz am Dienstag ersichtlich wurde, hatte man dem Mann eine ärzliche Behandlung empfohlen. Laut Sicherheitskreisen war der Mann bis zuletzt in psychiatrischer Behandlung in einer Klinik in Gießen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

War die S-Bahn mit Fahrtrichtung Grafing willkürlich gewühlt?

Bekannt ist den Ermittlern gegenwärtig, dass der Täter seit zwei Jahren Sozialhilfe bezieht. Er war am Vorabend mit dem Zug aus dem Raum Gießen nach München unterwegs und wollte sich über Nacht in einem Hotel in der bayerischen Landeshauptstadt einquartieren. Offensichtlich konnte oder wollte er sich das Hotel nicht leisten, kehrte zurück zum Hauptbahnhof, um dort zu lagern. Nachdem er wiederum zu dem Hotel zurückgekehrt war, um seinen dort abgestellten Rucksack zu holen, ging er zum Bahnhof und stieg dort in der Nacht auf Dienstag in die S-Bahn Richtung Grafing ein. Die Ermittler konnten aufgrund von Videoaufzeichnungen in Erfahrung bringen, dass sich der 27-Jährige um 1.38 Uhr in der Nacht bereits am Bahngleis des S-Bahnhofes Grafing und im Bereich um den Bahnhof herum aufhielt.

Weshalb es ausgerechnet die Fahrtrichtung Grafing war, konnten die Ermittler bis zum Augenblick noch nicht klären. Sie mutmaßen, dass die Fahrtrichtung von ihm völlig willkürlich. Es gibt keine Hinweise darauf, wie der 27-Jährige mit Bayern und speziell mit Grafing in Verbindung stehen könnte. LKA-Kriminaldirektor Lothar Köhler räumte ein, dass der Täter eventuell auf dem Weg nach Österreich gewesen sein könnte. Ob dahinter wirklich ein Plan steckte, ist unklar.

Bahn-Mitarbeiter griffen beherzt ein

Die Deutsche Bahn (DB) hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur den Sicherheitsbehörden Videomaterial aus dem S-Bahn-Zug und vom Bahnhof übergeben. Demnach gelang es dem Triebfahrzeugführer der S-Bahn und einem Sicherheitsmann, den Angreifer unmittelbar nach der Tat zu vertreiben. Der Mitarbeiter führte nach den dpa-Informationen die Polizei auch zu dem Versteck, wo sich der Attentäter verborgen hielt. Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube sprach wenig später von "Mitarbeitern, die beherzt eingegriffen haben und den Täter von weiteren Angriffen abgehalten haben".

Polizeivizepräsidentin des bayerischen Landeskriminalamtes Petra Sandles gab am Dienstag bekannt, dass eine Sondereinsatzkommision aufgestellt worden ist, zu der 80 Beamte gehören. Sie werden von der KPI Erding tatkräftig unterstützt.

Der Bahnhof Grafing ist ein wichtiges Regionaldrehkreuz im Osten Münchens. Von hier aus fahren Tag für Tag Tausende Pendler per S-Bahn in die bayerische Landeshauptstadt.

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Ein Mann hat am Bahnhof Grafing um sich gestochen.

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Ein Mann hat am Bahnhof Grafing um sich gestochen.

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Ein Mann hat am Bahnhof Grafing um sich gestochen.

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Ein Mann hat am Bahnhof Grafing um sich gestochen.