Zoll
Erstes Mindestlohn-Jahr: Arbeitgeber wurden weniger kontrolliert
19. Februar 2016, 16:18 Uhr aktualisiert am 19. Februar 2016, 16:18 Uhr
Seit 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn. Doch ausgerechnet im vergangenen Jahr wurden deutlich weniger Firmen von Fahndern geprüft. Kein Problem, sagt das Finanzministerium. Es gehe nicht um maximale Prüfzahlen, man verfolge einen ganz anderen Ansatz.
Die Finanzbehörden haben 2015 deutlich weniger Betriebe auf Einhaltung des Mindestlohns kontrolliert als im Vorjahr. Die beim Zoll angesiedelte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) überprüfte nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr knapp 43 700 Betriebe. 2014 seien es noch gut 63 000 gewesen, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.
In der für Lohndumping besonders anfälligen Baubranche sei die Zahl der Kontrollen sogar um fast die Hälfte auf knapp 17 000 Arbeitgeber gesunken. Die Grünen nannten es am Freitag absurd, dass gerade im ersten Jahr der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger Betriebe kontrolliert wurden. Gewerkschaftsvertreter forderten erneut mehr Zollfahnder.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonte, dass nicht die bloße Zahl der Überprüfungen entscheidend sei. Vielmehr gehe es darum, die "dicken Fische" zu bekommen. 2015 seien die Kontrollen auf einen "risikoorientierten Ansatz" umgestellt. Demnach würden die vorhandenen Ressourcen nicht für eine Maximierung der Kontrollzahlen genutzt. Ziel sei es, die großen Betrugsfälle aufzudecken. So seien die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren "wegen Strafverfahren" sowie die Summe der Geldstrafen gestiegen. Über die Regierungsantwort hatte zuvor die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, die FKS zu stärken. "Das Wegbrechen von knapp der Hälfte aller Kontrollen des Branchenmindestlohns am Bau übersteigt unsere schlimmsten Befürchtungen", sagte der Vorsitzende Robert Feiger. "Diese viel zu geringe Kontrolldichte ist geradezu eine Einladung für betrügerische Betriebe, ihre Beschäftigten illegal im Lohn zu drücken. Das ist schlecht für die Bauarbeiter, und es ist katastrophal für einen sauberen Wettbewerb in der Branche." Schon vor der Mindestlohn-Einführung habe es zu wenige Kontrolleure gegeben. Statt schnellstens FKS-Prüfer auszubilden, habe Schäuble noch Personal zur Flüchtlingskontrolle abgezogen.
Grünen-Expertin Beate Müller-Gemmeke nannte es in der "Süddeutschen Zeitung" nicht ausreichend, dass die FKS wegen fehlender Kapazitäten vor allem Branchen überprüft, in denen spezielle Mindestlöhne gelten wie etwa in der Abfallwirtschaft. "Besser wäre es, die Kontrollen auf Branchen auszuweiten, in denen keine Tarifverträge gelten." Nur so könne es gelingen, "die Beschäftigten vor Lohndumping und die Betriebe vor Schmutzkonkurrenz effektiv zu schützen".
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüft mit gut 6800 Mitarbeitern bundesweit die Einhaltung von Mindestlöhnen und geht auch gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vor. Gewerkschaftsvertreter beklagen seit Jahren eine zu geringe Personalausstattung. Die FSK prüft seit 1997 Mindestlöhne - darunter auch die für Branchen vereinbarten Lohnuntergrenzen sowie seit 2015 nach dem Mindestlohngesetz, das eine gesetzliche Lohnuntergrenze vorschreibt.
Von den für 2015 vorgesehenen 6865 Planstellen waren nach Angaben des Ministeriums rund 600 nicht besetzt. Die 1600 zusätzlichen Planstellen, die es zur Mindestlohn-Kontrolle geben soll, würden erst in den Haushaltsjahren 2017-2022 zur Verfügung gestellt.
2015 hatten Zollfahnder der FKS nach Regierungsangaben 705 Ermittlungsverfahren allein wegen "Nichtgewährung des gesetzlichen Mindestlohns" sowie 2061 Ermittlungsverfahren wegen "Nichtgewährung branchenspezifischer Mindestlöhne" eingeleitet. Die dazu verhängten Bußgelder beliefen sich auf 0,2 Millionen beziehungsweise 14,8 Millionen Euro.
Insgesamt wurden 2015 von der FKS 128 432 Ermittlungsverfahren eingeleitet nach 137 292 im Jahr davor. Dieser Rückgang insgesamt beruht auf weniger Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Die gesamten Geldbußen beliefen sich auf 43,4 Millionen Euro. Im Jahr 2014 waren es 46,7 Millionen Euro.