Pressestimmen
Flüchtlingskrise spaltet EU: Wird sie zu einer humanitären Sackgasse?
25. Oktober 2015, 13:56 Uhr aktualisiert am 25. Oktober 2015, 13:56 Uhr
Die Flüchtlingskrise spaltet die EU und stürzt sie in eine schwere Debatte. Wird Europa zu einer humanitären Sackgasse, wenn sie nicht bald erwacht?
"Dernières Nouvelles d'Alsace" (Frankreich) beklagt: "Die 28 EU-Länder sind immer noch unfähig, diesen Exodus gemeinsam zu ordnen und zu regulieren. Man muss taub sein, um nicht die Sorgen und Befürchtungen zu hören, die in unseren Ländern zunehmen, und man muss blind sein, um diese Gewalt zu übersehen, die sich gegen Asylbewerber richtet. Am Freitag wurde in Schweden eine Flüchtlingsunterkunft in Brand gesetzt, in Deutschland waren es bisher 15. Vom Mittelmeer bis zum Balkan könnte dieser Exodus über Land und über das Meer kanalisiert werden, wenn es nur einen gemeinsamen politischen Willen gäbe. Europa darf nicht zu einer humanitären Sackgasse werden."
Duma (Bulgarien) schreibt: "Die Europaische Union ist zu einem langfristigen wirtschaftlichen Rückgang und zum Zurückbleiben von der übrigen Welt verurteilt. Diese düstere Prognose machte etwa kein wütender Euroskeptiker, sondern der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker. Er schlägt nicht zum ersten Mal Alarm. ... Jetzt aber nannte der Kommissionspräsident auch die Schuldigen für diesen Zustand - die nationalen Führer. ... Der Migrantenzustrom ist in der Tat ein gewaltiges Problem für den alten Kontinent. Warum werden aber Mauern nicht an den EU-Außengrenzen errichtet, sondern im Herzen des Kontinents? Über was für eine Integration reden wir, wenn die "Großen" in der EU den "Kleinen" mit Sanktionen drohen, sollten diese die Flüchtlingsquoten nicht akzeptieren?
Was die Wirtschaft betrifft, kann Europa keine besseren Erwartungen haben, nachdem die Europäer selbst den Ast absägten, der ihnen ernsthafte Einnahmen sicherte - nämlich Russland. Die "Liebesaffäre" mit Amerika erwies sich stärker als der nüchterne Verstand. ... Es ist gut, dass der EU-Kommissionspräsident von Zeit zu Zeit Alarm schlägt. Es ist aber schlecht, dass ihn bislang die "Lokomotiven" der EU nicht hören."
"Nepszabadsag" (Ungarn) schreibt: "Kennen Sie diesen Witz, der damit beginnt, dass die Europäische Union im Wald spazieren ging und die Wahrheit ihr entgegenkam? Es kann sein, dass dieser Witz bald zu hören sein wird. Denn immer öfter sehen wir, dass die EU-Politiker, die Viktor Orban prinzipiell kritisiert haben, zu ihrer eigenen Karikatur werden, wenn sie auf die Flüchtlingskrise treffen.
Der österreichische Außenminister rühmt inzwischen die Grenzzäune, der slowenische Ministerpräsident schließt diese nicht aus und Angela Merkel tut vornehm kund, dass Europa, so sehr es auch schmerzt, nicht jeden aufnehmen kann. (...) Doch folgt daraus nicht, dass der ungarische Regierungschef während der Krise immer richtig gehandelt und Recht gehabt hat - wohl aber, dass er das Problem richtig identifiziert hat und bei dessen langfristigem Management sogar mehrheitlich Unterstützung für seine Meinung bekommen wird."
"NRC Handelsblad" (Niederlande) schreibt: "Dabei hält Angela Merkel fest an offenen Binnengrenzen gemäß dem Schengen-Vertrag, der den freien Personenverkehr (innerhalb Europas) garantieren soll. Die Krise kann der Bundeskanzlerin zufolge nur überwunden werden, indem abgewiesene Asylbewerber tatsächlich abgeschoben, Flüchtlinge auf mehr Länder der Europäischen Union verteilt und die Außengrenzen der Union geschlossen werden. (...) Merkel kann immer noch mit breiter Unterstützung rechnen. Doch die vergangenen Wochen haben deutlich gemacht, dass sie einen wichtigen Teil ihres politischen Rüstzeugs verloren hat: den Gedanken, dass sie "die mächtigste Frau" der Welt, Europas oder auch nur Deutschlands ist. In jeder Rede wiederholt Merkel stur "Wir schaffen das!". Und von Mal zu Mal klingt das mehr, als ob sie sich selbst davon überzeugen müsste."