Neue Provokation nach "Schmähgedicht"
Kritik an der Kanzlerin: Böhmermann macht wieder von sich reden
4. Mai 2016, 12:52 Uhr aktualisiert am 4. Mai 2016, 12:52 Uhr
Jan Böhmermann hat sich einige Wochen lang zurückgehalten. Jetzt kritisiert er in einem Interview zum Wirbel um sein Gedicht "Schmähkritik" die Bundeskanzlerin. Und macht wieder von sich reden.
Der Satiriker Jan Böhmermann (35) hat in einem "Zeit"-Interview Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert und damit erneut Widerspruch provoziert. Nach wochenlanger Zurückhaltung antwortete er schriftlich und mit farbenfrohen Emoijs auf Fragen der Wochenzeitung. Das Verhalten der Kanzlerin nach der Veröffentlichung seines Schmähgedichts über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kommentierte der TV-Moderator so: "Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit geht. Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht."
Passagen wie diese stoßen nicht überall auf Verständnis. "Was für eine Selbstverliebtheit", kommentierte der Politologe und Publizist Albrecht von Lucke die Statements des Satirikers in der "Hamburger Morgenpost" vom Mittwoch. "Da wagt sich Böhmermann mit einer inszenierten Beleidigung aus dem geschützten Studio auf das glatte Parkett der Weltpolitik und beklagt sich nun darüber, dass er dafür die Konsequenzen zu tragen hat. Dabei ist er nicht das Opfer Merkels, sondern der eigenen Verwechslung von Spaß und Realität."
Der Medienjournalist Stefan Niggemeier ("Übermedien.de") twitterte: "Eigentlich war das mit dem Schweigen vorher gar keine schlechte Idee gewesen." Böhmermann selbst retweetete den Kommentar des CDU-Bundestagsabgeordneten Tino Sorge: "Böhmermann. Einfach nur armselig. Oder anders gesprochen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten."
Bei "Zeit Online", wo ein Auszug aus dem Interview schon am Dienstag zu lesen war, gab es am Mittwochvormittag bereits mehr als 1.000 Kommentare unter dem Text, viele davon durchaus kritisch dem Satiriker gegenüber. Böhmermann übertreibe es mit der Opferrolle, ist ein Kritikpunkt, der sich dort mehrfach findet.
Vergleich mit chinesischem Gefängnisinsassen Ai Weiwei
Auch dass sich der Satiriker im Interview mit Ai Weiwei vergleicht, der in China als Dissident im Gefängnis saß, provoziert Widerspruch. Das scheint Jan Böhmermann allerdings vorausgesehen zu haben. Er kommentierte sein eigenes Zitat aus der "Zeit" auf Twitter bereits am Dienstag selbstironisch: "Jetzt hält sich Böhmermann ernsthaft für Ai Weiwei. Also entweder ist der völlig verblödet oder ich!". Auch dieser Tweet löste dann gleich viele Kommentaren aus.
Im Interview mit der "Zeit" erklärt Böhmermann: "Am allermeisten habe ich mich über die Tatsache amüsiert, dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat."
Der Satiriker und Grimmepreisträger, der das umstrittene Gedicht "Schmähkritik" Ende März in seiner ZDFneo-Show "Neo Magazin Royale" vorgetragen hatte, erläutert gleichzeitig erstmals seine Absichten: "Ich habe versucht, meinen Zuschauern anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert."
Auf die Frage, ob er Erdogan beleidigen wollte, antwortete Böhmermann: "Nein, Präsident Erdogan zu beleidigen ist mir zu doof. Ich denke, das hat man auch dem reichlich bescheuerten Schmähgedicht angemerkt." Es sei ihm eher um die Illustration einer Beleidigung gegangen, die auch mit plumpen Klischees und Vorurteilen hantiere.
Und hat er die möglichen politischen Folgen unterschätzt? "Ich würde die Aktion jetzt mal nicht so hoch hängen", erklärte der Satiriker. "Ich habe einen rumpeligen, aber komplexen Witz gemacht, mehr isses ja nicht. Und jetzt wird eben im Namen des Volkes verhandelt: Witz gegen Bundesregierung. Ich bin gespannt, wer zuletzt lacht."