Landwirtschaft
Landwirte leiden unter enormem Preisdruck
20. Januar 2016, 20:56 Uhr aktualisiert am 20. Januar 2016, 20:56 Uhr
Die Aussichten für 2016 sind bei den Landwirten ernüchternd, die Stimmung dementsprechend gedrückt - das zeigt sich derzeit auch auf der weltgrößten Agrarmesse, der Grünen Woche, in Berlin. Eine schwere Krise hat die Branche erfasst, die Gewinneinbrüche aufgrund der sinkenden Weltmarktpreise waren in den letzten Monaten immens. Für Milch und Fleisch gibt es immer weniger Geld, immer mehr Bauern geben deshalb ihren Hof auf. Auch 2016 dürfte es für viele schwer werden.
In der Politik ist man sich der Situation durchaus bewusst. Gleichwohl gehen die Meinungen darin auseinander, wie die Bauern der gegenwärtigen Krise entkommen können. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) setzt mit Verweis auf die Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung weiter auf eine intensive Landwirtschaft. Auch der Bauernverband baut für die Zukunft auf den Export - und will deshalb so schnell wie möglich ein Ende der EU-Russland-Sanktionen, wie Verbandschef Joachim Rukwied im Rahmen der Grünen Woche noch einmal betonte. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wird das Problem "bei seiner anstehenden Reise nach Moskau gegenüber Präsident Wladimir Putin ansprechen", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Der CSU-Politiker sucht aber auch nach neuen Absatzmärkten für die Bauern: "Wir sind in Verhandlungen mit Südkorea, dem Iran, aber auch Staaten in Südamerika." Grundsätzlich streicht Minister Schmidt einen generellen Zuwachs bei den Ausfuhren heraus. "Im vergangenen Jahr haben wir die Exporte von Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen trotz Krisen auf rund 68 Milliarden Euro gesteigert."
An der schlechten Situation für viele Bauern in Deutschland hat dies allerdings nichts geändert, die Einnahmen gehen teils drastisch zurück. "Das System der industriellen und intensiven Landwirtschaft kennt eigentlich nur Verlierer", sagte die Landeschefin der bayerischen Grünen, Sigi Hagl, unserer Zeitung. "Nur noch über Größe und Masse können konventionelle Landwirte überhaupt am Markt weiterbestehen." Die Öko-Partei will daher einen anderen Weg in der Agrarpolitik beschreiten - und weg vom Fokus auf den Export. "Wir müssen das ganze System vom Kopf auf die Füße stellen", forderte die Landshuterin Hagl. Wie das aussehen soll? Die Grünen sehen in Bio und einer extensiven, naturnahen Landwirtschaft die Lösung für die Preismisere der Bauern. Der Bio-Boom weise in eine klare Richtung, sagte Hagl: "Die Menschen wollen regional erzeugte Lebensmittel. Dafür braucht es dort auch Erzeuger- und Vermarktungsgemeinschaften."
Die Landwirte stehen bei der Vermarktung momentan oft übermächtigen Handelskonzernen gegenüber. In den Ställen ärgert man sich zunehmend darüber, dass trotz niedriger Rohstoffkosten in den Supermarktregalen manches sogar teurer wird. "Der Abstand zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen hat sich bei vielen Produkten deutlich vergrößert", monierte Bauernpräsident Rukwied zuletzt. Landwirtschaftsminister Schmidt sagte unserer Zeitung: "Das wirtschaftliche Risiko entlang der Kette vom Bauernhof bis zur Ladentheke ist nicht fair verteilt. Beispielsweise beim Schweinefleisch liegt das Preisrisiko fast völlig beim Bauern."
Nach Ansicht des CSU-Politikers könnte die geplante Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch Edeka die Ernährungsbranche wegen der dann steigenden Marktkonzentration außerdem weiter unter Druck setzen. "Ich muss mich in dieser Situation auf die Seite derer stellen, die Besorgnis haben", betonte Schmidt vor Kurzem. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will den Deal gestatten, sofern Edeka Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann weitgehend sichert. Die Grünen sehen allerdings auch erhebliche negative Auswirkungen: "Die Übernahme wird dazu führen, dass die aggressive Preispolitik bei den Lebensmitteln noch verstärkt wird", prophezeite Landeschefin Hagl. "Das gibt mit Sicherheit nur wieder Verlierer im Bereich der Landwirtschaft." Minister Schmidt äußerte daher eine Hoffnung für die Zukunft: "Der Wettbewerb bei Lebensmitteln sollte über die Qualität stattfinden und nicht ausschließlich über den Preis."