Transitzonen sind Grünen ein Dorn im Auge
„Inhumane Haftlager im Niemandsland“ – Landshuterin Sigi Hagl als Landesvorsitzende wiedergewählt
18. Oktober 2015, 15:44 Uhr aktualisiert am 18. Oktober 2015, 15:44 Uhr
Die Debatte um die Flüchtlingskrise hat die Gräben zwischen den Grünen und der bayerischen CSU-Staatsregierung noch tiefer aufgerissen. Die CSU schüre mit gefährlicher Panikmache und Populismus bewusst Ängste vor Fremdheit - das ist der zentrale Vorwurf, den die Grünen bei ihrem Landesparteitag am Wochenende im mittelfränkischen Bad Windsheim erheben.
Landeschef Eike Hallitzky geht Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) deshalb mit scharfen Worten an: "Wer wie Sie wöchentlich Öl ins gesellschaftliche Feuer gießt, der muss wissen und der weiß, dass radikale Idioten an diesem Feuer ihre Brandsätze entzünden, um sie gegen Flüchtlingsunterkünfte zu werfen." Hallitzky wertet diese Politik als Kalkül: "Die CSU will damit Stimmen am rechten Rand gewinnen." Für Claudia Roth, Grünen-Bundestags-Vizepräsidentin, treibt Seehofer "die Menschen in die Arme der AfD - und das ist brandgefährlich".
Die von der Union geplanten Transitzonen - sie sollen für eine Begrenzung der Zuwanderung sorgen - sind der Öko-Partei ein besonders brennender Dorn im Auge. Der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, wettert daher gegen die "populistische, ins Böse gewandte Naivität" von CSU und Teilen der CDU. Hallitzky sieht in den Transitzonen "inhumane Haftlager im Niemandsland".
Wenn es dagegen nach den Grünen geht, sollen die bayerischen Kommunen verpflichtet werden, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, dass es zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl entspricht. Bundeschef Cem Özdemir betont: "Unsere Vision ist, dass aus dem Ausländer ein Inländer, aus dem Gast ein Bürger wird." Die Redner beim Landesparteitag betonen immer wieder: Das individuelle Grundrecht auf Asyl ist unantastbar.
Schwer wiegt es da für viele Mitglieder, dass einige Grüne in Länderregierungen dem Asylkompromiss - der zwar mehr Hilfen für bleibeberechtigte Flüchtlinge, aber auch teils massive Verschärfungen für Asylbewerber beinhaltet - am Freitag durch den Bundesrat geholfen haben. Der Delegierte Marcus Rainer sieht dadurch ein "Kernstück der grünen Identität" abhanden gekommen, mehrere Mitglieder schlagen in die gleiche Kerbe und sehen die Glaubwürdigkeit der Partei beschädigt. Gerade die Basis ist bei der Beurteilung des Asylkompromisses tief gespalten: Ein von der Landtagsabgeordneten Claudia Stamm initiierter Antrag, der sich klar gegen das neue Gesetzespaket wendet, verfehlt beim Parteitag eine Mehrheit denkbar knapp: 123 Delegierte stimmen dafür, sie teilen also die massive Kritik an den Verhandlungsergebnissen, 135 Stimmen dagegen, 13 enthalten sich. Die Partei ist zerrissen.
"Die Realität und unsere Grundüberzeugung prallen in der Asyldebatte aufeinander", konstatiert Sigi Hagl. Die Landeschefin wird in Bad Windsheim für zwei weitere Jahre mit 85 Prozent der Stimmen klar in ihrem Amt bestätigt. "Ich freue mich riesig über dieses überwältigende Vertrauen", sagt Hagl nach ihrer Wiederwahl.
Im Gespräch mit unserer Zeitung macht Hagl zudem deutlich, dass sie bei den kommenden Wahlen nicht für ein Abgeordnetenmandat zur Verfügung steht: "Ich werde nicht für den Bundestag kandidieren." Auch eine Kandidatur für den Landtag schließt die Landeschefin zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus.
In der Asyldebatte gibt sich Hagl bei ihrer Parteitagsrede angriffslustig: "Wir werden die Straßen den Hetzern und Rechtspopulisten nicht überlassen." In Bad Windsheim verdeutlicht sich einmal mehr, welchen ungewöhnlichen Schulterschluss die Flüchtlingskrise in den vergangenen Wochen zu Tage gefördert hat: den zwischen der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und den Grünen. Die Bundeskanzlerin heimst beim Landesparteitag reichlich Lob für ihre Entscheidung ein, die Tore für die Flüchtlinge zu öffnen. Hofreiter bezeichnet Merkel als eine "Verbündete". Özdemir fügt an: "Wir reichen der Kanzlerin die Hand, wenn es darum geht, dass dieses Land ein weltoffenes bleibt."