Politik
Merkel eint ihre Partei: Die Pressestimmen zum CDU-Parteitag
14. Dezember 2015, 18:24 Uhr aktualisiert am 14. Dezember 2015, 18:24 Uhr
Wochenlang stand Angela Merkel auch in ihrer eigenen Partei schwer unter Beschuss. Doch beim Parteitag in Karlsruhe sprach sich die CDU mit einer überwältigenden Mehrheit für die Kanzlerin und eine gemeinsame Linie ohne Flüchtlings-Obergrenze aus. War das das richtige Signal? Oder hätte etwas mehr Kritik der Partei und ihrer Politik gut getan? Das sagen die Medien:
Die Welt: "Die CDU ist nicht auseinandergelaufen"
Spektakuläre Parteitage hat das Publikum zuletzt reichlich erlebt: Da demütigte ein CSU-Vorsitzender seine Bundeskanzlerin auf öffentlicher Bühne wie ein Schulmädchen, und SPD-Funktionäre entzogen dem Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel bei Wahlen die Legitimation für seine Politik. Beim CDU-Parteitag in Karlsruhe gab es kein solches Spektakel. Vielmehr stärkte die Union deutlich den Kurs ihrer Vorsitzenden. Ob man Merkels Flüchtlingspolitik für ambitioniert oder für verwegen hält: Sie hat spätestens jetzt ein deutliches Mandat ihrer Partei dafür. Die parteiinternen Kritiker haben wochenlang gegrummelt, aber die CDU ist nicht auseinandergelaufen. Und nicht nur die Parteimitglieder bleiben bei der Stange. Auch die Umfragen sind stabil.
Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung: "Die Partei steht nun wie eh und je hinter ihr"
Ob es Zufall war oder nicht: Den Sozialdemokraten mit ihrem Parteitag den Vortritt zu lassen, war jedenfalls genial. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es gelungen, ihre CDU am Parteitag in Karlsruhe zu einen. Zur Wahl steht die Parteichefin zwar nicht, doch die Abstimmung über den Leitantrag zur Flüchtlingskrise war so etwas wie ein Votum über ihre Politik. Auch wenn es in den Wochen vor dem Delegiertentreffen noch möglich erschien, dass die CDU mit ihrer Vorsitzenden hadern und ihr für ihre Flüchtlingspolitik eine Abstimmungsklatsche verpassen könnte, steht die Partei nun wie eh und je hinter ihr.
Münchner Merkur: "Die Realität lässt sich nicht wegklatschen"
So dumm, auf offener Parteitagsbühne Selbstmord zu begehen, ist in Deutschland nur die SPD. Beim Kanzlerinnenwahlverein CDU werden potenzielle Selbstmordattentäter per Parteitagsregie entwaffnet: Ein paar schlau eingeflochtene Sätze im Asyl-Leitantrag, etliche vorbeugende Telefonate mit den wichtigsten Kritikern, dazu eine souveräne Rede Merkels - das reichte, um die Delegierten in Euphorie zu versetzen. Doch so sehr sich die Machtmaschine CDU an sich selbst berauschte: Außerhalb der Karlsruher Parteitagshalle ist die Welt eine andere. Da laufen der Union die Wähler in Scharen davon. Und wenn die Kanzlern zum Gipfel nach Brüssel reist, wird sie merken, dass sie nicht mehr die gefeierte Anführerin Europas ist. Diese neue Realität lässt sich nicht wegklatschen.
Handelsblatt: "Man hätte der CDU eine Redeschlacht gewünscht"
Unter der Oberfläche der CDU brodelt es indes bei Bürgermeistern, Landräten und Kommunalpolitikern weiter. Ihre größte Anhängerschaft in der Flüchtlingspolitik findet Merkel nicht mehr in den eigenen Reihen, sondern bei SPD und Grünen. Man hätte der CDU eine Redeschlacht wie ein paar Tage zuvor bei der SPD gewünscht: zwischen Umverteilern und den Anhängern der Sozialen Marktwirtschaft. Nichts war dabei unter den Teppich gekehrt worden. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat die Entscheidung über den künftigen Kurs nicht in die Zukunft vertagt, als er sich mit der Parteilinken anlegte. Er wollte sich und seiner Partei im Programm keine wachsweichen Formulierungen mehr antun. Das eher mäßige Ergebnis bei seiner Wahl zum Parteichef wird ihm nicht schaden. Denn die Bürger wollen wissen, woran sie sind. Doch die verdrängte Zukunft war bei der CDU nicht nur in der Flüchtlingspolitik zu spüren. Merkel sprach ausführlich über das Dringliche in der Weltpolitik. Aber über das Wichtige, wenn es um Wohlstand und Wachstum für Deutschland geht, war von ihr zu wenig zu hören. Die wirtschaftliche Zukunft des Landes streifte sie nur. Wieder einmal.
Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Eine Mia-san-mia-Rede"
In Bayern würde man das eine "Mia-san-mia"-Rede nennen: selbst- und geschichtsbewusst, kämpferisch, untergehakt. Merkel zog alle (...) Register der politischen Rhetorik, um der Partei Zuversicht zu geben. Ihr Tenor dabei: Leicht war es nie, aber wir schafften es immer. (...) Den Befürchtungen, die Masseneinwanderung werde die Republik zu ihrem Nachteil verändern, hält sie ein helles Zukunftsbild entgegen: Deutschland solle in 25 Jahren "offen, neugierig, tolerant und spannend" sein, "mit einer starken eigenen Identität". Mit solchen Sätzen fängt sie alle Flügel der Partei ein - und noch eine Menge Wähler links von ihr. Die Flüchtlingskrise selbst bewältigt Merkel damit nicht. In Karlsruhe ging es freilich auch nur um die aktuell zweitgrößte Herausforderung für sie: unbeschädigt den Parteitag zu überstehen.