Regierungsbildung

Schulz ist sauer aber gesprächsbereit


Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz kommt am 01.12.2017 in Berlin im Willy-Brandt-Haus zum Presse-Statement.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz kommt am 01.12.2017 in Berlin im Willy-Brandt-Haus zum Presse-Statement.

Von Redaktion idowa

SPD-Chef Schulz ist sauer. Offensichtlich sei aus der Union gezielt gestreut worden, dass die Entscheidung über GroKo-Gespräche schon gefallen sei, schimpft er. Das könnte sich noch als Stolperstein erweisen.

Die SPD-Spitze um Martin Schulz will sich auf einem Parteitag kommende Woche grünes Licht für ergebnisoffene Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung geben lassen. Bereits am Montag wolle er mit dem Parteivorstand über einen entsprechenden Antrag beraten, sagte Schulz am Freitag in Berlin. Die SPD werde sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. "Wir haben viele Optionen für eine Regierungsbildung. Wir sollten über jede dieser Optionen reden." Die CDU zeigte sich zur Aufnahme ernsthafter Gespräche mit der SPD ohne Vorbedingungen bereit.

Allerdings wurden mögliche Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage durch Querschüsse belastet. Schulz wies Darstellungen empört zurück, seine Partei habe sich mit der Union bereits auf die Aufnahme von Gesprächen über ein neues Bündnis verständigt. Die Meldung "ist falsch", sagte er. Da sie offensichtlich von der Union lanciert worden sei, habe er mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen und ihr gesagt, dass so etwas inakzeptabel sei. "Wer Falschmeldungen in Umlauf setzt, zerstört Vertrauen", betonte Schulz.

Bereits Anfang der Woche war es zu massivem Streit in der geschäftsführenden Regierung von Union und SPD gekommen, nachdem Agrarminister Christian Schmidt (CSU) im Alleingang und gegen den Willen von SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks der weiteren EU-Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat zustimmte. Nun hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, es gebe bereits eine Verständigung zwischen SPD und Union darüber, in Gespräche über eine große Koalition einzutreten. Eine Quelle dafür wurde in dem Bericht nicht genannt.

Merkel informierte am Vormittag den Vorstand ihrer Partei über das Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer. Nach dpa-Informationen aus Teilnehmerkreisen machte Merkel in der Schaltkonferenz deutlich, falls der SPD-Parteitag Gesprächen mit der Union zustimme, könnte eine erste Gesprächsrunde im kleinen Kreis schon vor Weihnachten stattfinden, vielleicht auch eine zweite. Dabei muss es sich nicht schon um formelle Sondierungsverhandlungen handeln.

Im "Spiegel" benannte Schulz bereits Forderungen der SPD, unter anderem "eine Neugründung Europas", eine gemeinsame europäische Steuerpolitik sowie einen EU-Finanzminister. Als innenpolitische Bedingung für eine Regierungsbeteiligung nannte er eine umfassende Reform der Gesundheitsversorgung: "Die Zwei-Klassen-Medizin muss abgeschafft werden."

Auf Einladung des Bundespräsidenten hatten Schulz, Merkel sowie CSU-Chef Horst Seehofer am Donnerstagabend Möglichkeiten einer Regierungsbildung ausgelotet. Es sei ein sehr gutes Gespräch gewesen, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Steinmeier will wie die Kanzlerin eine Neuwahl vermeiden.

Nach Ansicht der FDP baut der Bundespräsident den Sozialdemokraten derzeit eine "gesichtswahrende Brücke" zurück in die große Koalition. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte der dpa: "Es bleibt zu hoffen, dass der Bundespräsident auch zu mehr Professionalität in der Bundesregierung angeregt hat." Denn das Verhalten Schmidts und Hendricks', "die sich gegenseitig mit Rechtsverstößen überbieten, gibt kein gutes Bild ab und gefährdet die Kultur unseres Rechtsstaates."

Die SPD hatte sich nach der Bundestagswahl, bei der sie ihr bisher schlechtestes Ergebnis eingefahren hat, zunächst auf eine Rolle in der Opposition festgelegt. Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen hatte Steinmeier in einer ungewöhnlichen Ansprache an die Verantwortung der Parteien appelliert - die diese "nicht einfach an die Wählerinnen und Wähler zurückgeben" könnten.

Die stellvertretende SPD-Chefin und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, sagte, es gebe in der Partei sehr unterschiedliche Meinungen zum weiteren Vorgehen. Die einen lehnten eine große Koalition massiv ab, andere stünden Neuwahlen skeptisch gegenüber, es gebe auch viele Befürworter dritter Möglichkeiten. Deshalb müsse die SPD nun in Ruhe beraten und versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Sie selbst sei weiter skeptisch, "dass man einfach ein Weiter-so in einer großen Koalition machen kann".

Agrarminister Schmidt und Umweltministerin Hendricks wollen nun zu einem kollegialen Umgang zurückkehren. Man könne über die nationale Umsetzung des EU-Beschlusses jetzt reden. Hier will Schmidt auf Hendricks zugehen, mit dem Ziel, einen zurückhaltenderen Umgang mit Glyphosat zu finden, wie ein Sprecher sagte.

Die Linke könnte nach den Worten ihrer Parteivorsitzenden Katja Kipping profitieren, wenn die SPD die große Koalition mit der Union fortsetzen sollte. Eine SPD im Korsett der großen Koalition "macht einen Platz frei, den die Linke von links besetzen sollte", sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur. Sie fügte hinzu: "Wir bieten denen eine politische Heimat, die die GroKo-Politik der sozialen Verunsicherung korrigiert sehen wollen."