Flüchtlingspolitik
Seehofer setzt Merkel wegen sinkender Umfragewerte massiv unter Druck
21. Oktober 2015, 8:38 Uhr aktualisiert am 21. Oktober 2015, 8:38 Uhr
Zuletzt hatte sich Horst Seehofer zurückgehalten. Doch angesichts sinkender Umfragewerte für die Union greift er Kanzlerin Angela Merkel nun wieder frontal an. Er fordert endlich einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik - und warnt vor noch mehr Zulauf für Pegida.
Mit Warnungen vor einer Spaltung der Gesellschaft und einem Sinkflug der Union in der Wählergunst setzt CSU-Chef Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik massiv unter Druck. Er warnte am Dienstag vor einem weiteren Zulauf für Pegida, sollte es zu keiner Begrenzung der Flüchtlingszahlen kommen. Konkret warf er Merkel vor, dass es noch immer keinen Beschluss zur Einrichtung von Transitzentren für Flüchtlinge in Grenznähe gebe. Das sei "enttäuschend - denn wir haben das vereinbart als Union", sagte Seehofer am Rande einer Landtagssitzung in München.
Auch in der Landtagsdebatte selbst meldete sich Seehofer zu Wort - außerplanmäßig und quasi mit einer neuerlichen Regierungserklärung. Dabei bot er der bayerischen Opposition eine intensive Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik an. "Wenn wir das nicht lösen, wird das zu Lasten aller Parteien gehen", warnte er. Er kündigte an, die Fraktionsvorsitzenden bereits für kommende Woche zu einem Gespräch einzuladen. "Ich mache das aus Verantwortung für das ganze Land." Bei SPD, Freien Wählern und Grünen stieß das Angebot auf Zustimmung.
Seehofer betonte: "Rassistische, ausländerfeindliche Äußerungen von Pegida sind völlig inakzeptabel und werden auch von der CSU verurteilt." Das enthebe die Politik aber nicht von der Verantwortung, "Antworten zu geben auf die Sorgen und Ängste der Bevölkerung", sagte Seehofer. "Dazu zählt die Zuwanderungspolitik und eine gelingende Integration. Beide Dinge müssen gelöst werden. Solange sie nicht gelöst werden, wird das für solche Kräfte Aufwind bedeuten." Seehofer warnte: "Das spaltet eine Gesellschaft, das merkt man ja, weil sich große Teile der Bevölkerung in der Politik nicht mehr wiederfinden."
Nach gleich zwei 37-Prozent-Umfragen für die Union sagte Seehofer voraus: "Die Union wird weiter abnehmen, CDU und CSU - das geht an beiden nicht spurlos vorüber." Er fügte sogar hinzu: "Wahrscheinlich sind wir jetzt schon tiefer, als es die Umfragen ausdrücken." Auf die Frage, wie lange er das noch mitmache, sagte der CSU-Vorsitzende: "Das muss ich mit mir selber ausmachen - und einigen guten Freunden."
Seehofer sagte, völlig unabhängig von Pegida müsse man sehen, "dass die derzeitige Zuwanderungspolitik die Gefahr heraufbeschwört, dass es zu einer gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland kommt und dass es auch leider Gottes in Teilen zu Radikalisierungen kommt". Er wies aber entschieden zurück, dass dafür die CSU mitverantwortlich sei: "Dafür ist nicht jemand verantwortlich, der dies als Problem beschreibt, sondern die Verantwortung besteht bei der Politik, wenn sie das Problem nicht löst." Darauf weise die CSU langem hin, dass man radikale Strömungen nur durch die Lösung eines Problems vermeide oder dämpfe. Deshalb müsse die Union auf die Sorgen und Ängste der Bevölkerung in der Zuwanderungspolitik Rücksicht nehmen. "Nicht schöne Worte, sondern nur noch die Tat zählt in der Bevölkerung."
In seiner Rede im Landtag legte Seehofer sieben Punkte dar, die er in der Zuwanderungspolitik für nötig hält: ein schnelle Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Deutschland und Europa, eine Bekämpfung der Fluchtursachen, eine effektive Kontrolle der EU-Außengrenzen, Grenzkontrollen in Deutschland, Obergrenzen auch für Bürgerkriegsflüchtlinge und eine Wiederherstellung der Rechtsordnung in Europa - danach dürfen Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, sofort dorthin zurückgeschickt werden. Zum Thema Abschiebungen sagte Seehofer: "Da müssen wir auch in Bayern noch entschieden besser werden. (...) Ich bin mit der Situation hier nicht zufrieden."
Zum Gelingen der Integration von Flüchtlingen brauche es wirksame, rechtlich einwandfreie Maßnahmen zur Zuwanderungsbegrenzung, betonte Seehofer. Er verteidigte die geplanten Transitzonen als notwendig. Dadurch werde bei Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern innerhalb von 48 Stunden Klarheit geschaffen. Gleichzeitig betonte er, dass Asylsuchende in den Transitzentren nicht inhaftiert würden. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dazu: "Es ist ja jedem jederzeit die Möglichkeit gegeben, die Rückreise anzutreten."
Die Opposition sieht bei den Transitzonen noch viele Frage offen. Die 18 SPD-Fragen zu dem Thema seien unbeantwortet geblieben, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. "Wir wollen wissen: Wo, wann und wie?", sagte Eva Gottstein von den Freien Wählern. Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) fragte, auf welcher Rechtsgrundlage die Asylbewerber in den Asylzentren festgehalten werden sollten. "Werden die da eingesperrt?" Die "Transitzonen" seien kein Lösungsansatz, "sondern das sind starke Sprüche". Christine Kamm (Grüne) sagte, Transitzonen seien "mit unseren Werten und unserem Rechtsstaat nicht vereinbar".