Interview

Thomas Kreuzer zur Flüchtlingskrise: "Das Problem wird jeden Tag größer"


CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer fordert in der Flüchtlingskrise endlich Taten statt Worte.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer fordert in der Flüchtlingskrise endlich Taten statt Worte.

In der kommenden Woche trifft sich die CSU-Landtagsfraktion zur Klausur in Wildbad Kreuth. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird dort erwartet. Fraktionschef Thomas Kreuzer erwartet, dass die Kanzlerin einen Weg aufzeigt, wie die Flüchtlingskrise zu bewältigen ist. Der Wille allein sei noch kein Durchbruch. Das Problem der massenhaften Zuwanderung werde jeden Tag größer.

Herr Kreuzer, bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe musste sich Bundeskanzlerin Angela Merkel viel Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik anhören. Welche Botschaft haben Sie für die Regierungschefin, die auch zur Klausur der Landtagsfraktion kommen wird?

Kreuzer: Wir freuen uns, dass die Kanzlerin kommt. Es geht ja bei unserer Tagung auch um das Thema "Moderner Staat" - da bereiten wir seit einiger Zeit Pilotprojekte gemeinsam mit dem Bund vor. Das war auch der ursprüngliche Grund der Besuchszusage der Kanzlerin. Das Thema werden wir auch weiter bearbeiten. Wir werden mit ihr aber auch über die aktuelle Migrationsproblematik sprechen. Die Haltung der CSU, insbesondere die Obergrenze, ist dabei völlig klar. Wir werden sie freundlich empfangen, aber auch unsere Position vertreten.

Was erwarten Sie von der Kanzlerin, die ja gesagt hat, auch sie wolle die Flüchtlingszahlen spürbar reduzieren?

Kreuzer: Wir müssen erwarten, dass ein Weg aufgezeigt wird, wie das gelingt. Der Wille allein bringt ja noch keinen Durchbruch in der Sache.

Merkel hat um mehr Zeit gebeten. Wie viel Zeit sind Sie bereit, ihr zu gewähren?

Kreuzer: Ich will dem Gespräch mit der Kanzlerin nicht vorgreifen. Allerdings kann man die Entscheidung nicht beliebig nach hinten schieben. Österreich will offenbar den Grenzübergang Spielberg wieder öffnen und rechnet dann mit 5.000 bis 6.000 Menschen pro Tag. Das zeigt, das Problem wird jeden Tag größer.

Der Bund lehnt Grenzkontrollen durch bayerische Beamte ab. Können Sie diese Haltung verstehen?

Kreuzer: Ich denke, dass Grenzkontrollen und Grenzsicherung notwendig sind. Das europäische Grenzsystem - Schengen und Dublin - funktioniert schon seit Längerem nicht. Grenzkontrollen sind nur dann sinnvoll, wenn sie überall durchgeführt werden. Wir stellen fest, dass der Bund dies nicht ausreichend macht, insbesondere an kleinen Übergängen. Deshalb halte ich das Amtshilfeangebot der Bayerischen Polizei für richtig. Für die Ablehnung des Bundes habe ich kein Verständnis.

Wie sehr besorgt Sie das Umfragehoch der AfD gerade mit Blick auf die drei Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz?

Kreuzer: Ich bin ein Politiker der alles versucht, dass Radikale von rechts und links in diesem Land keine Chance haben. Ich halte die AfD für zumindest rechtspopulistisch und kenne von ihr auch keine realistischen Vorschläge zur Lösung des Problems. Um radikale Kräfte politisch in den Griff zu bekommen, muss man schwerwiegende Probleme, die der Bevölkerung zu Recht auf den Nägeln brennen, ansprechen und lösen. Deswegen hilft es nicht, nur zu warnen, sondern man muss die Probleme angehen - nur so gräbt man solchen Kräften das Wasser ab. Diesen Weg gehe ich und diesen Weg geht die CSU.

Ihre Fraktion arbeitet derzeit an einem Entwurf für ein Integrationsgesetz. Was sind die Rahmenbedingungen für Migration?

Kreuzer: Integration braucht Richtung, keine Beliebigkeit. Wir lehnen eine Multi-Kulti-Gesellschaft ab. Wir haben eine deutsche Leitkultur, die durch unsere Werte definiert wird. Da geht es um Dinge wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Religionsfreiheit, aber auch die Anerkennung Israels. Wer hier dauerhaft leben will, muss diese Werte anerkennen. Das muss in diesem Gesetz verankert werden. Darüber hinaus hat jeder am gesellschaftlichen Zusammenhalt mitzuwirken - dazu gehört, dass jemand der zu uns kommt, für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen muss, soweit er dazu in der Lage ist.

Bei Ihrer Klausur vor einem Jahr haben Sie einen Prozess eingeleitet, um sich mit dem modernen Staat zu befassen. Sie wollen eine effektivere Verwaltung, die sich stärker an den Bedürfnissen der Bürger orientiert. Wie weit ist dieser Prozess gediehen?

Kreuzer: Wir haben daran kontinuierlich gearbeitet. Wir haben auch Länder besucht, die auf diesem Gebiet schon weiter sind als wir, wie Dänemark, Großbritannien oder Estland. Die Ideen und Erfahrungen haben wir im Hintergrund zu einem Konzept zusammengefasst.

Was wollen Sie dazu im neuen Jahr konkret umsetzen?

Kreuzer: Wir werden hier teilweise zusammen mit dem Bundeskanzleramt auf verschiedenen Gebieten Pilotprojekte starten. Da geht es zum Beispiel um ein Projekt der Finanzverwaltung zu "e-Government / Montgelas 3.0", um Deregulierung in der Landwirtschaft etwa bei Dokumentationspflichten, um günstigeres, schnelleres und besseres Bauen durch Visualisierungen in der Planungsphase oder darum, wie man Flüchtlinge noch besser motivieren kann, Deutsch zu lernen.

Welche politischen Konsequenzen ziehen Sie aus den Vorfällen in Köln und in anderen Städten?

Kreuzer: Wir erleben eine neue Form der Kriminalität. Große Gruppen begehen hier gemeinsam Straftaten, vor allem Gewalt gegen Frauen, aber auch Eigentumsdelikte. Das ist ungeheuerlich und ich habe so etwas in Deutschland noch nicht erlebt. Wir sind es den weiblichen Opfern, die vermutlich diese Nacht so leicht nicht vergessen können, schuldig, daraus Konsequenzen zu ziehen. Solche Taten sind geeignet, um das Sicherheitsgefühl in weiten Teilen der Bevölkerung zu zerstören. Aufklärung wird hier nicht helfen, da ich nicht glaube, dass die Täter davon ausgegangen sind, dass ihr Tun hierzulande erlaubt ist. Wir müssen darauf vorbereitet sein und die Straftaten aufklären, hart ahnden und gegebenenfalls den Aufenthalt der Täter in Deutschland beenden. Das wird wirken, eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Der Schutz der Bürger hat absoluten Vorrang.

Wie sollte die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen nun reagieren?

Kreuzer: Seitens Polizei und der Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen sind entscheidende Fehler gemacht worden. Was zur Empörung weiter beigetragen hat, ist die völlig unzureichende und teils falsche Informationspolitik der Behörden. Das kann dazu führen, dass die Menschen ihr Vertrauen in Behörden, aber auch in die Presse, die das weitertransportiert, verlieren. Als CDU in Nordrhein-Westfalen würde ich einen Untersuchungsausschuss fordern, um herauszufinden, ob es hier Anweisungen gab, wie die Öffentlichkeit zu informieren ist. Der Rücktritt des Polizeipräsidenten ist richtig, er ist aber auch ein Bauernopfer, denn die politische Verantwortlichkeit ist höher angesiedelt.

München hat einen Terroralarm erlebt. Ist die Polizei im Freistaat hinreichend aufgestellt, um die Situationen dieser Art umzugehen?

Kreuzer: Die Bayerische Polizei ist gut aufgestellt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben wir nie die Zahl der Polizisten verringert. Wir haben sie im Gegenteil sogar ausgebaut. Auch die Sachausstattung ist besser als anderswo. Ich glaube auch, dass die Polizei an diesem Abend angemessen reagiert hat. Ich sage aber auch, selbst die am besten ausgestattete Polizei kann niemals ausschließen, dass es auch bei uns zu Anschlägen kommt. Daher müssen wir alles tun, um die Einreise von Tätern zu verhindern.