Afghanistan-Krise

Bundesregierung will mit Taliban über Ortskräfte reden


Taliban-Kämpfer posieren in der Provinz Gasni mit ihrer Fahne vor dem Haus des Gouverneurs.

Taliban-Kämpfer posieren in der Provinz Gasni mit ihrer Fahne vor dem Haus des Gouverneurs.

Von mit Material der dpa

Die Bundesregierung will mit den militant-islamistischen Taliban über die Evakuierung der afghanischen Helfer von Bundeswehr und Bundesministerien sprechen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Dienstag in Berlin, dass Botschafter Markus Potzel am Dienstag nach Doha ins Golfemirat Katar geschickt worden sei. Maas verwies darauf, dass auch die Amerikaner bereits mit den Taliban über die Evakuierung ehemaliger und derzeitiger afghanischer Mitarbeiter reden würden. Potzel werde in seinen Gesprächen in Doha darauf hinwirken, "dass die Möglichkeit geschaffen wird, dass sich auch Ortskräfte an den Flughafen begeben können".

Die Taliban haben Kontrollpunkte in der Nähe des Flughafens errichtet und lassen nach Angaben des Außenministers nur Ausländer durch. Nach seinen Angaben halten sich derzeit 180 Menschen am Flughafen auf, die mit Bundeswehrmaschinen ausgeflogen werden sollen. Zwei Evakuierungsflüge mit zusammen 129 Passagieren aus 15 Ländern ins Nachbarland Usbekistan haben bereits stattgefunden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, man werde so lange wie möglich Menschen aus Kabul ausfliegen.

Potzel ist bereits vor längerer Zeit als neuer Botschafter in Kabul benannt worden und sollte ursprünglich im August dorthin geschickt werden - dann begann der Vormarsch der Taliban. Die Botschaft in Kabul ist derzeit geschlossen und der größte Teil der Mitarbeiter ausgeflogen worden. Ein kleines Kernteam ist noch an dem von US-Truppen abgesicherten Flughafen tätig.

Bundeswehr-Hauptmann sieht wenig Hoffnung

Der Bundeswehr-Hauptmann Marcus Grotian hat unterdessen wenig Hoffnungen, dass ohne Gespräche überhaupt noch Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland geholt werden können. "Wenn wir hier noch überhaupt jemanden retten, dann haben wir viel Glück", sagte Grotian vom Patenschafts-Netzwerk Afghanische Ortskräfte am Dienstag in Berlin. Die Taliban hätten den Flughafen in Kabul umzingelt. "Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde erreichen uns unzählige Nachrichten", sagte Grotian. Diese Hilferufe werde er nie vergessen.

Grotian, der für die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz war, spricht auch von einer Verantwortung der Politik. Politiker und Bürokraten hätten einfach nur die Regeln umgesetzt und nicht geholfen. "Bürokratie bis zum Schluss. Wenn Sie nicht den richtigen Antrag dreimal ausgefüllt haben, würde man Ihnen keinen Rettungsring zuwerfen", sagte Grotian. Hätte man stattdessen versucht Menschenleben zu retten, dann würde heute nicht von 8.000 Menschen gesprochen werden, die zurückgelassen wurden, sondern vielleicht von 30.

Der Hauptmann hatte zuvor mit der Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch über die Lage in Afghanistan gesprochen. "In der nächsten Zeit noch über Abschiebungen nur zu spekulieren, verbietet sich", sagte Jarasch. "Wir werden hier in Berlin überlegen müssen, ob wir für die Menschen, die jetzt schon seit Jahren hier mit uns und unter uns leben, es endlich schaffen, Bleibe-Perspektiven zu eröffnen. Denn wir können niemand abschieben in ein Land, das von Taliban regiert wird."