Beziehungen zum Iran

Bundesregierung zieht Konsequenzen aus Sharmahd-Hinrichtung


sized

Irans Justiz hat den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd hinrichten lassen.

Von dpa

Nach der Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd im Iran hat die Bundesregierung erste Konsequenzen gezogen. Das Auswärtige Amt bestellte den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ein, um ihm den "scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes" mitzuteilen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beorderte anschließend den deutschen Botschafter in Teheran nach Berlin zurück. Weitere Maßnahmen behält sich die Bundesregierung ausdrücklich vor. Die deutsch-iranischen Beziehungen haben einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag bekanntgegeben. Er war im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt worden. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn vehement zurück.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock hatten die Hinrichtung bereits am Montag scharf verurteilt. Scholz nannte sie einen Skandal. Baerbock erklärte, die Tötung "zeigt erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht". Teheran sei immer wieder unmissverständlich klargemacht worden, "dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird".

Die ersten Konsequenzen sind jetzt gezogen. Dem Geschäftsträger der Botschaft wurde am Vormittag im Auswärtigen Amt der Unmut der Bundesregierung mitgeteilt. "Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt & behalten uns weitere Maßnahmen vor", schrieb das Ministerium auf der Plattform X.

Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der bisherige Botschafter ist im Zuge eines regulären Personalwechsels ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen. Nach der Tötung Sharmahds gilt es als unwahrscheinlich, dass zeitnah ein neuer Botschafter entsendet wird.

Der deutsche Botschafter in Teheran, Markus Potzel, protestierte gleichzeitig mit der Einbestellung in Berlin beim iranischen Außenministerium und wurde anschließend "zu Konsultationen" nach Berlin zurückberufen. Das sind die üblichen diplomatischen Instrumentarien in solchen Krisensituationen. Die nächste Stufe könnte die Ausweisung von Diplomaten sein. Bereits im vergangenen Jahr wurden nach Verkündung des Urteils zwei iranische Botschaftsangehörige ausgewiesen. Irans Regierung tat dasselbe.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch andere EU-Staaten anschließen, wenn Deutschland zu diesem Instrument greift. Solche konzertierten Aktionen hat es als Maßnahme gegen Russland auch schon gegeben. EU-Chefdiplomat Josep Borrell schrieb auf X nur, die EU erwäge "Maßnahmen" als Reaktion.

Teheran verteidigte die Hinrichtung unterdessen. Sharmahd sei verantwortlich für einen Terroranschlag mit 14 Toten, schrieb Außenminister Abbas Araghtschi auf der Plattform X. "Ein deutscher Pass bietet niemandem Straffreiheit, geschweige denn einem terroristischen Verbrecher." Aus dem Auswärtigen Amt war zu hören, dass Botschafter Potzel nach der Einbestellung des iranischen Geschäftsträgers in Berlin seinerseits auf Abteilungsleiterebene durch das iranische Außenministerium einbestellt wurde.

Sharmahd war im Sommer 2020 unter mysteriösen Umständen während einer Reise aus Dubai in den Iran verschleppt worden; mehrere Berichte sprechen von einer Entführung durch den iranischen Geheimdienst. Seitdem war er in Isolationshaft.

Seine in den USA lebende Tochter Gazelle warf der US-Regierung und der Bundesregierung vor, nichts für die Freilassung ihres Vaters getan zu haben. "Abgesehen davon, dass sie Dich bei jeder Geiselverhandlung im Stich gelassen haben, was haben sie für Dich vorzuweisen?", schrieb sie an ihren Vater gerichtet auf X. "Welchen Beweis haben sie, dass du, Papa, Journalist und Freiheitsverfechter Jamshid Sharmahd, ermordet wurdest? Falls die Nachricht mit konkreten Beweisen bestätigt wird, müssen sie dich sofort nach Hause bringen, damit wir dich in Frieden zur Ruhe legen können."

Außenministerin Baerbock telefonierte bereits am Montag mit Gazelle Sharmahd und sprach ihr im Namen der Bundesregierung ihr Beileid aus. "Wir unterstützen den ausdrücklichen Wunsch der Tochter, den Leichnam von Djamshid Sharmahd schnell zu überführen, damit seine Familie Abschied nehmen kann", hieß es aus dem Auswärtigen Amt.

Baerbock hatte sich in der Vergangenheit mehrfach bei den iranischen Außenministern persönlich für die Aufhebung des Urteils gegen Sharmahd eingesetzt. Irans Justiz verweigerte aber bis zuletzt konsularischen Zugang.

Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen Beamten zu erlassen, "die an den an Jamshid Sharmahd verübten Verbrechen beteiligt waren. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!"

Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover jahrelang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war. In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe "Tondar" (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen - Hinterbliebene hatten Sharmahds Exekution gefordert.

Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair - er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als "Richter des Todes", der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.