Konjunkturpaket beschlossen
Die Maßnahmen im Überblick und wie das bezahlt wird
29. Juni 2020, 16:14 Uhr aktualisiert am 29. Juni 2020, 16:14 Uhr
Ein echter "Wumms" oder doch nur der ungezielte Schuss mit der Schrotflinte? Das große Corona-Konjunkturpaket soll dafür sorgen, dass die Verbraucher trotz Krise kräftig Geld ausgeben. Doch es gibt Zweifel an der Wirkung.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat einen großen "Wumms" versprochen: Beim Einkauf zahlt man weniger Steuern, außerdem fließt bares Geld in die Familienkasse. So will die Bundesregierung die Bürger in der Corona-Krise wieder in Kauflaune bringen. Bundestag und Bundesrat beschlossen am Montag wichtige Teile des 130 Milliarden schweren Konjunkturpakets, das den Konsum wieder ankurbeln soll.
"Wir haben ein Kraftpaket für Deutschland geschnürt", betonte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das größte Konjunkturpaket in der deutschen Geschichte könne Millionen von Bürgern entlasten und die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen.
Allerdings gibt es Zweifel, ob die Hilfen überhaupt wirken. "Insgesamt sollten an Konjunkturprogramme nicht zu hohe Erwartungen gerichtet werden", warnte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die FDP kritisierte, die Regierung packe mit einem "Wumms" die Schrotflinte aus - "aber ein lauter Knall ist eben noch kein Treffer". Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel monierte im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND/Dienstag): "Die hohe Anzahl von 57 Einzelmaßnahmen macht deutlich, dass die Regierung lieber mit der Gießkanne vorgeht, als sich auf konzentrierte und gezielte Wachstumsimpulse zu fokussieren."
Die Maßnahmen im Einzelnen:
SPAREN BEI JEDEM EINKAUF
Viele Einkäufe im Supermarkt, Möbelhaus oder Elektromarkt sollen für ein halbes Jahr billiger werden. Dafür sinkt der Mehrwertsteuersatz vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs gilt, wird von 7 auf 5 Prozent reduziert.
Günstiger wird es für die Verbraucher jedoch nur, wenn der Einzelhandel die Steuersenkung auch weitergibt und die Preise senkt. Viele Läden haben das angekündigt, teils waren schon am Montag niedrigere Preise ausgezeichnet. Trotzdem zweifelt die Opposition, dass genügend Einzelhändler mitziehen. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht zitierte im Bundestag Studien, nach denen nur 15 Prozent der Steuersenkung wirklich beim Verbraucher ankommen.
Einen Anschub für die Konjunktur bringt die Steuersenkung auch nur, wenn die Bürger mehr einkaufen und teure Anschaffungen trotz Krise ein paar Monate vorziehen. Deshalb will Finanzminister Scholz auch unbedingt im Januar zum alten Steuersatz zurückkehren - sonst verpuffe der Effekt, befürchtet er.
Beim Lebensmitteleinkauf dürfte der neue Steuersatz nur wenige Cent Ersparnis bringen. Größer ist der Unterschied bei teuren Anschaffungen wie einer Waschmaschine. Nach Rechnung der FDP spart ein durchschnittlicher Haushalt aber nur 30 Euro im Monat. Die Mehrheit der Bürger (57 Prozent) fühlt sich dadurch nicht zum Geldausgeben ermuntert, wie eine aktuelle Umfrage des Yougov-Instituts ergab.
FÜR FAMILIEN
Familien bekommen zusätzlich einen Zuschlag aufs Kindergeld: Im September 200 Euro mehr pro Kind, im Oktober noch einmal 100 Euro. Das gilt für alle Kinder, die irgendwann in diesem Jahr Anspruch auf Kindergeld hatten oder haben - also auch solche, die erst im November geboren werden.
Der Zuschuss wird in der Steuererklärung mit den Kinderfreibeträgen verrechnet, aber nicht auf Sozialleistungen angerechnet. Dadurch profitieren vor allem Familien mit weniger Geld: Je mehr man verdient, desto weniger Bonus bleibt nach der Steuer übrig. Ab etwa 85 900 Euro Jahreseinkommen haben die Eltern von dem Zuschuss nichts mehr.
Wie sinnvoll der Kinderbonus für die Wiederbelebung der Konjunktur ist, ist umstritten. Der Einzelhandel setzt darauf, dass die Familien die 300 Euro pro Kind zum Shoppen nutzen. Doch zugleich wird der Bonus als Trostpflaster kritisiert.
FÜR ALLEINERZIEHENDE
Alleinerziehende, die in der Corona-Zeit besonders belastet sind, bekommen zusätzliche Hilfe: der Entlastungsbetrag bei der Steuer wird in diesem und dem kommenden Jahr mehr als verdoppelt, von derzeit 1908 auf 4008 Euro. Diesen Betrag können Alleinerziehende bei der Steuererklärung von der Summe ihrer Einkünfte abziehen, so dass sie weniger Steuern zahlen.
FÜR FIRMEN
Vor allem viele kleine und mittelständische Firmen brauchen schnell Geld in der Kasse, um ausstehende Rechnungen zu bezahlen. Deshalb bekommen sie bessere Möglichkeiten, aktuelle krisenbedingte Verluste mit Gewinnen aus dem Vorjahr zu verrechnen. Damit Unternehmen jetzt wieder investieren und Anschaffungen nicht aufschieben, werden Abschreibungsregeln bis Ende 2021 verbessert. "Solche Impulse brauchen unsere Unternehmen jetzt dringend - zumal die Finanzierungsprobleme gerade im Mittelstand zunehmen", erklärte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer.
Doch auch die weiteren Punkte aus dem Konjunkturpaket müssten schnell umgesetzt werden. Dabei geht es vor allem um Überbrückungshilfen, damit kriselnde Firmen die Sommermonate überleben und überhaupt vom erwarteten Wirtschaftsaufschwung profitieren können. Ohne schnelle Hilfe drohen Schausteller, Veranstalter, Messebauer oder Busunternehmen vom Markt zu verschwinden.
Wie das bezahlt wird
Die Bundesregierung rechnet damit, dass in diesem Jahr durch das Konjunkturpaket fast 23,4 Milliarden Euro weniger Steuern reinkommen. Den Großteil übernimmt der Bund. Um das zu stemmen, will Finanzminister Scholz noch einmal mehr Kredite aufnehmen. Inzwischen sind für 2020 Rekordschulden von 218,5 Milliarden Euro vorgesehen. So viel hat noch nie eine Bundesregierung in einem Jahr aufgenommen. Scholz plant, den größten Teil der Corona-Schulden innerhalb von 20 Jahren ab 2023 wieder zu tilgen. Seinen zweiten Nachtragshaushalt soll der Bundestag noch in dieser Woche beschließen.