Nach Kritik an Urlaub

Familienministerin Spiegel tritt zurück


Bundesfamilienministerin Anne Spiegel äußert sich bei einem kurzfristig einberufenen Pressetermin in Berlin.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel äußert sich bei einem kurzfristig einberufenen Pressetermin in Berlin.

Von dpa

Die Ampel-Regierung steht vor ihrer ersten Kabinettsumbildung: Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) tritt nach eigenen Angaben vom Montag zurück.

Hintergrund ist ihr Umgang mit der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz im Sommer 2021. "Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen. Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht", sagte die 41-Jährige laut einer Mitteilung ihres Ministeriums.

Zuvor war bekanntgeworden, dass Spiegel als damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin zehn Tage nach der Flut zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen war und diesen nur einmal für einen Ortstermin im Ahrtal unterbrochen hatte. Bei einem emotionalen Auftritt hatte Spiegel den Urlaub am Sonntagabend als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt. Dabei räumte sie auch ein, dass sie sich anders als ursprünglich mitgeteilt nicht aus den Ferien zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor noch über eine Regierungssprecherin mitteilen lassen, er arbeite "eng und vertrauensvoll" mit Spiegel zusammen. Zu ihrem Amtsantritt als Familienministerin hatte sie im vergangenen Dezember den Kampf gegen Kinderarmut als vorrangiges politisches Ziel genannt. Spiegel hatte sich auch dafür eingesetzt, dass Väter nach der Geburt ihrer Kinder einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub bekommen. Wer ihr Amt übernehmen wird, blieb zunächst offen. Die Grünen kündigten "zeitnah" eine Entscheidung über eine Nachfolge an.

Unions-Politiker und Vertreter der AfD hatten Spiegels Rücktritt oder ihre Entlassung gefordert. "Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen", hatte CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag der "Bild"-Zeitung gesagt. CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sagte am Montag im Deutschlandfunk: "Ich glaube, auch wenn man Frau Spiegel gestern erlebt hat, ich glaube, sie tut sich selbst auch keinen Gefallen, wenn sie weiterhin darauf beharrt, im Amt zu bleiben."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verwies in Wuppertal auf den Fall von NRW-Umweltministerin Heinen-Esser (CDU), die ihr Amt niedergelegt hatte, nachdem bekanntgeworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte. "SPD und Grüne haben sich hier in Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche moralisch sehr hoch aufgeschwungen und über Ursula Heinen-Esser gerichtet", sagte Wüst. "Die müssen jetzt klarstellen, ob diese Ansprüche unabhängig vom Parteibuch gelten oder nur dem Wahlkampf geschuldet waren."

Im rheinland-pfälzischen Landtag hatte die Opposition - CDU, Freie Wähler und AfD - Spiegels Rücktritt bereits seit ihrer Aussage im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe am 11. März in Mainz verlangt. Damals ging es noch nicht um den Frankreich-Urlaub. Spiegel war in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte.

Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen. "Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte."

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.