Wahlkampf

FDP versucht Comeback - Wende ohne Kettensäge


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FDP-Parteichef Christian Lindner (links) setzt beim Wahlkampf auf Ex-Justizminister Marco Buschmann als Generalsekretär.

Von dpa

FDP-Chef Christian Lindner versucht mit einer Kommunikationsoffensive, den Trubel um das "D-Day"-Papier und den Ausstieg aus der Ampel auch in seiner Partei zu beruhigen. In einem auf der Plattform X veröffentlichten Videobeitrag spricht er von einer "Machtauseinandersetzung" über die Deutung des Ampel-Aus. Den politischen Gegnern - es dürfte vor allem um die früheren Koalitionspartner SPD und Grüne gehen - hielt er vor, Fehler der FDP zu nutzen, um die Glaubwürdigkeit der Liberalen zu zerstören oder eine "Charakterfrage" zu stellen. Einen Rücktritt lehnt Lindner weiterhin ab - er will bei der Bundestagswahl im Februar Spitzenkandidat werden.

In der ARD-Sendung "Caren Miosga" sagte er auf eine Frage zum Thema Rücktritt: "Ich habe nicht die Absicht, nein. Und ich habe die Absicht, mich bei meiner Partei zu bewerben als Spitzenkandidat." Die FDP sei aus inhaltlicher Überzeugung nicht bereit gewesen, die Ampel-Politik weiter mitzutragen. Mit diesen Inhalten wolle er zur Bundestagswahl am 23. Februar vor die Bürger treten. "Jetzt gehe ich durch diesen Hagelschauer mit faustgroßen Hagelkörnern. Aber das mache ich ja deshalb, weil ich an etwas glaube und gerne wissen will, ob das bei den Bürgerinnen und Bürgern Unterstützung findet", sagte Lindner.

Die FDP steckt tief in der Krise: Am Donnerstag war das "D-Day"-Papier der FDP bekanntgeworden. Darin wird der mögliche Ausstieg der Partei aus der Regierung mit SPD und Grünen mit militärischen Begriffen beschrieben und durchgespielt - neben "D-Day" ist darin auch von "offener Feldschlacht" die Rede. Das Papier löste auch innerparteilich heftige Kritik aus. Am Freitag war deshalb Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurückgetreten. Sein Nachfolger, der frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann, soll an diesem Montag vorgestellt werden.

Lindner sagte bei "Miosga" zu dem "D-Day"-Papier: "Ich kannte dieses Papier nicht." Er habe aber kein Problem damit, dass es erstellt worden sei. Die FDP habe sich intensiv mit allen Optionen beschäftigt: weitermachen, geordnete Neuwahl oder Ausscheiden aus der Ampel. In einer Parteigeschäftsstelle würden jeden Tag "Dutzende" Dokumente erstellt. Das besagte Papier sei aber "nicht professionell" und auch von der Anlage her, der Stilistik, nicht so, dass man es billigen könne. "Für das Wort "D-Day" und dieses Papier kann ich keine Verantwortung konkret übernehmen, weil es ja nicht in meinem Bereich ist", sagte der Parteichef. "Aber ich übernehme die Verantwortung dafür, dass die FDP bereit war, die Ampel zu verlassen und dass wir uns darauf vorbereitet haben."

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht die Glaubwürdigkeit ihrer Partei "stark beschädigt". Das "D-Day"-Papier habe auch innerhalb der FDP zu großem Entsetzen geführt. "Wir haben hier eine selbstverschuldete, schwierige Krise", sagte sie "Table.Briefings". Angesichts der Enttäuschung und dem Ärger an der Basis brauche die Partei vor dem Wahlkampf "deutliche Zeichen und Aussagen von Ermutigung". Lindners Rücktritt forderte sie aber laut "Table.Briefings" nicht.

Die FDP muss bei der Bundestagswahl um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Sie droht an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Aktuell steht die Partei in den Umfragen bei 3 bis 5 Prozent. Lindner sagte in seinem Video auf X, die Bürger entschieden bei der Wahl über die weitere Richtung des Landes. "Orientieren Sie sich dabei nicht an der Vergangenheit, sondern an dem, was Sie für Ihre Zukunft für richtig halten", sagte er.

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Lindner dachte nach eigener Aussage nicht an einen Rücktritt.

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Argentiniens Präsident Javier Milei posiert mit Kettensäge - ein Vorbild für die FDP? (Archivbild)

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Sie werden wohl keine Freunde mehr: FDP-Chef Christian Lindner und Kanzler Olaf Scholz (SPD). (Archivbild)

Am Freitag war Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurückgetreten. Er zog damit die Konsequenzen aus dem Bekanntwerden eines umstrittenen Strategiepapiers der Liberalen zum Ampel-Ausstieg. In dem Papier wird der mögliche Ausstieg der FDP aus der Koalition mit militärischen Begriffen wie "D-Day" und "offener Feldschlacht" beschrieben. Lindner sprach von schmerzhaften personellen Konsequenzen. Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann war zurückgetreten. Er hatte laut Buschmann das Papier verfasst.

Lindner sprach mit Blick auf das Scheitern der Ampel von einer Deutungsschlacht. "Es geht darum, die FDP zu zerstören, damit danach die eigenen Machtoptionen für SPD oder Grüne verbessert werden." Alle Ampel-Partner hätten sich auf ein mögliches Ampel-Aus vorbereitet. Mit zunehmender Nähe zum notwendigen Beschluss des Haushaltes 2025 sei klargeworden, dass die Gemeinsamkeiten kleiner wurden. Die Wahrscheinlichkeit auch eines Scheiterns der Koalition sei gewachsen. Die FDP habe niemals im "Herbst der Entscheidung" eine Art Ampel-Garantie abgegeben.

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP zerbrach Anfang November nach einem erbitterten Streit um den Kurs in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik. Kanzler Olaf Scholz (SPD) feuerte seinen Finanzminister Lindner und besiegelte das Ende der Koalition.

Lindner nannte Buschmann die einzige denkbare Option als neuen Generalsekretär. Er wisse nicht, ob er die Kraft gehabt hätte, ohne Buschmann ein Comeback der FDP zu erreichen, sagte der Parteichef. Buschmann kenne die Parteizentrale wie seine Westentasche. Er war früher Bundesgeschäftsführer.

An einen Rücktritt habe er nicht gedacht, sagte Lindner. "Aber es wäre unendlich viel schwerer gewesen, in der gegebenen Lage, in der Kürze der Zeit, ein Comeback für die FDP zu organisieren ohne Marco Buschmann." Buschmann sei der beste Wahlkampfplaner und Programmatiker der FDP seit vielen Jahrzehnten.

Lindner wies Berichte zurück, wonach er zunächst die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann für den Posten als Generalsekretärin vorgesehen habe.

Lindner sagte in der ARD-Sendung "Caren Miosga" am Sonntagabend, man müsse "mehr Milei oder Musk wagen". Gemeint sind der ultraliberale argentinische Präsident Javier Milei und der Tech-Milliardär Elon Musk, der dem designierten neuen US-Präsidenten Donald Trump bei der Kürzung von Regierungsausgaben helfen soll. Beide sind heftig umstritten.

Lindner sagte nach der Sitzung der Parteigremien, er sei sich im Klaren über die Scharfkantigkeit dieser beiden Personen. "Ich verkenne nicht, dass es hier auch Problematisches gibt. Aber was mich beeindruckt, ist dort die Kraft zur Disruption, eine Wende herbeizuführen, wenn ein Abstieg droht. Und das fehlt uns in Deutschland." Die Ampel-Koalition habe sich blockiert. Kanzler Scholz sei in Ängsten gefangen.

Buschmann sagte mit Blick auf Milei: "Die Idee ist ja jetzt nicht, dass ich mir wirre Haare wachsen lassen und mit einer Kettensäge hier demnächst durch Berlin-Mitte laufe." Es gehe aber um die Frage, ob es der Staat in vielen Bereichen übertrieben habe. Der Staat habe sich verzettelt, sagte Buschmann mit Blick etwa auf viel Bürokratie. Der Exzentriker Milei war im Wahlkampf mit laufender Kettensäge aufgetreten.

Bei der Wahl gehe es um eine Richtungsentscheidung, sagte Lindner. Einen neuen Aufschwung für Deutschland gebe es nur mit einer Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Lindner schloss eine Koalition mit Scholz aus. Dies sei für die FDP nach den Erfahrungen der Ampel nicht vorstellbar.

Wenn jetzt irgendwas komme, was ähnlich sei wie die große Koalition oder die Ampel, also Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot, dann sei seine Sorge, dass die wesentlichen wirtschaftlichen Probleme wieder vier Jahre nur verwaltet würden, so der FDP-Chef. Dann würde es im Jahr 2029 möglicherweise niederländische Verhältnisse in Deutschland geben. "Das will ich nicht, sondern ich möchte, dass Deutschland ein liberales, weltoffenes Land bleibt."

Buschmann sagte, es gehe um die Frage, ob die Wirtschaft mit einem "Gängelband" der Subventionen dirigiert werde - oder ob man wie die FDP an unternehmerische Initiative und Wettbewerbsfähigkeit glaube.

Für die FDP könnte es aber eng werden bei am 23. Februar geplanten Neuwahl. Die Liberalen müssen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Aktuell steht die Partei in den Umfragen bei 3 bis 5 Prozent.

Die Frage ist auch, ob und wie die FDP-Basis mitzieht. Bei der Basis-Initiative "Weckruf" stieß Buschmanns Nominierung als neuer Generalsekretär auf Unmut. "Mit Ernüchterung nehmen wir vom Weckruf Freiheit die Berufung von Marco Buschmann zum Generalsekretär der FDP zur Kenntnis", sagte "Weckruf"-Mitinitiator Alexander-Georg Rackow dem "Spiegel". Mit Buschmann werde einer der Architekten der missglückten Projekte der Ampel-Regierung erneut an zentraler Stelle in Verantwortung kommen.


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