Grünen-Parteitag

"Team Robert": Habeck führt Grüne in den Wahlkampf


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Jetzt ist es offiziell: Habeck führt die Grünen im Wahlkampf.

Von dpa

Das Motto gibt Jürgen Trittin schon vor der Nominierung aus: "Auf geht's mit Robert in den Wahlkampf!", ruft das Grünen-Urgestein den Delegierten in Wiesbaden zu. An diesem Sonntag soll der Parteitag Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als Kanzlerkandidaten nominieren.

Ein ambitioniertes Projekt bei Umfragewerten zwischen 11 und 12 Prozent. Die Grünen fangen das mit Unbestimmtheit auf. Spitzenvertreter unterstreichen zwar, natürlich solle Habeck Kanzlerkandidat werden. In dem Dringlichkeitsantrag, mit dem er aufgestellt wird, heißt er aber nur "Kandidat für die Menschen in Deutschland". Er habe "das Zeug zu einem guten Bundeskanzler". Den Wahlkampf soll er als Spitzenduo mit Außenministerin Annalena Baerbock führen.

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Baerbock will Habeck im Wahlkampf unterstützen.

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Die beiden neuen Grünen-Chefs und Außenministerin Baerbock beim Selfie.

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Abschaffen wollen die Grünen die Schuldenbremse nicht - aber reformieren.

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Habeck räumt Fehler ein - will aber draus lernen.

Er wolle kein Besserwisser sein, der anderen sage, was sie zu denken hätten, sagt Habeck. Er warnt vor einer Neuauflage der sogenannten großen Koalition. "Sie ist der Grund für die Liebesaffäre mit dem Status quo, sie ist der Grund für den Stillstand", sagt er. Die Koalition von Union und SPD habe Deutschland einst in eine Energie-Abhängigkeit von Russland geführt und lange nicht gesehen oder nicht sehen wollen, was sich in den Jahren vor dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 angebahnt habe. Eine Gasmangellage zu verhindern, sei für die 2021 gebildete Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nicht einfach gewesen.

Debatten über Migration würden oft falsch geführt, beklagt Habeck. Der russische Präsident Wladimir Putin löse Fluchtbewegungen aus, ob in Syrien oder in der Ukraine. "Flüchtlinge werden als Teil von Destabilisierung, als Angriff auf die Freiheit bewusst geschaffen." Debatten dürften nicht auf Kosten der Menschen geführt werden, die ins Land kämen. Zugleich müsse klar sein, dass Schwerverbrecher oder Antisemiten das Land wieder verlassen müssten.

Zu den Problemen, die er mit den Grünen in den Mittelpunkt stellen wolle, gehörten die niedrige Erwerbsquote von Müttern und die immer noch zu restriktiven Regeln für ein Bleiberecht arbeitswilliger abgelehnter Asylbewerber. Der Bund müsse künftig mehr Möglichkeiten bekommen, um die Länder in der Bildungspolitik finanziell zu unterstützen. Die von den Grünen schon länger geforderte Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sollte nach Ansicht von Habeck bereits vor der für den 23. Februar geplanten Neuwahl des Bundestages in die Wege geleitet werden.

Er verspricht günstige Strompreise und kündigt für den Fall einer erneuten Regierungsbeteiligung der Grünen die Aufnahme von Krediten für dringende Infrastrukturprojekte an. Er sagt: "Ich bin kein großer Fan davon, Schulden zu machen - ich will nur, dass der Job gemacht wird." Die mehr als 800 Delegierten quittieren seine rund einstündige Rede mit donnerndem Applaus, vor allem als er über eine stärkere Besteuerung von "Superreichen" und die Schließung von Steuerschlupflöchern spricht.

Für ihn sei die Kandidatur an der Spitze kein Selbstläufer gewesen, sagt Habeck. Am Ende habe er sich dann aber nach Gesprächen mit Parteifreunden in diesem Sommer entschieden, "jetzt nicht zu kneifen".

Erste Schritte auf dem Weg zum Wahlprogramm, das angesichts der Kürze des Wahlkampfs knackiger als sonst ausfallen soll, haben die Grünen schon zurückgelegt. Bis Donnerstag können sie erste Ideen in einer Online-Befragung formulieren. Anfang Dezember soll der Bundesvorstand dann einen Entwurf vorlegen, der anschließend in Seminaren diskutiert werden soll, wie die Politische Geschäftsführerin Pegah Edalatian ankündigt. Am 26. Januar soll das Bundestagswahlprogramm bei einem eintägigen Parteitag in Berlin verabschiedet werden, am 23. Februar soll die Wahl sein.

Am Samstagabend fassen die Grünen eine Reihe inhaltlicher Beschlüsse. So wollen sie bei der Erbschaftsteuer ein komplett neues Modell einführen. Vorgesehen ist ein "Lebensfreibetrag für alle" in Höhe von beispielsweise einer Million Euro, statt der bisherigen Freibeträge, die vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Erben abhängen. Oberhalb des Freibetrags solle dann ein linearer Steuersatz von etwa 25 Prozent für alle Vermögensgegenstände gleichermaßen gelten - inklusive Immobilien, Betriebsvermögen und Aktien.

Eine große Mehrheit der Delegierten stellt sich hinter einen Antrag, der für ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD wirbt. Ein solches Verfahren sei "erforderlich, zum Schutz der Demokratie und der unveräußerlichen Rechte jedes Einzelnen", heißt es darin. "Man sollte nicht aus Sorge vor einer möglichen Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht von einem Parteiverbotsverfahren absehen", führen die Grünen aus.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz wirbt seit langem für ein Verbot der AfD. Zusammen mit Mitstreitern - auch von den Grünen - hat er einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Wanderwitz zufolge hat der Antrag 113 Unterstützer aus verschiedenen Fraktionen. Die Abgeordneten wollen vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob die AfD verfassungswidrig ist. Wann der Bundestag darüber abstimmt, ist noch unklar.

Die Delegierten bekräftigen auch die Forderung nach einem Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen. Außerdem soll es aus Sicht der Partei mehr Entscheidungsspielräume für Kommunen geben, um innerorts flächendeckend Tempo 30 einzuführen. Sie plädieren zudem für die Einführung eines sozial gestaffelten Klimagelds zum Ausgleich für den steigenden CO2-Preis, der Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen verteuert. Am späten Abend sprachen sich die Delegierten noch mit sehr großer Mehrheit für die Abschaffung von Arbeitsverboten für Ausländer aus.


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