Prozess
Italiens Vize-Regierungschef Salvini freigesprochen
20. Dezember 2024, 04:39 Uhr
Im Prozess um den Umgang mit Migranten auf dem Mittelmeer ist Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini von einem Gericht in Palermo vom Vorwurf der Freiheitsberaubung und des Amtsmissbrauchs freigesprochen worden. Bei dem Verfahren ging es darum, dass der Vorsitzende der rechten Regierungspartei Lega als Innenminister 2019 das Schiff einer Hilfsorganisation mit Flüchtlingen wochenlang am Einlaufen in einen Hafen gehindert hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine sechsjährige Haftstrafe für Salvini gefordert und wertete dessen damaliges Verhalten als Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch. Das Schiff der spanischen Organisation "Open Arms" lag damals mit über 160 Migranten vor Lampedusa, durfte aber nicht in den Hafen. Menschen sprangen ins Wasser und versuchten, an Land zu schwimmen. Das Schiff durfte schließlich erst anlegen, nachdem ein Staatsanwalt das verfügt hatte - gegen den erklärten Willen des Ministers.
Salvini ist heute Verkehrsminister. Als Vize-Regierungschef gehört der 51-Jährige zu den zentralen Figuren der Rechtskoalition von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Regierungschefin beglückwünschte ihren Koalitionspartner nach dem Freispruch. "Ein Urteil, das zeigt, wie unbegründet und surreal die gegen ihn erhobenen Vorwürfe waren", sagte Meloni laut einer Mitteilung.
Auch aus dem europäischen Ausland erreichten den rechten Lega-Politiker Glückwünsche. "Die Gerechtigkeit hat gesiegt! Bravo, Matteo Salvini!", schrieb Ungarns Regierungschef Viktor Orban bei X nach der Verkündung in Palermo.
Nach dem Freispruch zeigte sich Salvini glücklich: "Nach drei Jahren hat die Lega gewonnen, Italien hat gewonnen, die Verteidigung des Vaterlandes ist kein Verbrechen, sondern ein Recht. Ich werde noch entschlossener vorgehen als zuvor", sagte er. Salvini umarmte im Gerichtssaal seine Lebensgefährtin und Anwältin. "Ihr wart alle toll", sagte er vor seinen Anhängern, die im Gerichtssaal auf das Urteil warteten und nach der Verkündung der Richter applaudierten.
Der Direktor von "Open Arms", Oscar Camps, kündigte an, zunächst auf eine Erklärung der Beweggründe der Richter zu warten. Man hoffe, dass die Staatsanwaltschaft Berufung einlege, sagte er. "Die Trauer gilt vor allem den Menschen, die, wie wir von Anfang an gesagt haben, ihrer Freiheit beraubt wurden." Mit diesem in der italienischen Geschichte einmaligen Prozess hätten die Aktivisten den Migranten von damals ihre Würde zurückgeben wollen.
Salvini selbst hatte sich vor dem Urteil als Opfer einer politisierten Justiz bezeichnet und warf dieser vor, ihn aus politischen Gründen zu verfolgen. "Ich bin absolut stolz auf das, was ich getan habe, ich habe meine Versprechen gehalten, ich habe die Massenmigration bekämpft", betonte Salvini schon bei seiner Ankunft vor Gericht. "Ich werde alles, was ich getan habe, immer wieder tun. Ich werde auf keinen Fall aufgeben", fügte der Politiker hinzu.
Beobachter hatten zunächst mit einer Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe gerechnet. Salvini erklärte mehrfach, er wolle auch bei einer Haftstrafe im Amt bleiben. Meloni hatte ihm im Falle einer Verurteilung vorab schon ihre Solidarität versichert. Im Parlament sagte sie erst diese Woche: "Salvini kann mit der Unterstützung der gesamten Regierung rechnen." Auch weitere Koalitionspartner der Rechtsallianz in Rom zeigten sich solidarisch.
2018/19 war Salvini Innenminister einer Mitte-Rechts-Regierung. Damals machte er sich durch sein Vorgehen gegen Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge aus Booten im Mittelmeer an Bord nehmen, auch international einen Namen. Zeitweise kam seine Partei in Wahlen auf mehr als 30 Prozent. Inzwischen liegt die Lega jedoch deutlich hinter dem größeren Koalitionspartner, Melonis Fratelli d'Italia (Brüder Italiens). In aktuellen Umfragen kommt sie auf etwa 9 Prozent.
Italien gehört zu den Ländern, die von der Migration übers Mittelmeer besonders betroffen sind. Vergangenes Jahr wurden dort noch mehr als 150.000 Neuankömmlinge registriert, die an den Küsten ankamen. In diesem Jahr waren es deutlich weniger - bislang etwa 65.000. Von den Flüchtlingen, die im Sommer 2019 mit der "Open Arms" schließlich in Lampedusa an Land gehen durften, lebt nach Angaben der Helfer heute ein einziger in Italien.
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