Schulz will SPD-Vorsitz abgeben
Koalitionsvertrag der GroKo steht
7. Februar 2018, 16:13 Uhr aktualisiert am 7. Februar 2018, 16:13 Uhr
Der neue Koalitionsvertrag steht, die Ministerien sind vergeben - aber noch steht das Ganze unter dem Vorbehalt einer Zustimmung der SPD-Basis. Im Blickpunkt: die Zukunft von Martin Schulz.
Berlin - Nach gut 24 Stunden zähen Ringens haben sich Union und SPD bei ihren Marathon-Verhandlungen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Sozialdemokraten sollen gleich sechs Ministerien bekommen. SPD-Chef Martin Schulz will nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur neuer Außenminister werden, dafür will er den SPD-Vorsitz an Andrea Nahles abgeben. Diese soll Fraktion und Partei künftig in einer Doppelfunktion anführen.
Allerdings liegt es nun in den Händen der SPD-Mitglieder, ob eine neue große Koalition unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch tatsächlich zustande kommt. Das Ergebnis des Mitgliedervotums könnte bereits am Wochenende 3./4. März bekannt gegeben werden.
Seehofer soll nach Berlin wechseln
Die SPD erhält nach dpa-Informationen neben dem Außenamt auch das Finanzministerium, das Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz leiten soll, sowie die Fachressorts für Arbeit/Soziales, Familie, Justiz und Umwelt. Die CSU bekommt die Ministerien für Inneres, Verkehr/Digitales und Entwicklung.
Die CDU soll neben dem Kanzleramt das Wirtschafts-, Verteidigungs-, Gesundheits- sowie das Bildungs- und Landwirtschaftsressort erhalten. Der bisherige Kanzleramtschef Peter Altmaier solle das Wirtschaftsressort übernehmen, Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin bleiben, hieß es am Mittwoch in Berlin. Für das Ressort Ernährung und Landwirtschaft galt die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner als Favoritin.
Der bisherige Innenminister Thomas de Maizière gehört der nächsten Bundesregierung nicht mehr an. Er wolle ausscheiden, wenn es eine neue Regierung gebe, sagte der CDU-Politiker nach Abschluss der Koalitionsgespräche. "Ich bin sehr dankbar, dass ich diesem Land in einer schwierigen Zeit dienen durfte", sagte de Maizière. Er habe vorher gesagt, dass andere Ämter für ihn nicht infrage kämen.
Innenminister in einer neuen schwarz-roten Regierung soll der bisherige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) werden. Das Ressort wird um die Bereiche Bau und Heimat aufgewertet. Der heute 64-jährige de Maizière gehörte mehreren Kabinetten an. Nach Ämtern in der sächsischen Landesregierung war er Verteidigungsminister und Innenminister sowie Chef des Kanzleramts.
Die Parteien einigten sich auf ein Aus für lange Ketten befristeter Arbeitsverhältnisse. "Endlose Kettenbefristungen werden abgeschafft", heißt es in einem Entwurf für den Koalitionsvertrag. Eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses sei nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von mindestens fünf Jahren bestanden habe.
Kompromiss in der "Zwei-Klassen-Medizin"
In puncto "Zwei-Klassen-Medizin" wollen die Parteien nach dpa-Informationen eine Kommission für eine mögliche Angleichung der Arzt-Honorare für gesetzlich und privat Versicherte einrichten. Die Kommission soll eine gemeinsame Honorarordnung für die gesetzliche und die private Krankenversicherung vorbereiten. Ob der von der SPD geforderte Schritt auch realisiert werde, hänge auch von der Machbarkeit ab, hieß es. Die SPD wollte unter anderem mit einer Angleichung der Honorare ein Ende der Ungleichbehandlung in Deutschland einleiten. Nun bleibt zunächst unklar, ob es tatsächlich zu gleichen Arzthonoraren kommt.
CDU, CSU und SPD hatten bis in den Morgen hinein um inhaltliche Details und Ressortzuschnitte einer künftigen großen Koalition gerungen. Vorübergehend war nicht ausgeschlossen worden, dass die Verhandlungen noch scheitern könnten. Trotz einiger Annäherungen blieben die Gesundheits- und die Arbeitsmarktpolitik die zentralen Streitpunkte.
Die Führung der Sozialdemokraten will vor allem mit Erfolgen in diesen Politikbereichen bei ihrer Basis für ein Ja zum Koalitionsvertrag werben. In den nächsten Wochen sollen 463.723 Sozialdemokraten bei einem Mitgliederentscheid über den neuen Vertrag zwischen CDU, CSU und SPD abstimmen.
GroKo-Gegner aus SPD werben um neue Mitglieder
Die SPD gewann seit Jahresbeginn 24.339 Neumitglieder dazu. In der SPD hatten Gegner einer Neuauflage von Schwarz-Rot mit dem Slogan "Tritt ein, sag nein" um neue Mitglieder geworben.
Die deutsche Industrie zeigte sich unzufrieden mit dem Koalitionsvertrag von Union und SPD. "Beim Geldausgeben besteht eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung", sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. In der Steuerpolitik fehle trotz guter wirtschaftlicher Lage der Mut zu spürbaren Entlastungen und zu Strukturreformen. In den USA waren die Unternehmensteuern massiv gesenkt worden.
Dass im Bundesinnenministerium künftig der Bereich "Heimat" angesiedelt werden soll, stellt auch die Sprecher der geschäftsführenden Bundesregierung vor Probleme. Auf die Frage, welches Ministerium aktuell für Heimat zuständig sei, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter: "Kann ich Ihnen nicht sagen, habe ich mich noch nicht mit beschäftigt." Nach dem zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag soll die CSU ein Ministerium für die Bereiche Innen, Bau und Heimat übernehmen.
Eine Sprecherin aus dem Innenministerium sagte auf Nachfrage: "Das müsste ich erheben, ob in den Jahren seit Gründung der Bundesrepublik das Bundesinnenministerium irgendwann im entferntesten mal eine Zuständigkeit im Bereich Heimat hatte." Ein Sprecher des Agrarministerium verwies immerhin darauf, dass es in seinem Haus eine eigene Abteilung für den ländlichen Raum gebe. "Wenn Sie den Begriff Heimat so auslegen, dann ist das Thema ländliche Räume aktuell im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit angesiedelt."