Politkrise in Frankreich

Neue Regierung in Paris steht vor großen Herausforderungen


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Frankreichs neuer Premier Barnier muss verschiedene politische Gruppierungen in seiner Regierung vereinen. (Archivbild)

Von dpa

Nach dreieinhalb Monaten politischer Krise in Frankreich zeichnet sich mit der heute erwarteten Vorstellung einer neuen Regierung in Paris keine Stabilisierung der Lage ab. Die vom neuen Premierminister Michel Barnier gebildete Mitte-Rechts-Regierung steht von Anfang an unter erheblichem Druck. Dies hängt auch damit zusammen, dass das bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vor gut zwei Monaten siegreiche Linksbündnis im neuen Kabinett wohl kaum vertreten sein wird. Die Linkspartei, Gewerkschaften und andere Organisationen riefen deshalb für heute zu landesweiten Kundgebungen auf.

Von einer "Demokratieverweigerung, die völlig inakzeptabel und unerträglich ist", sprach der Koordinator der Linkspartei, Manuel Bompard, im Sender France Bleu Provence. "Es ist eine Regierung der Verlierer, die den Kurs der vorherigen Regierungen fortsetzt, obwohl sie die letzten Parlamentswahlen verloren haben, und die außerdem Minister der Républicains einschließt, obwohl sie bei den letzten Parlamentswahlen weniger als sechs Prozent erreicht haben." Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau meinte, die Wähler des Linksbündnisses würden "um das Ergebnis dieser Wahl betrogen".

Bei der Parlamentswahl war das Linksbündnis vor den Mitte-Kräften von Präsident Emmanuel Macron und den Rechtsnationalen um Marine Le Pen gelandet. Eine absolute Mehrheit erhielt keines der Lager und keiner Partei gelang es, mit Partnern eine regierungsfähige Mehrheit auf die Beine zu stellen.

Nach langem Zögern ernannte Macron vor zwei Wochen den konservativen Barnier (73) zum neuen Premier. Die Hoffnung war, dass es dem ehemaligen Brexit-Chefunterhändler der EU mit seinem Verhandlungsgeschick und Talent zum Kompromiss gelingen würde, genügend Partner für eine handlungsfähige Regierung zu finden. Am Donnerstagabend legte Barnier Macron dann sein Personaltableau vor. Wegen "letzter Anpassungen", wie es seitens der Regierung hieß, wurde die Vorstellung des Kabinetts dann von Freitag auf heute verschoben.

Nach Medienberichten sollen von den 16 übergeordneten Ministerinnen und Ministern der künftigen Regierung sieben aus Macrons Mitte-Lager stammen, drei von den konservativen Republikanern, einer von einer linken und einer von einer rechten Partei und die übrigen vier von Parteien der Mitte. Sämtliche Schlüsselpositionen werden demnach neu besetzt, lediglich im Verteidigungsministerium soll Sébastien Lecornu auf seinem Posten bleiben.

Über Frankreich hinaus bekannte Spitzenpolitiker konnten für die Ministerämter nach den in den Medien zirkulierenden Namen nicht gewonnen werden. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass unsicher ist, ob die Regierung überhaupt eine längere Zeit im Amt ist und nicht gleich gestürzt wird. Sowohl von links als auch von extrem-rechts könnte schon bald ein Misstrauensvotum drohen. Eine Regierungserklärung von Barnier ist nach Medienberichten am 1. Oktober geplant.

Über eine absolute Mehrheit, die politische Vorhaben von Präsident Macron einfach umsetzen kann, wird die künftige Regierung auf keinen Fall verfügen. Möglicherweise wird Barnier je nach Regierungsvorhaben auf die Unterstützung unterschiedlicher Partner setzen müssen und auch auf die Duldung durch das rechtsnationale Rassemblement National von Marine le Pen angewiesen sein. Staatschef Macron, der mit den Neuwahlen seine Position stärken wollte, steht dadurch geschwächt da. Da er in der Außenpolitik die Oberhand hat und mit Barnier einen proeuropäischen Premier an seiner Seite, dürfte sich aber an der Zusammenarbeit mit Brüssel und Berlin kaum etwas ändern.

In der Innenpolitik steht der neuen Regierung indes mit dem Haushalt für das kommende Jahr gleich eine Belastungsprobe bevor. Wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission im Moment ein Defizitverfahren gegen Frankreich. An einem drastischen Sparkurs in Frankreich mit seinen traditionell hohen öffentlichen Ausgaben führt eigentlich kein Weg vorbei und über die Frage möglicher Steuererhöhungen ist schon Streit zwischen Barnier und dem Macron-Lager entbrannt.


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