Zehn Jahre AfD in Bayern

Oberreuter: "Starke Zerstrittenheit ist das Besondere"

Am Ostersonntag 2013 gründete sich der bayerische Landesverband der Alternative für Deutschland (AfD) in Ebersberg bei München. Wie in anderen Bundesländern etablierte sich die Partei in den folgenden Jahren.


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Heinrich Oberreuter

Am Ostersonntag 2013 gründete sich der bayerische Landesverband der Alternative für Deutschland (AfD) in Ebersberg bei München. Wie in anderen Bundesländern etablierte sich die Partei in den folgenden Jahren. Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter spricht im Interview über die Entwicklung der AfD in den vergangenen Jahren: Auch wenn der bayerische Landesverband zerstritten sei, profitiere die AfD von einem weit verbreiteten Unbehagen in der Gesellschaft über zahlreiche Veränderungen.

Herr Professor Oberreuter, was kaum jemand am Anfang vermutet hatte, ist eingetreten: Die AfD in Bayern ist zehn Jahre alt und offenbar fest im Landesparlament verankert. Wie erklärt sich ihr Erfolg?i

Ein Parteimitglied hält bei einem AfD-Landesparteitag eine Stimmkarte hoch. Die AfD sitzt seit 2018 im bayerischen Landtag.

Ein Parteimitglied hält bei einem AfD-Landesparteitag eine Stimmkarte hoch. Die AfD sitzt seit 2018 im bayerischen Landtag.

Heinrich Oberreuter: Der Erfolg erklärt sich durch das weit verbreitete Unbehagen in der Gesellschaft über zahlreiche Veränderungen. Diese fordern die Gewohnheiten und Mentalitäten heraus, ohne dass die etablierte Politik in der Lage wäre, halbwegs verlässliche und vertrauensbildende Zukunftsszenarien zu vermitteln. Die AfD artikuliert für die meisten Unbehagen wie Protest und ein Sicherheitsgefühl, das sich am Bisherigen orientiert. Für viele andere ihrer Anhänger steht sie für eine ultrakonservative Antimoderne mit autoritären Elementen. Sie will fast alles anders als die Anderen, die in Konflikten und Ungewissheiten schweben.

Also eigentlich eine ultrakonservative Bewegung?i

Oberreuter: Durch ihre Distanz zum Wandel verkörpert die AfD Stabilität: eine Alternative zur Dynamik. Auch damit erschließt sie sich Potenziale konservativer Zustimmung, die über den Radikalismus leichtfertig hinwegsehen. Diesen Wählern sind die innerparteilichen Verhältnisse gleichgültig, da sie sich in für sie wichtigen Aspekten und Einstellungen bei der AfD am ehesten, fast allein, verstanden fühlen.

Und die interne Zerstrittenheit stört nicht?i

Oberreuter: Starke Zerstrittenheit ist das Besondere an der bayerischen AfD. Diese ist schon frühzeitig nach dem Einzug in den Landtag mit Austritten und Spaltungstendenzen sichtbar geworden. Im Landtag besteht die AfD-Fraktion geradezu dauerhaft aus zwei sich bekämpfenden Gruppierungen. Ginge nicht der Fraktionsstatus verloren und mit ihm der Zugang zu Finanzen und parlamentarischen Beteiligungsrechten, wäre die Spaltung wohl längst vollzogen.

Kann aus der AfD noch eine halbwegs normale "bürgerliche" Partei werden?i

Oberreuter: Reformfähigkeit in Richtung einer bürgerlich konservativen Partei wird sie nicht entwickeln können, schon weil ein großer - der größere und stimmführende Teil - sie gar nicht entwickeln will. Das zeigt die nicht mehr zu verbergende Dominanz des radikalen, im Kern demokratiefeindlichen Höcke-Flügels im Bund. In Bayern neigt ihm auch ein erheblicher Teil der Mitglieder und die Hälfte der Abgeordneten zu. Dieser Teil hält nicht viel von Pluralismus und Toleranz - den Grundorientierungen einer Demokratie.

Ist die AfD in Bayern gekommen, um zu bleiben?i

Oberreuter: So schnell wird die AfD nicht verschwinden, wenigstens nicht, solange die weit verbreitete Unsicherheit und die mit ihr verbundenen sozialen Herausforderungen von der chaotischen Zuwanderung bis zu ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Unsicherheiten anhalten. Die AfD gaukelt traditionsgestützte Gewissheiten vor und verschleiert ihre demokratieskeptischen Optionen. Genau dafür gibt es in unserer - und in mehr oder weniger jeder - Gesellschaft einen ähnlich denkenden Bodensatz.

Ist die Zustimmung zur AfD vielleicht auch Folge einer übertriebenen "Political Correctness"?i

Oberreuter: Wenn die "Tagesschau" den Begriff "Mutter" für diskriminierend hält und der Gesellschaft stattdessen "Gebärende" und "entbindende Personen" oktroyieren will, muss man sich nicht wundern, wenn manche der Idee erliegen, ausgerechnet durch die Unterstützung der AfD das kulturelle Erbe verteidigen zu können.