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Pistorius unterstützt Diskussion um allgemeine Dienstpflicht
15. Februar 2023, 5:33 Uhr
Landesverteidigung, Katastrophenschutz und Hilfe in Notsituationen: Der Verteidigungsminister beklagt die Distanz vieler Menschen zu gesamtstaatlichen Aufgaben - und ruft die Jüngeren zur Debatte auf.
Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten. Für eine politische Meinungsbildung in dieser Frage müsse aber die Stimme der jüngeren Menschen gehört werden, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
"Ich habe mich ausdrücklich nicht für die Reaktivierung der Wehrpflicht ausgesprochen", betonte er. Vielmehr halte er die Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht "für wertvoll".
Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Der russische Angriff auf die Ukraine hatte zuletzt wiederholt eine Debatte um diese Frage ausgelöst.
Auch soziale Tätigkeiten möglich
Nach verbreitetem Verständnis wird unter dem Begriff einer allgemeinen Dienstpflicht verstanden, dass Bürger für eine gewisse Zeit einen Dienst für die Allgemeinheit leisten. Dabei könnte die Bundeswehr dann eine Option neben anderen Tätigkeiten etwa im sozialen Bereich sein.
Als 62-Jähriger sei er zurückhaltend, "einer Generation, die sowieso schon eine schwierige Zukunft vor sich hat, jetzt mal eben so eine allgemeine Dienstpflicht aufzubürden", sagte Pistorius. "Was aus meiner Sicht dafür spräche? In den vergangenen Monaten ist der Eindruck entstanden, dass manche nicht die nötige Wertschätzung für Feuerwehr und Rotes Kreuz, Polizei und Bundeswehr aufbringen. Die allgemeine Dienstpflicht könnte helfen, die Menschen und die staatliche Organisationen wieder ein Stück näher zusammenzubringen", sagte er. "Sie könnte vor Augen führen, wie wichtig diese Einrichtungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind."
Verteidigung, Zivilschutz und Katatrophenhilfe zusammendenken
Pistorius äußerte sich überzeugt, dass Verteidigungsbereitschaft einerseits und Zivilschutz und Katastrophenhilfe andererseits zusammengedacht werden müssten. "Deutschland hat den Bereich Zivilschutz und Katastrophenhilfe zu lange nicht in ausreichendem Maß beachtet. Es fehlte lange an Geld für die Katastrophenhilfe, für Fahrzeuge und Ausrüstung. Alle hofften, dass man es nie braucht", sagte er. Ähnlich wie bei der Verteidigung gelte: "Die Kosten sind hoch, ohne dass man den langfristigen Nutzen unmittelbar wahrnimmt."
Pistorius, der zuvor Landesinnenminister in Niedersachsen war, hatte in der vergangenen Woche die ukrainische Stadt Kiew besucht und sich dort über die militärische Lage und auch die Abwehr von russischen Angriffen auf die zivile Infrastruktur des Landes informiert.
"Wir müssen volle Verteidigungsfähigkeit einerseits und Unterstützung eines angegriffenen Landes wie der Ukraine anderseits gewährleisten. Das ist jetzt die große Herausforderung. Und da darf man sich nichts vormachen, das lässt sich nicht über Nacht regeln", sagte er. "Klar ist, dass die Bundeswehr besser ausgestattet werden muss. Das bedeutet nicht nur die Einsicht, dass das Sondervermögen nicht ausreichen wird, sondern auch, dass der Verteidigungshaushalt erhöht werden muss. Denn die laufenden Kosten steigen auch mit der Zeitenwende, mit jedem Waffensystem, das angeschafft wird, durch die Unterhaltungskosten."
"Es geht nicht um Kriegswirtschaft"
Pistorius ist aber nicht dafür, für das Hochfahren der eigenen Rüstungsindustrie mit Begriffen wie dem Konzept einer Kriegswirtschaft zu arbeiten. "Es geht nicht um Kriegswirtschaft, also nicht um eine Wirtschaft, die vom Staat auf die Führung eines Krieges vorbereitet oder ausgerichtet wird. Vielmehr geht es um Verteidigungsfähigkeit", sagte er.
"Die Industrie hat ein Interesse daran, Verlässlichkeit und Planungssicherheit zu bekommen - sowohl was die Abnahme durch die Bundeswehr betrifft als auch auf die Möglichkeit zu exportieren. Klar ist auch: Wir haben ein Interesse daran, dass wir prioritär behandelt werden, wenn wir etwas bestellen. Wir brauchen Planungssicherheit. Ich arbeite derzeit mit aller Kraft daran, die Beschaffung im engen Austausch mit der Rüstungsindustrie zu beschleunigen."