Heute ist sie 100

Rodingerin war die erste Rennfahrerin bei Porsche

Margaretha Bless war die erste Rennfahrerin bei Porsche. Die heute 100-Jährige schwelgt in ihren Erinnerungen, als hätte sie Schutzhelm und Rennkleidung erst gestern an den Nagel gehängt.


Autos waren schon als Kind ihre Leidenschaft. Dass Margaretha Bless, die heute in Roding lebt, aber tatsächlich einmal Rennfahrerin werden würde, war so eigentlich nicht geplant.

Autos waren schon als Kind ihre Leidenschaft. Dass Margaretha Bless, die heute in Roding lebt, aber tatsächlich einmal Rennfahrerin werden würde, war so eigentlich nicht geplant.

Von Redaktion Roding

Mit 13 Jahren saß sie zum ersten Mal hinter dem Steuer eines Autos. Schon als junges Mädchen war ihr großes Vorbild Rennfahrer Rudolf Caracciola und sie hat geschafft, was zur damaligen Zeit noch keiner Frau vor ihr gelungen war: Margaretha Bless wurde um das Jahr 1950 die erste deutsche Rennfahrerin im Porsche-Team. Heute ist sie 100 Jahre und sechs Monate alt und lebt auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus Roding. An ihre Rennfahrerzeit denkt sie zusammen mit Sohn Matthias immer noch gerne zurück.

Die Erinnerungen sind so klar, als wären die Ereignisse erst vor ein paar Tagen gewesen. Tatsächlich aber liegt Margaretha Bless' Zeit bei Porsche schon über 70 Jahre zurück. "Das war schon alles aufregend damals. Den Männern habe ich es ganz schön gezeigt", sagt die Seniorin schmunzelnd.

Vor ihr auf dem Tisch liegt ein Album - prall gefüllt mit wunderbaren Fotos und vielen Zeitungsausschnitten. Sie zeigen eine Frau inmitten einer Männerdomäne. Eine junge Frau, die keck vor ihrem Flitzer posiert, die die große Deutschlandfahrt von Kiel bis nach München souverän gefahren ist, an Rennen am Nürburgring teilgenommen hat und mit der Adria-Rallye das frühere Jugoslawien kennengelernt hat.

Chauffeurin für den verwundeten Ehemann

Dass das so gekommen ist, ist tatsächlich einem Zufall zu verdanken. "Ich musste damals den Führerschein machen, weil mein Mann Harald im Krieg verwundet worden war und einen Arm und ein Bein verloren hatte. Ich wurde somit zu seiner Chauffeurin, denn er war Arzt und wollte nicht weg von seinen Patienten. Also habe ich ihn gefahren", erzählt sie.

Für die Arztbesuche sei damals ein schnelles Auto wichtig gewesen, mit dem man auf den oft schlechten Straßenverhältnissen im oberfränkischen Kronach, wo sie zu der Zeit gewohnt haben, auch gut überholen konnte.

Da passte es perfekt, dass Margaretha Bless' Freundin Edith bei Porsche gearbeitet und sich auch selbst ein Auto der Marke gekauft hat. "Edith brauchte den Wagen gar nicht wirklich und hat ihn uns schließlich verkauft. Als dieser dann irgendwann zur Inspektion ins Porschelager nach Stuttgart musste, sind meine Freundin und ich zusammen dorthin gefahren und durften dabei an einer Rennfahrerbesprechung teilnehmen, da Edith ja alle dort kannte", erinnert sich Margaretha Bless.

Margaretha Bless ist 100 Jahre alt und lebt auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus in Roding. Zusammen mit Sohn Matthias Bless schwelgt sie gerne in Erinnerungen an ihre Rennfahrer-Zeit bei Porsche.

Margaretha Bless ist 100 Jahre alt und lebt auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus in Roding. Zusammen mit Sohn Matthias Bless schwelgt sie gerne in Erinnerungen an ihre Rennfahrer-Zeit bei Porsche.

Der junge Ferdinand "Ferry" Porsche, der auch bei der Besprechung dabei war, habe sie dann erstmals auf die Porsche-Teststrecke und anschließend auf ein großes Porschetreffen in der Nähe von Stuttgart eingeladen. "Dort sollte ich kleine Geschicklichkeitsprüfungen mit dem Auto machen. Die Männer haben erst alle über mich gelacht - und ab da wollte ich es ihnen so richtig zeigen", erzählt die Seniorin mit einem Augenzwinkern.

Gründerin des ersten Porscheclubs Nordbayerns

Und das hat sie getan. Die Firma Porsche engagierte die heute 100-Jährige als erste weibliche Rennfahrerin mit dem Hintergedanken, dass das auch eine gute Werbung für die Automarke sei. Margaretha Bless bewies den Männern mit ihren Erfolgen, dass auch Frauen gute Rennfahrer sein können. "Irgendwann haben die anderen im Team mich akzeptiert und mich einfach wie einen Mann behandelt. Wir Rennfahrer hatten untereinander alle Spitznamen. Meiner war Eisblock", verrät sie heute.

Die Seniorin war es auch, die schließlich den ersten Porscheclub Nordbayerns gründete und lange Jahre dessen Geschäftsführerin war.

Doch so sehr Margaretha Bless die Autorennen und die damit verbundene Freiheit liebte, einer war gar nicht glücklich damit: "Mein Mann hatte immer große Angst um mich, aber er hat mich machen lassen, weil er wusste, wie viel es mir bedeutet. Als aber der Italiener Alberto Ascari 1955 tödlich verunglückte, sagte er zu mir, dass jetzt endlich Schluss sein soll. Schließlich hatten wir zu der Zeit schon unsere beiden Söhne", erzählt sie.

Noch mit 96 saß sie hinterm Steuer

Nach einem letzten Rennen am Norisring in Nürnberg verabschiedete sich Margaretha Bless aus dem aktiven Rennsport, doch die Liebe zum Autofahren ist bis heute geblieben.

"Meine Mutter hat sich tatsächlich hinters Steuer gesetzt, bis sie 96 war. Dann ging es gesundheitsbedingt nicht mehr", erzählt Sohn Matthias Bless. Er und sein Bruder Siegfried, aber auch die Enkel- und Urenkelkinder, sind stolz auf das, was Margaretha Bless in ihrem Leben erreicht hat und wie fortschrittlich sie immer war.

Nach Roding hat es die Seniorin 1963 verschlagen. Nach der Trennung von ihrem Mann ist sie hier zu Verwandtschaft gezogen und hat sich zusammen mit ihren Kindern ein ganz neues Leben aufgebaut. "Ich habe als Pharma-Referentin gearbeitet und hatte auch da fast nur mit Männern zu tun. Aber da wusste ich ja schon, wie man sich durchsetzt", verrät sie.

Seit knapp vier Jahren lebt Margaretha Bless auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus in Roding. "Körperlich schaffe ich es leider nicht mehr, mich hinter das Steuer zu setzen. Aber das Autofahren vermisse ich schon immer noch sehr. Das ist einfach ein großes Stück Freiheit", sagt sie.