Landshuter Hofkapelle

„Dem liebsten Buhlen mein“


Die elf Musiker der Hofkapelle setzen die musikalische Vielfalt des Mittelalters ebenso gekonnt wie entspannt um - in einem Konzert, in dem eine erzählerische Handlung als roter Faden eingebunden ist. (Foto: cv)

Die elf Musiker der Hofkapelle setzen die musikalische Vielfalt des Mittelalters ebenso gekonnt wie entspannt um - in einem Konzert, in dem eine erzählerische Handlung als roter Faden eingebunden ist. (Foto: cv)

Von Hanne Wendleder

Nach einem kräftigen Regen blieb bei der Vorpremiere gerade noch genug Zeit, Bühne und Stühle im Residenzhof abzutrocknen. Doch dann konnte diefür den Samstagnachmittag angesetzteAufführung der "Musik um 1475" störungsfrei stattfinden.Die Zeitreise ins Mittelalter begann bereits vor den Toren der Residenz, wo die Häscher des Herzogs die Eintrittskarten kontrollierten.Auf der Bühne wartete die Landshuter Hofkapelle mit einem Programm, das vor allem durch seine Vielfalt und Komplexität erstaunte.

"Musik um 1475", so lautet der Titel des Konzerts, das sich als "novella musicale" versteht. Und schon beim ersten Stück "Ne piu bella die queste", einem Loblied auf die Stadt Florenz, geraten die Ohren in einen Widerstreit mit den Erwartungen, besser gesagt, Vorurteilen: War das nicht das "finstere" Mittelalter? Hieß das nicht, ein bisschen preziöse Hofkultur, umgeben von einer dumpfen, derben Volksmasse? Man traut es der Zeit kaum zu, aber tatsächlich hat die Musik des ausgehenden 15. Jahrhunderts einen enormen Reichtum zu bieten. Einmal liegt das an den Instrumenten. Flöte, Fidel, Harfe, Gitarre, Dudelsack, unterschiedlichstes Schlagwerk und Posaune sind bis heute bewährt. Dazu kommen das Psalterium, die Urform der Zither und des Hackbretts, das Portativ, eine kleine, mobile Orgel, Schalmeien und Pommern, Vorformen von Oboe und Fagott, und die Zugtrompete. Damit war man in der Lage, vom Trinklied über den höfischen und volkstümlichen Tanz bis zur sakralen Messe jedwede Ausdruckform zu gestalten.

Ebenfalls überraschend erscheint die Tatsache, dass es im Spätmittelalter einen regen musikalischen Austausch der europäischen Länder gegeben hat. Hier sind Italien, Spanien und Frankreich, aber auch Polen und Ungarn zu nennen. Nicht zuletzt muss man die Kunst der Komponisten honorieren. Sie konnten die unterschiedlichen Instrumenten- und Gesangsstimmen äußerst komplex und mitunter diffizil arrangieren. Gewiss spielten Großereignisse wie die Landshuter Hochzeit eine Rolle, einen entsprechenden Ehrgeiz bei Musikern, Komponisten und ihren Auftraggebern, den Fürstenhäusern, zu wecken.

Die elf Musiker der Hofkapelle setzen diese musikalische Vielfalt so gekonnt wie entspannt um. Die Gruppe spielt in den unterschiedlichsten Besetzungen, vom A-cappella-Gesang über gemischte vokal-instrumentale Stücke bis zur reinen Instrumentalmusik. Thematisch führen die gewählten Stücke auf Reisen, in die Kirche, zu Tanz und Minne und zuletzt ins Wirtshaus. Da findet sich ein Ritter namens "Scaramella" parodistisch besungen. Und da erklingt auch eine herzzerreißende Liebesklage über ein Stupsnäschen, das den liebenden "Buhlen" in den Tod treibt. Man begegnet tiefernster Religiosität oder derber Sexualität ("er tet ir wie der han der henn"), aber auch geschickter Verkaufsstrategie wie bei dem Lied der Hirsebrotverkäufer, die es als noch warm anpreisen.

Ein häufig im sowohl weltlichen als auch sakralen Bereich gespielter Komponist und Dichter heißt Oswald von Wolkenstein. Dessen Enkel, Sigmund von Wolkenstein, war nachweislich Gast der Landshuter Hochzeit 1475. In diese Figur schlüpft Dr. Thomas Bauer, der in Anlehnung an historische Quellen allerlei Anekdoten aus dem Leben des Adeligen erzählt. Mit seinen Geschichten verknüpft er szenisches Leben mit der mittelalterlichen Musik, die an alles erinnert, nur nicht an ein kulturell "finsteres" Mittelalter. Diesen Eindruck hatte wohl auch das Publikum, das mit heftigem Applaus eine Zugabe forderte.