Landkreis Landshut
Im Hafturlaub: JVA-Insasse tötet Frau bei Geisterfahrt auf A3
9. April 2013, 18:59 Uhr aktualisiert am 9. April 2013, 18:59 Uhr
Mit schweren Vorwürfen sah sich zuletzt die Leitung der Justizvollzugsanstalt Berggrub konfrontiert. Ex-Häftling Bernd S. hatte im Internet ein Buch mit den angeblichen Verfehlungen von JVA-Leiter Hans Amannsberger und seinem Stellvertreter Marcus Hegele veröffentlicht. Die Beweise für seine Vorwürfe blieb er jedoch schuldig, weshalb das Amtsgericht ihn in der vergangenen Woche wegen Verleumdung zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilte (idowa berichtete). Doch S. lässt sich davon offenbar nicht beirren: Nun kündigte er sogar an, gegen Amannsberger und Hegele Strafantrag zu stellen - wegen Beihilfe zum Mord.
Hintergrund: Vor etwas mehr als zwei Wochen ereignete sich auf der A 3 kurz nach Regensburg auf Höhe der Ausfahrt Nittendorf ein schlimmer Verkehrsunfall. Beim Frontalzusammenstoß mit einem Geisterfahrer kam eine 59-jährige Frau ums Leben (idowa berichtete). Gegen den 32-jährigen Geisterfahrer wurde Haftbefehl wegen Mordes erlassen, da dieser den Unfall offensichtlich mit voller Absicht herbeigeführt hatte. Ob der Unfallverursacher dabei stark betrunken war oder unter Drogen stand, steht derzeit entgegen anderslautenden Medienberichten noch nicht fest: "Die Werte liegen noch nicht vor, deshalb können wir dazu noch nichts sagen", sagte Albert Brück von der Pressestelle des zuständigen Polizeipräsidiums Oberpfalz.
Zusätzliche Brisanz erhält der Fall dadurch, dass es sich beim Geisterfahrer um einen Insassen der JVA Berggrub handelte, der sich auf Freigang befand. "Da es sich um einen Straftäter handelt, der wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden war, hätten Amannsberger und Hegele den Freigang niemals anordnen dürfen", heißt es im Strafantrag von S., der der LZ in Kopie vorliegt. Somit hätten sie sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht, lautet seine Schlussfolgerung.
Dass der Strafantrag überhaupt angenommen wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Die Generalstaatsanwaltschaft München, an die der Brief angeblich geschickt wurde, erklärte sich auf LZ-Anfrage nicht zuständig. JVA-Leiter Amannsberger befindet sich derzeit im Urlaub, sein Stellvertreter Hegele gab jedoch bereitwillig Auskunft: "Von einer Anzeige ist mir nichts bekannt. Über den Unfall bin ich natürlich sehr betroffen, da es sich beim Unfallverursacher um einen unserer Insassen handelte. Diese Sache ist höchst tragisch."
Hafterleichterungen sind notwendig
Gleichwohl habe die JVA bei der Lockerung der Auflagen für den Häftling nichts falsch gemacht: "Das Ziel ist, unsere Insassen an ein geregeltes Arbeitsleben heranzuführen. Dazu sind diese Lockerungsmaßnahmen wie Freigang oder offener Vollzug notwendig." Im Falle des 32-Jährigen habe es diese Hafterleichterung bereits mehrmals gegeben: "Und sie ist jedes Mal völlig problemlos verlaufen", sagte Hegele. Was in diesem Fall nun der Auslöser für die Amokfahrt war, darüber könne man momentan nur spekulieren.
Generell sei die Missbrauchsquote aber verschwindend gering: "Die Strafen sind hart, wenn sich jemand während seines Freiganges etwas zuschulden kommen lässt. Selbst wenn es sich ,nur' um ein Delikt wie Schwarzfahren handeln würde." Derjenige würde von allen Erleichterungen ausgeschlossen, ohne Nachsicht würde außerdem ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Ein weiterer von Bernd S. erhobener Vorwurf lautete, an der JVA Berggrub würden mitunter minderjährige und erwachsene Straftäter rechtswidrig in einer gemeinsamen Zelle untergebracht. Hegele weist dies energisch zurück: "Das stimmt keinesfalls. Gerade bei jugendlichen Insassen blicken wir ganz genau hin, führen intensive Gespräche mit ihnen. So etwas kommt bei uns definitiv nicht vor."
Dass den Vorwürfen von S. überhaupt derart Aufmerksamkeit zukam, liegt wohl vor allem daran, dass der Ex-Häftling vor zwei Jahren schon einmal wegen Verleumdung gegen die JVA-Leitung angeklagt worden war, sich damals jedoch herausgestellt hatte, dass seine Angaben zumindest teilweise nicht aus der Luft gegriffen waren. Tatsächlich hatte ein Justizvollzugsbeamter damals ein Geldgeschäft mit einem Insassen abgewickelt, ihm außerdem mutmaßlich sogar ein Messer zur Verfügung gestellt - "zum besseren Schneiden eines Schinkens". Das Verfahren gegen S. wegen Verleumdung war deshalb eingestellt worden.
Keine Ermittlungen gegen Justizvollzugsbeamten
Auch dieser Vorfall kam im aktuellen Verfahren in der vergangenen Woche noch einmal zur Sprache. Für Verwunderung sorgte dabei unter den Prozessbeobachtern, dass gegen den Justizvollzugsbeamten keine Ermittlungen eingeleitet wurden. Staatsanwalt Ralph Reiter erklärte dazu: "Solche Kontakte zwischen Beamten und Häftlingen sind zwar moralisch mehr als fragwürdig. Aber wir haben nicht den Verdacht gesehen, dass sich der Justizbeamte strafbar gemacht hat."
Hatte die Sache dann zumindest dienstrechtliche Konsequenzen für den Beamten? Marcus Hegele wollte sich nicht zu einem Einzelfall äußern. Allgemein sagte er: "Wenn jemand gegen klare Vorschriften verstößt, dann hat das in der Regel dienstrechtliche Konsequenzen."
Nur wenige Tage vor der Geisterfahrt von S. war es ebenfalls auf der A3 bei Deggendorf zu einem tödlichen Unfall mit einem Geisterfahrer gekommen. Dabei starben zwei Personen (idowa berichtete).