Landshuter Zeitung
Lebensbedrohliche Wartezeit
3. Februar 2012, 7:39 Uhr aktualisiert am 3. Februar 2012, 7:39 Uhr
Von Sonja Mühlbauer
Schwere Lastwagen donnern über die B299 bei Weihmichl und Neuhausen. Dazwischen eingezwängt fahren Autos. 10.900 Fahrzeuge pro Tag. Sebastian Satzl weiß genau, wie viele Menschen seit 2001 auf dieser Strecke gestorben sind: Es waren sieben. "Ich erinnere mich noch an jede einzelne Situation", sagt der Bürgermeister von Weihmichl. Am Dienstag der vergangenen Woche musste er erneut die Meldung eines schweren Unfalls mit am Ende zwei toten Personen vernehmen. Jahrzehntelang kämpft man in Weihmichl inzwischen für den Ausbau der gefährlichen Strecke - bislang ohne Erfolg. Was muss eigentlich noch alles passieren, damit dort endlich etwas geschieht, fragen sich nun nicht nur Bürgermeister und Anwohner.
Eines von Satzls Nachbarkindern sei auch auf dieser Strecke verunglückt. Er habe deshalb hautnah miterlebt, was Eltern und Angehörige da durchmachen, sagt er. Schulbusse des Kindergartens Weihmichl und der Grundschule Neuhausen verkehren jeden Tag auf dieser Strecke, Mütter und Väter bringen täglich ihre Kinder mit dem Auto dorthin. Besagter Unfall in den frühen Morgenstunden des 24. Januar 2012 ereignete sich zu einer Zeit, in der zu allem Überfluss auch noch kleine Kinder im Auto hätten sitzen können.
Doch es tut sich nichts, seit Jahren. Erste Ideen für einen Umbau der Bundesstraße 299 entstanden schon 1982. Die Strecke ist eine wichtige Nord-Süd-Verbindung, vor allem für den Schwerlastverkehr. Die Landshuter fahren über die B299 die Autobahn A93 München-Regensburg an. Bis heute ist nichts geschehen, das Verfahren hängt im Moment irgendwo zwischen Landshut, München und Berlin.
Konkret heißt das: Es gibt bislang Vorentwürfe für eine "Ortsumfahrung (OU) Weihmichl" und eine "OU Neuhausen". Sie wurden vom Staatlichen Bauamt ausgearbeitet. Inzwischen sind beide an die Oberste Baubehörde nach München geleitet. Die Unterlagen für "OU Neuhausen" werden dort derzeit überarbeitet. Die Unterlagen für "OU Weihmichl" liegen der nächsthöheren Behörde, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Berlin, vor. Das teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Es heißt "die Zustimmung zum technischen Entwurf ist nach derzeitigem Bearbeitungsstand in der ersten Jahreshälfte 2012 zu erwarten".
2016 "sportlich geschätzt"
Allerdings: Hier geht es erst einmal um Vorentwürfe. Wenn diese genehmigt und heuer noch zurückkommen zum Staatlichen Bauamt in Landshut, kommt erst noch das Planfeststellungsverfahren, das vermutlich frühestens 2014 eingeleitet werden kann, wie der Abteilungsleiter am Staatlichen Bauamt, Alex Eder, annimmt. Frühestens 2016 könnten dann die Bagger anrollen. Das, sagt er, seien aber "ganz sportliche Schätzungen". Wenn im Planfeststellungsverfahren noch allerlei Klagen eintrudeln, so kann sich das Ganze um weitere zwei Jahre verzögern. Zusätzliche Unsicherheitsfaktoren sind die Kapazität und die interne Prioritätenliste in Landshut. Wenn also die Vorentwürfe aus Berlin respektive München zurückkommen, ist noch nicht klar, ob Eder sofort Personal und Geld zur Verfügung hat.
So schnell wird der Gefahrenpunkt B299 also noch nicht entschärft werden. Das seien die üblichen öffentlichen Behördengänge bei derartig großen Bauvorhaben, erklärt Eder. Immerhin kosten die Ortsumfahrungen zusammen zirka 26 Millionen Euro. Und dennoch hat auch Eder damit gerechnet, dass der Vorentwurf für "OU Weihmichl" noch im alten Jahr Retour kommt. "Aber wir haben auf die Entscheidungen auch keinen Einfluss", sagt Eder.
Sauer auf Behörden
Bürgermeister Satzl macht das extrem wütend. "Da muss mehr Druck von den Fachbehörden kommen. Jeder sagt immer, wir können eigentlich nichts tun. Und warum? Weil es eigentlich jedem Wurst ist." Immer nur gehe es um die B15 neu. Dafür würden sich alle Politiker und Persönlichkeiten einsetzen."Aber wir haben keine Lobby." Der Bürgermeister von Weihmichl nimmt in dieser Sache längst kein Blatt mehr vor den Mund. Verständlich ist die emotionale Betroffenheit, wenn man die Tragödien so unmittelbar mitbekommt, die sich auf der durch seine Gemeinde fließenden Straße abspielen.
Unfassbar für den Bürgermeister ist auch, dass die ortsansässige Feuerwehr keine Fördermittel für einen neuen Rettungsspreitzer bekommen hat. "Diese Gesetze sind ein Wahnsinn." Da es sich um eine Erstanschaffung handelte, musste die Gemeinde die Mittel von 22000 Euro selbst berappen. Keine der vier Gemeinde-Feuerwehren hatte bisher dieses Gerät, mit dem Insassen aus Unfallautos befreit werden können, "und das gerade auf dieser Strecke".
Beim Unfall vergangene Woche konnte der neue Rettungsspreitzer noch nicht eingesetzt werden, da die Feuerwehr Weihmichl noch in der Trainingsphase ist. In solchen Fällen müssen Furth oder Altdorf aushelfen. "Das ist wirklich verrückt, solche Feuerwehren würden für das Ersetzen ihrer schon vorhandenen Geräte Zuschüsse bekommen", sagt Satzl und schüttelt den Kopf.
Die schockierenden Bilder von dem Unfall vergangene Woche hat Satzl aus der Zeitung ausgeschnitten. Er wird sie an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer schicken, zusammen mit dem Brief, den er ihm jeden Monat schreibt. Seit geraumer Zeit macht sich auf diese Weise jeden Monat Post von Weihmichl auf den Weg nach Berlin. Satzl ist da beharrlich und ausdauernd: "Ich werde weiter kämpfen."