Landshut

Auf dem Rad vergisst er allen Anstand: Radler vor Gericht


Von Andrea Königl

Vor dem Amtsgericht Landshut musste sich ein 23-Jähriger wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, Nötigung und Körperverletzung verantworten. Auf dem Fahrrad wurde err regelmäßig zum Verkehrsrowdy. Das Gericht sprach ihn in allen Punkten schuldig.

Man kann nur froh sein, dass Dominik S. kein Auto hat. Sobald der 23-Jährige auf sein Fahrrad steigt, scheint sich ein Schalter in ihm umzulegen und kein Verkehrsteilnehmer in der Innenstadt ist vor ihm sicher. Erst im Dezember vergangenen Jahres hat das Amtsgericht den Gelegenheitsarbeiter unter anderem wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, Nötigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt: S. hatte - unterwegs mit einem Anhänger mit einer Wohnzimmergarnitur - eine Autofahrerin geschnitten, die dadurch einen Unfall verursacht hat, sowie einem Autofahrer einen Faustschlag ins Gesicht verpasst, der ihn bis in die Wittstraße verfolgt und auf der Grieserwiese zur Rede gestellt hat. Auch eine Radfahrt am 16. März 2016 blieb jetzt nicht folgenlos: Am Freitag hat das Landgericht Dominik S. nach drei Verhandlungstagen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, weil er auf der Veldener Straße mit seinem Fahrrad gegen die Beifahrerseite einer langsam an ihm vorbeifahrenden Autofahrerin geschlagen hatte. Anschließend hatte er erneut einem Autofahrer ins Gesicht geschlagen, der der Frau zu Hilfe gekommen war.

Dass Dominik S. sich vor der sechsten Strafkammer zu verantworten hatte, lag allerdings an Punkt eins der Anklage. Wie berichtet, hatte die Staatsanwaltschaft dem 23-Jährigen zudem einen schweren Raub und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Gemeinsam mit einem Kumpel soll S. am 3. März 2016 auf einem Supermarktparkplatz in Moosburg einen Bekannten überfallen, geschlagen und ihm ein Handy sowie eine Geldbörse abgenommen zu haben; eine Bekannte soll die beiden Männer von Landshut nach Moosburg gefahren und sie während der Tat angefeuert haben. Sowohl der Kumpel als auch die Bekannte leisteten Dominik S. auf der Anklagebank Gesellschaft: Sie mussten sich wegen Raub und gefährlicher Körperverletzung beziehungsweise Beihilfe verantworten - und wurden am Ende von der sechsten Strafkammer unter Vorsitzendem Richter Ralph Reiter freigesprochen.

Dominik S. wurde in diesem Punkt unter Einbeziehung des Urteils vom Amtsgericht vom Dezember 2015 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Allerdings sah die Kammer ebenso wie die Staatsanwaltschaft nach der Beweisaufnahme nur mehr den Tatbestand des schweren räuberischen Diebstahls und der Körperverletzung erfüllt. Die Staatsanwaltschaft hatte dafür eine Freiheitsstrafe von drei Jahren beantragt. Der Geschädigte habe das Handy und die Geldbörse dem angeklagten S. bereits ausgehändigt, als es zu einem "Geschubse" gekommen und man zu Boden gefallen sei, wie es die glaubwürdige Mitangeklagte auch beschrieben habe. Schläge und Tritte habe man nicht nachweisen können: Alle drei Angeklagte hätten diese bestritten; Verletzungen habe die Polizei nach dem Vorfall nicht feststellen können und schließlich sei der Geschädigte selbst kein verlässlicher Zeuge gewesen.

Die Kammer war von einem minder schweren Fall ausgegangen, da eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund einer von Landgerichtsarzt Dr. Hubert Näger attestierten Persönlichkeitsstörung nicht auszuschließen ist. Näger hatte bei Dominik S. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Anpassungsstörungen und dissozialen Zügen festgestellt. Zudem habe S. womöglich in den Tatzeiträumen "emotional über die Maßen" unter seiner konfliktreichen Ehe gelitten. Bei der Befragung im August 2015 habe S. ihm berichtet, dass seine Frau in einem Wutanfall den vierten Flachbildfernseher zertrümmert habe, so Näger. Unmittelbar vor der Exploration habe sie auch seine Kleidung angezündet. Vor Gericht erklärte S., dass die Beziehung "jetzt wieder passt". Die beiden gemeinsamen Kinder leben in Pflegefamilien.

Die Beweisaufnahme war mitunter chaotisch verlaufen. Zu Prozessbeginn hatten die Angeklagten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zunächst teilweise eingeräumt. Dann wieder hatten die Frau und die beiden Männer den eigenen Tatbeitrag relativiert und völlig neue Varianten gebracht, die weder zu den Einlassungen der Mitangeklagten noch zur Anklageschrift passten. Auch die Zeugen hatten in beiden Fällen wenig Erhellendes beigetragen und sich ebenfalls gegenseitig widersprochen. Bezüglich des Vorfalls auf der Veldener Straße hatte Verteidigerin Alexandra Strasser für Dominik S. die Körperverletzung eingeräumt; eine Sachbeschädigung hatte sie im Namen ihres Mandanten bestritten. Dass das Rad gegen die Beifahrerseite gekracht sei, sei die Folge eines Unfalls gewesen, weil die Autofahrerin Dominik S. überholt habe, als dieser habe abbiegen wollen, so Strasser. "Warum sollte er auch so etwas tun?"