Im Dienst Gottes
Warum junge Menschen ins Kloster eintreten
9. Januar 2015, 17:30 Uhr aktualisiert am 9. Januar 2015, 17:30 Uhr
Christina und Josef sind beide jung, lebensfroh und auf der Suche. Eine Station auf ihrer Suche heißt: Gott. Sie treten in ein Kloster ein, werden zu Schwester Chiara und Frater Philipp, legen ein Gelübde ab auf Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit. Freistunde hat die beiden jungen Ordensmitglieder getroffen und gefragt: Warum?
Frater Phillipp: "Ich will neue Wege einschlagen"
Feuerwehrmann oder Polizist - das sind Berufswünsche, wie sie Grundschullehrer oft hören. Der kleine Josef dagegen will etwas anderes werden: Pfarrer.
Da hat sich die Lehrerin sicher gewundert. Ins Kloster zu gehen, ist für ihn allerdings immer ein No-Go. Er ist kein Frühaufsteher, schweigen, fasten - das mag er alles nicht so gern. Wer das bei Frater Philipp erwartet, wird enttäuscht. Sein Ordensname ist Programm. Den hat er damals bei seinem Eintritt ins Kloster Windberg mit 21 Jahren nach dem Heiligen Philipp Neri, dem Patron der Komiker, gewählt. "Er war als bunter Hund und Gaudibursch' bekannt, hat immer gesagt, wenn ihm was nicht gepasst hat und neue Wege eingeschlagen. So will ich auch sein", erklärt Frater Philipp. Das kriegt er gut hin: Der 26-Jährige lacht viel, sprüht vor Energie und kann kaum eine Minute still sitzen. Es ist schwierig, mit ihm Schritt zu halten. Dem Bild des Klosterbruders widerspricht er schon äußerlich: Er trägt Jeans und T-Shirt. Hätte er nicht gesagt, dass er hier Ordensmitglied ist, könnte man ihn für einen gewöhnlichen Mitarbeiter halten - was seinen Eltern vielleicht lieber wäre. Die waren nicht so begeistert, als er ihnen seinen Entschluss mitgeteilt hat. "Meine Mutter hat gerufen: ,Junge, warum tust du uns das an?'"Jetzt kann er zusammen mit ihnen darüber lachen. "Sie hatten ein komisches Bild vom Kloster", sagt er.
Facebook, YouTube und Skype im Kloster
Ihm selbst war vor allem der Ort wichtig. Er kannte Windberg von Ausflügen. Es ist ein sehr weltoffenes Kloster. Die Ordensbrüder arbeiten als Seelsorger zum Beispiel in mehreren Pfarreien, der Justizvollzugsanstalt, der Bundeswehr oder im Krankenhaus. Frater Philipp betreut hier die Internet- und Facebook-Seite der Abtei und baut gerade einen YouTube-Kanal auf. Seine Mitbrüder nennen ihn "Cyber-Frater". Im Klosterdorf betreibt er einen kleinen Weinhandel und hilft in der Jugendbildungsstätte Windberg. Unter der Woche studiert er in Regensburg Theologie. Sein Leben ist beinahe wie das jedes anderen Studenten. Inklusive Feiern gehen, ab und zu. "Wenn ich in Lederhose am Volksfest mit Fremden ins Gespräch komme, glaubt mir immer keiner, dass ich im Kloster bin", sagt er lachend.
Auch sein Zimmer wirkt wie eine gewöhnliche Studentenbude: eine große DVD-Sammlung, ein Schreibtisch, eine rote IKEA-Couch. Nur der kleine Altar fällt etwas aus dem Raster. Arm ist anders. "Ich hasse dieses Wort. Arm sind die Leute in Bangladesch, die gar nichts besitzen", betont Frater Philipp. Armut im Kloster bedeutet eher, Dinge bewusst zu gebrauchen, und dass in der Gemeinschaft alle alles miteinander teilen.
Kein Oben-Unten-Verhältnis mit Gott
Wenn Frater Philipp von seinen Mitbrüdern spricht, klingt es wie bei einer Familie: "Wir sind 21 Leute mit 21 verschiedenen Köpfen. Aber wenn wir zusammensitzen, merken wir, dass wir zusammengehören. Wir sind hier nicht starr fixiert. Trotzdem gehören alle immer zu Windberg." In der Abtei ist jede Generation vertreten: junge Brüder in Frater Philipps Alter und welche, die sein Opa oder sein Vater sein könnten. So hat er immer für alles einen Ansprechpartner, wie er sagt. Seine eigene Familie ist ihm deswegen aber nicht weniger wichtig. Er besucht sie an Feiertagen oder einfach mal so. Für Mitbrüder, die am Anfang der Klosterlaufbahn stehen, sind die Vorschriften strenger: ein Jahr lang möglichst wenig Besuche daheim. Wenn das Heimweh aber zu groß ist, können sie unbegrenzt telefonieren und sogar skypen. Diese Zeit ist dennoch schwierig, Frater Philipp erinnert sich noch gut daran. Es geht dabei darum, seine Berufung selbst zu verstehen und annehmen zu können, frei von Ablenkungen. "Ich finde allerdings, der Cut ist weniger ,Ich werde jetzt Bruder', sondern mehr ,Ich ziehe aus, werde selbstständig und definiere mich nicht mehr über meine Eltern'", beschreibt Frater Philipp. Die jungen Männer bauen sich ein eigenes Leben auf - so wie sie es draußen auch tun würden. "Wer da bei jedem Konflikt nach Hause fährt, lernt das Klosterleben und seinen Glauben nicht kennen."
Mit Gott hat er kein perfektes Oben-Unten-Verhältnis. Er beschreibt es lieber als Haus: "Dort gibt es Räume, die man Gästen gerne zeigt, weil sie schön und aufgeräumt sind. In die Rumpelkammer dagegen lässt man keinen hinein. Gott darf die aber auch sehen." So sicher wie er jetzt klingt, war er nicht immer. Die Frage "Was wäre, wenn?" ist schon manchmal im Hinterkopf. Kurz vor seinem ewigen Gelübde im September 2014, mit dem er sich endgültig an den Orden gebunden hat, hatte er sogar richtige Torschlusspanik. Doch das ging vorüber. "Ich bin überzeugt davon, dass ich mein Leben vom Empfinden her nicht anders leben würde. Nur statt in einer Ordensgemeinschaft vielleicht mit einer einzigen Person", vermutet Frater Philipp. Aktuell ist ihm das aber nicht so wichtig, dass er sein jetziges Leben opfern würde. "Mir würde zu viel davon abgehen, was mir wichtig ist. Zu diesem Kompromiss bin ich nicht bereit." Stattdessen freut er sich jetzt auf das, was ihn erwartet. Er beendet bald sein Studium, wird Diakon in einer Pfarrei. Dafür macht er das Ganze: "Ich bin nicht hier, um mit Wein zu handeln. Ich bin hier, um Seelsorger zu sein und mit Leuten zu arbeiten." Der Gedanke "Hier kann ich alt werden" bereitet ihm Freude, keine Angst.
Schwester Chiara: "Die wahren Freunde bleiben"
Schwester Chiara steht noch am Anfang ihrer Laufbahn im Kloster. Sie ist Novizin im Kloster Mallersdorf-Pfaffenberg und sozusagen Christus versprochen, aber noch nicht mit ihm verheiratet.
Es ist gerade jene Zeit, in der sie wenig Kontakt mit ihrer Familie und anderen haben soll. Wie ihre Eltern damit umgehen? "Mein Papa hat gesagt: ,Wenn sie nach Hamburg geheiratet hätte, hätten wir sie auch nicht öfter gesehen", erzählt Schwester Chiara und lächelt dezent. Als ihr Gegenüber fühlt man sich laut, nicht was die Stimme angeht, sondern die Erscheinung. Die junge Frau in dem schwarzen Gewand und dem weißen Schleier wirkt älter als sie ist. Sie bleibt auch bei neugierigen Fragen immer höflich, obwohl ihr das in dieser Zeit der Selbstfindung mehr als ungelegen kommen dürfte. Den Gedanken, in ein Kloster eintreten zu wollen, hatte Schwester Chiara schon seit ihrer Firmung. Nach dem Abitur studierte sie ein Jahr lang Medizin, kehrte für sogenannte "Stille Tage" immer wieder ins Kloster zurück.
Im Januar 2013 die endgültige Entscheidung. Die Reaktionen darauf - unterschiedlich. Es ist ein Schritt, der nicht auf der Tagesordnung steht, das gibt Schwester Chiara zu. "Aber die Leute, die mir nahestehen, haben gesagt: ,Das passt zu dir'. Die richtigen Freunde bleiben", betont sie. Mit diesem Freundeskreis ist sie auch jetzt noch verbunden. "Am Anfang waren sie verunsichert, die Gesprächsthemen änderten sich. Aber irgendwann haben sie gemerkt, dass ich immer noch dieselbe bin. Ich bin immer noch ich." Über das "Was wäre, wenn?" denkt die 21-Jährige nicht allzu viel nach. "Das wäre meiner Meinung nach ein Zeichen dafür, dass mit der Entscheidung etwas nicht stimmt." So viel gibt sie aber zu: "Eine absolute Sicherheit gibt es nie. Die habe ich auch nicht, wenn ich einen Mann heirate. Im Moment ist es für mich auf jeden Fall das Richtige."
Ein freiwilliges Opfer bedeutet mehr
Am Klosterleben gefällt ihr vor allem, dass sie ihrem Glauben viel Raum geben kann. Das ginge in der Alltagswelt nicht. Ihr Tagesablauf ist straff geregelt. Auch wenn es spontane Aktionen schwierig macht, gefällt ihr diese Regelmäßigkeit. "Sie waren ja eingeplant", antwortet sie auf die Frage, ob man ihren Tagesrhythmus hoffentlich nicht zu sehr durcheinandergewürfelt hat. Ihr Orden hat sich sozialen Tätigkeiten verschrieben. Schwester Chiara lernt zwei Tage in der Woche mit kleinen Asylbewerbern in einer Grundschule Deutsch. Ansonsten hilft sie in der klostereigenen Wäscherei und Bäckerei, besucht Mitschwestern im angrenzenden Altersheim. Diese Zeit soll ihr helfen herauszufinden, welcher Aufgabe sie sich widmen will. Inzwischen hat sie sich für ein Theologiestudium entschieden. Ruhe findet sie in ihrem Zimmer, ihrer Klausur. Das ist Schwester Chiaras persönlicher Bereich im Kloster, den Außenstehende nicht betreten dürfen. Was sie braucht, erbittet sie von der Oberin. Sie lässt Luxus hinter sich und das macht ihr nichts aus: "Ich frage mich hier viel öfter, was ich wirklich benötige. Und wenn ich auf etwas verzichte, ist dieses Opfer auch mehr wert, weil es freiwillig ist." Jungen Leuten, die das Kloster besuchen, fällt es vor allem schwer, auf Technik zu verzichten. Genau das ist ihr wichtig: Sie will zeigen, dass es noch mehr gibt, als am Handy zu hängen und Party zu machen.
Obwohl sie andere Leute in ihrem Alter schon manchmal vermisst, wie sie zögernd eingesteht. "Aber mir gefällt, dass mich meine Mitschwestern trotz des Altersunterschiedes ernst nehmen. Wir sitzen oft zusammen, scherzen oder essen mal ein Eis. Im Kloster sind auch nur Menschen", betont sie. Gibt es da nicht ab und zu Zickenkrieg, bei so vielen Frauen auf einem Haufen? "Klar, aber wir sagen immer: Berufung ist, wenn es trotzdem funktioniert", sagt Schwester Chiara schmunzelnd. Was genau diese Berufung ist, kann sie nicht beschreiben. "Das ist dieselbe Frage wie: Warum heirate ich einen Mann? Berufung lässt sich nicht erklären." Wieder das dezente Lächeln. Und vielleicht bleibt die Antwort auf diese Frage wirklich nur den Menschen vorbehalten, die sie selbst erlebt und gespürt haben.