SSV Jahn Regensburg

Achim Beierlorzer: "Mentalität und Teamgeist sind unsere größten Stärken"


Angekommen: Achim Beierlorzer fühlt sich beim SSV Jahn und in Regensburg "sehr wohl".

Angekommen: Achim Beierlorzer fühlt sich beim SSV Jahn und in Regensburg "sehr wohl".

Jahn-Chefcoach Achim Beierlorzer spricht im Interview über seine ersten Wochen in Regensburg und seinen Plan, wie die zweite Liga gehalten werden soll.

Nachdem sich Aufstiegstrainer Heiko Herrlich im Sommer in Richtung Bundesliga zu Bayer 04 Leverkusen verabschiedet hat, war der SSV Jahn Regensburg auf der Suche nach einem neuen Trainer. Kurz vor dem Trainingsstart präsentierte der Club Achim Beierlorzer, der zuvor bei RB Leipzig gearbeitet hatte, als Nachfolger. Weil er mit seiner Spielidee und seiner Persönlichkeit zum Jahn passe und weil er Spieler entwickeln könne, begründete Geschäftsführer Christian Keller damals. Nun ist Beierlorzer seit rund zwei Monaten im Amt und hat die ersten Spiele mit dem Jahn hinter sich. Im Interview spricht der 49-jährige Franke über seine bisherige Zeit beim Jahn, die Hierarchie in der Jahnelf und erklärt, was für ihn den Reiz des Profifußballs ausmacht.

Herr Beierlorzer, sind Sie eigentlich ein geduldiger Mensch?
Achim Beierlorzer: (überlegt) Ja. Natürlich bin ich auch sehr ehrgeizig. Aber ich würde trotzdem sagen, dass ich ein geduldiger Mensch bin. Das heißt für mich auch, das Wesentliche zu sehen und ganz akribisch weiter daran zu arbeiten. Ich bin also schon geduldig und kontinuierlich an Dingen dran.

Wir fragen, weil Christian Keller vor der Saison meinte, dass jeder Spieler noch einen Schritt nach vorne machen müsse, um in der Liga zu bestehen. Entwicklung ist immer auch mit Geduld verbunden.
Beierlorzer: Absolut. Dazu gibt es ja gar keine Alternative. Wir arbeiten mit unseren Spielern und möchten diese natürlich Schritt für Schritt weiterentwickeln. Wir haben in den ersten Spielen gesehen, dass wir mehr als konkurrenzfähig sind in der Liga. Aber wir müssen eben unser Potenzial abrufen. Wenn wir das machen, dann sind wir richtig gut dabei, schaffen wir es aber nicht, dann werden wir in der Regel auch keine Chance haben zu gewinnen.

So wie am vergangenen Wochenende, als man beim 1:2 gegen Kiel eine schwache Leistung gezeigt hat.
Beierlorzer: Wir konnten in diesem Spiel nicht unsere Leistung abrufen. Insofern sind wir damit natürlich nicht zufrieden. Es gibt aber immer auch einen Gegner, den man auch mit einbeziehen muss. Kiel hat im Gegensatz zu uns einfach auch einen richtig guten Job gemacht, das muss man anerkennen.

Wie gehen Sie im Nachgang mit einer solchen Partie um?
Beierlorzer: Wir haben uns das Spiel mehrmals angeschaut, haben Videoanalyse betrieben. Da mussten wir auch noch einmal den Finger in die Wunde legen, die Momente zeigen, die Schuld an der Niederlage waren. Obwohl es möglich war, haben wir unser Spiel nicht gespielt und den Plan, den wir uns speziell für Kiel zurechtgelegt hatten, nicht umsetzen können.

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Nach der Partie haben Sie sich schwergetan, einen Spieler mit Normalform zu finden. Wie ist es zu erklären, dass die gesamte Mannschaft einen gebrauchten Tag erwischt hat?
Beierlorzer: Es ist ein Battle zwischen zwei Mannschaften, von denen jede versucht, das Spiel auf ihre Seite zu ziehen. Wir müssen schon sagen, dass Kiel das als Mannschaft richtig gut gemacht hat. In den richtigen Momenten haben sie sehr präzise gespielt. Wir haben aber natürlich auch viel zu viele Fehler gemacht.

Statistisch hatte Ihre Mannschaft bei den Pass- und Zweikampfquoten gegen Kiel die schwächsten Werte in der bisherigen Saison. Zwei Gründe, warum die Mannschaft nicht zu ihrem Spiel gefunden hat?
Beierlorzer: Es ist zumindest eine Bestätigung dessen, wie man das Spiel auch von außen erlebt hat. Jeder Beobachter hat ja gesehen, dass wir einfach zu viele leichte Fehler gemacht haben. Dass wir Bälle erobert und dann einfach zu schnell wieder verloren haben. Dieser Eindruck wird natürlich durch die Passquote statistisch belegt. Ähnlich verhält es sich mit der Zweikampfquote, auch die war zu schwach. Wenn man sich das zweite Gegentor anschaut, wie Dominick Drexler durch mehrere unserer Spieler durchgeht, dann war das einfach nicht gut verteidigt. Diese Zahlen helfen uns, das Spiel zu analysieren, man darf es aber auch nicht nur an diesen Quoten festmachen.

Wie geht die Mannschaft mit einem solchen Spiel um?
Beierlorzer: Bei der Videoanalyse schauen wir uns die Szenen gemeinsam an. Die Mannschaft ist mit sich auch sehr selbstkritisch umgegangen in den Tagen nach dem Spiel. Viele konnten sich die recht einfachen Fehler selbst nicht erklären und wissen, dass sie das grundsätzlich viel besser können.

Sie haben vor der Saison davon gesprochen, dass sich die Mannschaft schnell akklimatisieren muss. Ist dies gelungen?
Beierlorzer: Wir sind voll angekommen in der Liga. Aber das bedeutet nicht, dass es jetzt einfach läuft. Jedes Spiel ist unheimlich schwierig zu gewinnen.

Achim Beierlorzer über seine erste Zeit in Regensburg und den Spielstil des Jahn

Sie sind seit rund zwei Monaten Trainer des Jahn. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?
Beierlorzer: Ich bin gut angekommen und fühle mich hier sehr wohl. Die Aufgabe bereitet mir unheimlich viel Spaß. Ich fühle mich super angenommen in der Stadt und im Verein. Ich habe fast täglich für den Jahn gearbeitet, deshalb war die Zeit auch sehr intensiv. Aber das wusste ich und das wollte ich auch genau so.

Wie haben Sie den Verein in der bisherigen Zeit kennengelernt?
Beierlorzer: Genau so wie er mir beschrieben wurde. Ich hatte intensive und offene Gespräche mit Christian Keller, in denen er mir alles genau so beschreiben hat, wie ich es jetzt erlebe. Dass der Verein sich in den letzten Jahren richtig weiterentwickelt hat mit jungen Leuten auf der Geschäftsstelle, die engagiert mit anpacken. Aber auch die Mannschaft wurde mir genau so beschrieben, wie ich sie jetzt vorgefunden habe. Mit den Neuzugängen haben wir noch den einen oder anderen Aspekt in die Mannschaft gebracht, wo auch ich mich mit einbringen konnte. Auch da macht es immer wieder Spaß, weil wir dieselbe Meinung haben, nämlich dass wir nur Spieler brauchen, die zum Jahn und in unsere Mannschaft passen.

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Sie sind vor allem auch deshalb als neuer Trainer ausgewählt worden, weil Sie sowohl in Fürth als auch in Leipzig den Fußball haben spielen lassen, für den auch der Jahn stehen will. Umschreiben Sie doch bitte kurz Ihre Spielphilosophie.
Beierlorzer: Prinzipiell ist es ein sehr aktiver Fußball. Sowohl in der Phase gegen den Ball als auch in der Phase mit dem Ball wollen wir das Spiel bestimmen. Deshalb wollen wir nicht abwarten, sondern weit in der gegnerischen Hälfte die Bälle erobern. Das heißt im Umkehrschluss, den Gegner auch so weit wie möglich von unserem Tor fernzuhalten. Da gibt es gewisse Mechanismen, die wir einstudiert haben. In der Defensive kann man eher mit einem Plan agieren, in der Offensive ist eher die Kreativität der Spieler gefragt. Grundsätzlich ist es so, dass wir die Geschwindigkeit, die wir bei der Balleroberung haben, gleich in die Offensivbewegung mitnehmen und mit Tempo aufs Tor gehen wollen.

Welche speziellen Anforderungen haben Sie durch diesen Spielstil an Ihre Spieler?
Beierlorzer: Vor allem Bereitschaft und Mentalität. Auch Schnelligkeit ist, wie im Fußball ja insgesamt, nie verkehrt. Wenn wir die Geschwindigkeit aus unserem aggressiven Verteidigungsverhalten mit in unser Offensivspiel nehmen, dann müssen wir nur noch klar, einfach und zielorientiert spielen.

Ist diese Art Fußball - gerade für einen Aufsteiger - auch ein Stück weit riskant?
Beierlorzer: Es ist dann nicht riskant, wenn wir es als Mannschaft komplett durchziehen. Riskant wäre es dann, wenn sich die Mannschaft splittet. Wenn die Offensivspieler draufgehen und die Defensivspieler hinten abwarten. Wenn es die Mannschaft geschlossen macht, dann ist das überhaupt nicht riskant sondern ein großer Gewinn. Ich denke, das konnte man in den ersten Wochen auch schon sehr gut sehen. Speziell in den Spielen gegen Darmstadt und Ingolstadt, aber auch schon gegen Nürnberg und Ingolstadt.

Achim Beierlorzer über die Hierarchie in der Mannschaft

Bei Ihrer Mannschaft hat man das Gefühl, dass es eine gewachsene Hierarchie gibt und Sie als Trainer gar nicht mehr so sehr eingreifen müssen. Ist das richtig?
Beierlorzer: Den ersten Teil kann ich völlig bestätigen, dass die Mannschaft eine gewachsene Mannschaft ist mit Spielern, die ihre Führungsqualitäten einbringen. Es gibt auch eine Altersstruktur, die anerkannt ist und die Mannschaft diszipliniert sich sehr gut selbst. Als Trainer kann man das aber nicht einfach laufen lassen, sondern muss es mitleben. Es ist wichtig, dass ich immer wieder in dieselbe Kerbe schlage wie es die Spieler glücklicherweise schon selbst tun. Wir hatten disziplintechnisch nie Probleme bisher und werden auch keine kriegen, davon bin ich völlig überzeugt. Wichtig ist, dass in dieser Disziplin die Leistungsorientierung enthalten ist. Dass jeder Spieler willig ist, sich weiterzuentwickeln und die 2. Liga auch als Chance sieht, persönlich den nächsten Schritt zu gehen. Das ist momentan intakt und wir dürfen das auch nicht verlieren.

Können Sie die Hierarchie innerhalb des Teams beschreiben?
Beierlorzer: Es gibt schon eine klare Struktur innerhalb der Mannschaft. Diejenigen, die in den vergangenen Jahren auf dem Platz vorangegangen sind, nehmen die Aufgabe, junge Spieler zu führen, an. Natürlich Marco Grüttner als Kapitän, aber auch andere wie Sebastian Nachreiner, Marvin Knoll, Philipp Pentke oder unsere beiden Sechser Marc Lais und Andi Geipl. Sehr gut ist, dass ich das als Trainer nicht vorgeben muss, sondern dass das aus der Mannschaft heraus kommt.

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Markus Palionis hat vor der Saison sein Amt als Kapitän zur Verfügung gestellt. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Beierlorzer: Das spricht für Markus und seine Qualitäten als Führungsspieler. Er kam von einer schweren Verletzung und war noch nicht hundertprozentig fit. Er hat die Vorbereitung genutzt, um sich ranzuarbeiten. Er wird sowieso auch weiterhin Führungsarbeit leisten im Training und in der Kabine. Aber es ist ihm schon auch bewusst, dass ein Kapitän im Normalfall auch immer spielen sollte. Der Schritt war sehr umsichtig von Markus.

Und warum haben Sie sich für Marco Grüttner als Nachfolger entschieden?
Beierlorzer: Marco ist ein absoluter Führungsspieler. Das hat er vergangenes Jahr bewiesen und auch in den ersten Wochen, seit ich da bin, sofort gezeigt. Er hat in der Mannschaft einen sehr großen Rückhalt. Deshalb war es für mich eigentlich eine leichte Situation, weil bei Marco einfach alles gepasst hat.

Wie haben sich die Neuzugänge in der Hierarchie eingefunden?
Beierlorzer: Auch in diesem Punkt bin ich mit allen Neuzugängen sehr zufrieden. Da wurde sensibel Wert darauf gelegt, dass die Spieler uns sportlich helfen, dass sie aber auch als Persönlichkeiten zur Mannschaft passen, dass sie sich integrieren und dass sie den Weg des Jahn mitgehen. Das passt zu einhundert Prozent.

Speziell Sebastian Freis dürfte aufgrund seiner Erfahrung zum Kreis der Führungsspieler gehören.
Beierlorzer: Sebastian ist ein sehr erfahrener Spieler. Das haben wir auch ganz bewusst so gewählt, weil wir diese Erfahrung einfach brauchen. Jetzt müssen wir ihm noch ein bisschen Zeit geben, damit er körperlich und athletisch in einen Zustand kommt, wo er uns auch sportlich weiterhilft. Rein von der Persönlichkeit her hat er sich gleich so eingebracht, dass er Verantwortung und Führungsaufgaben übernimmt.

Achim Beierlorzer über seine Zeit in Leipzig und die Mentalität der Jahnelf

Sie waren zuletzt als Jugendtrainer in Leipzig aktiv, nun sind Sie zurück im Profifußball. Was ist beim Arbeiten mit einer Profimannschaft anders im Vergleich zu einem Jugendteam?
Beierlorzer: Hier hat man mit Spielern zu tun, die schon wissen, was sie wollen. Die Jugendlichen sind oft noch irgendwo zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sie würden zwar gerne, aber so ganz umsetzen können sie es nicht. Jugendarbeit ist noch viel mehr Persönlichkeitsentwicklung als Leistungsentwicklung. Seit ich 2014 den ersten Kontakt mit dem Jahn hatte, war für mich eigentlich klar, dass ich wieder in den Herrenbereich möchte. Es war auch mit Leipzig so kommuniziert, dass mir der Verein keine Steine in den Weg legt, wenn ich noch einmal eine passende Chance bekomme, im Profibereich als Cheftrainer zu arbeiten. Das war immer mein Traum und ich wusste in diesem Sommer schnell, dass ich die Aufgabe beim Jahn annehmen wollte.

Sie waren in Leipzig auch als Interims- und Co-Trainer im Profibereich tätig. Was sind die großen Unterschiede zum Jahn?
Beierlorzer: Man kann die beiden Vereine gar nicht vergleichen. Beim Jahn sprechen wir zum einen von viel Tradition, zudem ist in den vergangenen Jahren mit dem neuen Stadion und den professionellen Strukturen sehr viel gewachsen. Auf der anderen Seite ist Leipzig ein Verein, der im Hinblick auf seine Professionalität natürlich auf einem ganz anderen Level unterwegs ist. Da gibt es keinen Bereich, der nicht zu einhundert Prozent professionell aufgestellt ist. Die Bedingungen, die Leipzig hat, hängen natürlich auch mit der Finanzierbarkeit zusammen. Alles was sinnvoll ist, wird dort eben auch ermöglicht. Beim Jahn müssen wir ganz genau schauen und abwägen, was von dem, was sinnvoll ist, wir finanziell auch jetzt schon umsetzen können, was uns im Hier und Jetzt am meisten weiterhilft und was vielleicht auch noch warten muss. Aktuell haben wir uns zum Beispiel ein neues Analysesystem für den Trainingsbetrieb angeschafft, das den Verein auch langfristig nach vorne bringen wird. Wir müssen schauen, dass wir uns kontinuierlich auf ein höheres Niveau bringen. Und es macht unheimlich Spaß, das mitzuentwickeln.

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Der Verein ist nun deutlich weiter als noch 2014, als Sie die erste Anfrage vorliegen hatten. Inwieweit haben auch Sie sich seitdem weiterentwickelt?
Beierlorzer: In jedem Jahr entwickelt man sich als Trainer enorm weiter. Die letzten drei Jahre unter den eben beschriebenen Bedingungen in Leipzig haben mich natürlich auch sehr weitergebracht.

Wie hat Sie speziell die Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick weitergebracht?
Beierlorzer: Das war eine tolle Erfahrung für mich. Ralf Rangnick ist sehr ambitioniert und hat große Erfahrung, zudem ist er ein ganz besonderer Mensch. Natürlich bringt einen das auch persönlich weiter. Aber ich möchte das nicht nur auf Ralf Rangnick beziehen. Da waren auch ganz viele andere Leute in Leipzig, von denen ich sehr viel mitnehmen konnte.

Blicken wir zum Schluss noch auf die Saison voraus. Der Jahn hat nach vier Spielen drei Punkte auf dem Konto. Was wird wichtig sein, damit die Mannschaft am Ende über dem Strich steht und die Klasse hält?
Beierlorzer: Der Klassenerhalt ist unser einziges Ziel. Dafür müssen wir uns auf jedes Spiel hundertprozentig fokussieren und müssen alles reinwerfen, was wir haben. Diese Bereitschaft und Mentalität dürfen wir in keinem Spiel vermissen lassen. Dass die Mannschaft das Potenzial hat, in dieser Liga zu bestehen, davon bin ich zu einhundert Prozent überzeugt. Das immer wieder abzurufen, das wird die große Herausforderung sein. Da müssen wir mental mit den Spielern enorm arbeiten. Wir müssen uns immer auf das anstehende Spiel so fokussieren, als wäre es das Aufstiegsspiel gegen 1860 München.

Sind diese Mentalität und der gewachsene Teamgeist die größten Stärken Ihrer Mannschaft?
Beierlorzer: Ja, das kann ich so unterschreiben.