Droht der nächste Streik?
Auftakt zur Tarifrunde Handel Bayern in Regensburg
25. April 2023, 14:30 Uhr
"Ein Schlag ins Gesicht" und "völlig an der Realität vorbei" seien die ersten Angebote der Arbeitgeber im Handel. So jedenfalls sah es Martin Kerber am Dienstagmittag vor der Kaufhoffiliale am Neupfarrplatz.
Verdi hatte dort für die Bezirke Niederbayern und Oberpfalz zu einer kurzen Auftaktveranstaltung anlässlich der nun beginnenden Tarifrunden im bayerischen Groß- (seit diesem Montag) und Einzelhandel (ab dem 8. Mai) aufgerufen. Kerber sitzt für die Edeka-Beschäftigten in der Tarifkommission und wird dort die Verdi-Forderungen vertreten.
Die Gewerkschaft fordert für den Einzelhandel in Bayern eine Lohnerhöhung von 2,50 Euro pro Stunde sowie in den unteren Beschäftigungsgruppen ein rentenfestes Mindesteinkommen von 13,50 Euro pro Stunde. Im Groß- und Außenhandel soll es ein Lohnplus von 13 Prozent geben. Die Ausbildungsvergütungen sollen generell um 250 Euro im Monat steigen. Da niemand sagen könne, wie sich die Inflation entwickele, müsse bereits nach zwölf Monaten neu verhandelt werden.
Die Arbeitgeberseite bietet aktuell 6,1 Prozent in zwei Stufen für 24 Monate sowie eine Inflationsausgleichsprämie von 1 400 Euro. Für die rund 30 Anwesenden vor dem Kaufhof, allesamt Teil der Tarifkommission, zu wenig. Gerade mit Blick auf die hohen Lebenshaltungskosten müsse jetzt ein deutliches Plus auf dem Lohnzettel kommen, so Kerber. Alles andere sei "Irrsinn". Doch allzu optimistisch blickte er nicht auf die Verhandlungsbereitschaft der Unternehmen. Mit Streik müsse zeitnah gerechnet werden.
40 Jahre arbeiten für 1.000 Euro Rente im Monat
Ähnlich äußerte sich Monika Linsmeier, Gewerkschaftssekretärin für den Handel Niederbayern. Ohne Streik sei in der Vergangenheit selten etwas erreicht worden. Dabei würden die "Zahlen, Daten und Fakten" eine deutliche Sprache sprechen. Im Vorfeld der Tarifrunde hatte Verdi eine Beschäftigtenumfrage gestartet. "Die meisten gehen in den Handel, weil sie das gern machen", sagte Linsmeier gegenüber unserer Zeitung. Doch die Arbeitsbelastung werde als zu hoch empfunden. Der Lohn sei zu niedrig.
40 Jahre lang, rechnete Linsmeier vor, müssten die Angestellten 2 950 Euro monatlich verdienen. "Für circa 1 000 Rente. Da kannst du dann aber noch keine Sprünge im Alter machen." Allen sei bewusst, dass die Altersarmut drohe. "Erst arbeiten, dann Flaschen sammeln." Laut Linsmeier ein beliebter Spruch unter den Beschäftigten. Dabei sei es vor allem deren "Rekordarbeit" zu verdanken, dass die Firmen zuletzt "Rekordumsätze" einfahren konnten. Ein deutliches Lohnplus sei daher mehr als gerechtfertigt.
Neben den Lohnforderungen pocht Verdi auch auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Tarifverträge. Rund 80 Prozent der Betriebe seien nicht mehr tarifgebunden. "Dumpingkonkurrenz und Vernichtungswettbewerb", letztlich auf Kosten der Angestellten, seien das Resultat.