Infektionen-Höchstmarke überschritten

Corona-Fall Wiesenhof: Das sagt das Ministerium


Welche Eindämmungsmaßnahmen werden im Hinblick auf die Infektionen unter Mitarbeitern des Geflügelschlachters ergriffen?

Welche Eindämmungsmaßnahmen werden im Hinblick auf die Infektionen unter Mitarbeitern des Geflügelschlachters ergriffen?

Von Redaktion idowa und mit Material der dpa

Durch einen Reihentest beim Geflügelschlachter Wiesenhof, bei dem zahlreiche Mitarbeiter positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden sind, haben Stadt und Landkreis Straubing-Bogen die kritische Höchstmarke für Neuinfektionen in sieben Tagen, die vom Robert-Koch-Institut definiert ist, gerissen. Noch unklar ist, welche behördlichen Maßnahmen folgen werden.

Seit vergangenen Freitag wird seitens der Behörden untersucht, ob am Standort Bogen von Donautal-Geflügelspezialitäten (DGS), das Teil des Wiesenhof-Unternehmens ist, ein Infektionsherd gegeben ist. Nachdem einzelne Mitarbeiter wegen entsprechender Symptome positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden sind, wurden Reihenuntersuchung der etwa 1.000 Mitarbeiter angeordnet. Die Tests konnten bis Mittwoch abgeschlossen werden. Am heutigen Freitag sind die Ergebnisse bekanntgegeben worden. Von 923 getesteten Personen waren 59 positiv. 35 Personen davon kommen aus dem Landkreis Straubing-Bogen, 16 aus der Stadt Straubing, drei aus Nachbarlandkreisen und fünf aus Tschechien. Rund 150 weitere Mitarbeiter müssen noch getestet werden, die bislang bei den Tests verhindert waren.Zusammen mit den bereits bekannten Fällen sind damit nach jetzigem Stand insgesamt 77 Beschäftigte infiziert.

Damit ist sowohl in Straubing als auch im Landkreis Straubing-Bogen die generelle kritische Höchstgrenze der Neuinfektionen, die das Robert Koch Institut definiert hat, überschritten. Das bestätigte Tobias Welck, Sprecher des Landratsamts, und der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannenmayr (CSU) am Freitag. Innerhalb von sieben Tagen darf es nicht mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner geben. Ansonsten droht die Rücknahme der Lockerungen. Für die Stadt liegt die Grenze bei 24 Infizierten innerhalb von sieben Tagen. Am Freitagmittag verzeichnete die Stadt durch die Testung der Schlachthof-Mitarbeiter insgesamt 27 Infizierte innerhalb einer Woche. Im Landkreis Straubing-Bogen liegt die Obergrenze knapp über 50, da der Landkreis etwas über 100.000 Einwohner hat. Stand Freitagmittag liegt die Sieben-Tages-inzidenz bei 53,6 Neuinfektionen, sagte Welck.

Die Rücknahme der Lockerungen wollen Stadt und Landkreis mit ihren Sofortmaßnahmen verhindern. Das Landratsamt Straubing-Bogen informierte am Freitag über die nun geplanten Maßnahmen. Die Strategie sieht unter anderem vor, dass entsprechende Gemeinschaftsunterkünfte, die betroffen sind, sofort durch das Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt werden. Zudem werden infizierte Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften nicht isoliert werden können, in eine zentrale Unterkunft in Landkreis beziehungsweise Stadt verlegt. Dort überwacht auch ein Sicherheitsdienst die Quarantäne. Die Verlegungen finden noch am Freitag statt und werden auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes angeordnet. Die Firma zeigt sich laut Angaben des Landratsamtes dabei kooperativ und stellt unter anderem Vertrauenspersonen ab. Ebenso seien Dolmetscher im Einsatz.

Auf Grundlage des Konzepts hofft Pannenmayr, "dass es nicht nötig sein wird, die bisherigen Lockerungen aufzuheben". Wie es weitergeht, entscheide sich wohl in den kommenden Tagen. Ein Sprecher des Landratsamtes sagte dem Straubinger Tagblatt, das Überschreiten der Grenze bedeute "noch nichts". Letztlich entscheide das Gesundheitsministerium, ob die bislang getroffenen Maßnahmen ausreichen.

Zu den Sofortmaßnahmen hieß es vonseiten des Gesundheitsministeriums auf idowa-Anfrage: "Zunächst sind Maßnahmen eingeleitet worden, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Anordnung und Organisation solcher Maßnahmen erfolgen nach dem Infektionsschutzgesetz durch die örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden, das bayerische Gesundheitsministerium als oberste Landesgesundheitsbehörde ist eingebunden." Auf die Frage, ob ein neuerlicher Lockdown auszuschließen sei, erklärte Ministeriumssprecher Jörg Säuberlich: "Eine solche Bestätigung kann derzeit nicht gegeben werden. Die Ermittlungen dauern noch an. Es befinden sich zudem in Deutschland verteilt einzelne Unternehmen der PHW-Gruppe, unter anderem zehn weitere Geflügelschlachtbetriebe. Hierzu liegen derzeit keine Informationen vor."

Die PHW-Gruppe, zu der Wiesenhof gehört, teilte indes mit, dass Freitagmittag an keinem ihrer anderen zehn Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe Corona-Infektionen nachgewiesen worden sind.

Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen im Fokus

An den Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern deutscher Schlachthöfe war zuletzt vielfach wieder Kritik laut geworden. Die Arbeits- und Unterbringungssituationen fördern wohl in manchen Fällen die Verbreitung des Virus, teils sind sie für die Mitarbeiter vollends unzumutbar. Zuletzt waren Schlachthöfe in Nordrhein-Westfalen in der Kritik gestanden.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte auf die Fälle reagiert und seine Kollegen in den Bundesländern darauf hingewiesen, dass es zunehmend Berichte über "unhaltbare Zustände beim betrieblichen Infektionsschutz" gebe - besonders bei Saisonkräften in der Landwirtschaft, aber auch in der fleischverarbeitenden Industrie. Dort sind viele Osteuropäer zu Bedingungen beschäftigt, die immer wieder kritisiert werden. Bundeskanzlerin Merkel hatte in Bezug auf die Fleischindustrie signalisiert, dass man handeln werde.

Die SPD im Bayerischen Landtag hatte der Landesregierung im Laufe der Woche vorgeworfen, in Bezug auf die Schlachthöfe nicht konsequent und schnell genug gehandelt zu haben, etwa mittels systematischer Tests. Diesen Vorwurf hatte das Gesundheitsministerium zurückgewiesen. In Bezug auf die Fälle in Bogen habe man etwa sofort Reihentests angeordnet.

In der Folge gab das Minsiterium bekannt, dass weitere Reihentests an bayerischen Schlachthöfen durchgeführt werden sollen. "Klar ist auch: Die Arbeit im Schlachthof selbst führt nicht zu einer besonderen Infektionssituation, vielmehr müssen die Gemeinschaftsunterkünfte in den Blick genommen werden", erklärte ein Ministeriumssprecher.