Landkreis Regensburg

Ex-Straubingerin Kerstin Weber hat Sehnsucht nach Weißwürsten und Teeblättern


Mit ihrer Familie und ihrem Freund Alex (rechts) vor der Erntekrone auf dem Volksfest.

Mit ihrer Familie und ihrem Freund Alex (rechts) vor der Erntekrone auf dem Volksfest.

Kerstin Webers Vater löst gerne Kreuzworträtsel. In der Mitte der Rätsel befindet sich immer ein Foto. Im Sommer 2006 war in einem die Kapellbrücke in Luzern in der Schweiz abgebildet. ",Das will ich einmal sehen', habe ich damals noch zu ihm gesagt", erzählt Kerstin Weber. Da wusste sie noch nicht, dass sie nur wenige Wochen später einen Mann aus der Schweiz kennenlernen würde und im März 2008 zu ihm an der Vierwaldstättersee ziehen würde. Wir sprachen mit ihr während des Gäubodenvolksfests im Feszelt Nothaft darüber, warum die Bayern den Schweizern sehr ähnlich sind und warum man in der Schweiz ab neun Uhr morgens in einer Bäckerei keine Brezenstangerl mehr bekommt.

Wie ein Tourist fühlt sich Kerstin Weber heute, wenn sie über den Stadtplatz geht. Die 36-Jährige, die in Obermotzing aufgewachsen ist und bei der Frisurengalerie Aigner in Straubing arbeitete, weiß die Gebäude und den Stadtturm nun viel mehr zu schätzen. Auch auf Kleinigkeiten, die für sie früher selbstverständlich waren - wie die Weißwurst und die Landjäger von ihrer Lieblingsmetzgerei Hiendl aus Obermotzing -, hat sie sich vor diesem Besuch in Straubing sehr gefreut.

Im Juni 2006 lernte sie auf einem Kreuzfahrtschiff Alex kennen, der eigentlich aus der Augsburger Gegend stammt, aber in der Schweiz lebt. Zwei Wochen danach besuchte sie ihn zum ersten Mal dort, und auch Alex kam nach Straubing. Zwei Jahre später zog sie zu ihm, an den Vierwaldtstättersee in die Zentralschweiz. "Ich hatte damals eigentlich gar keine Zeit zu realisieren, dass ich jetzt nicht mehr in Straubing wohne", erinnert sie sich. Denn ihre Eltern seien am Anfang dabei gewesen und halfen beim Umzug.


In der Schweiz sei alles so klein, so nah. "Das ist purer Luxus", findet die 36-Jährige. Viele Schweizer hätten deshalb oft keinen Führerschein. Die, die einen haben, besitzen nicht selten teure Luxus-Autos und fahren damit nach Deutschland: "Denn in der Schweiz darf man ja höchstens 120 Kilometer pro Stunde fahren." Bayern und Schweizer sind sich sehr ähnlich, meint Kerstin Weber. "Manche Schweizer sind sehr eigenbrötlerisch, aber wenn man sie besser kennenlernt, sind sie richtig nett - genau wie wir." Die meisten Schweizer mögen keine Norddeutschen, aber mit Kerstin als Bayerin gab es nie ein Problem.

"Die Schweizer schmeißen einfach nichts weg"

Zu Beginn arbeitete sie bei Aldi, den gibt es in der Schweiz erst seit zehn Jahren. Die meisten Schweizer Kunden werden gerne hofiert und achten sehr auf Qualität. Eine Besonderheit gibt es bei Metzgereien und Bäckereien: Alex' Eltern, die auch in der Schweiz wohnen, bestellen ihre Semmeln fürs Frühstück zum Beispiel jeden Tag vor. Denn nach 9 Uhr morgens bekommt man manche Sachen in den Bäckereien gar nicht mehr, abends sind die Regale leer. "Die Schweizer schmeißen einfach nichts weg", ist Kerstin Webers Erklärung dafür. Seit einiger Zeit arbeitet sie in der Reparaturabteilung einer Flugzeugwerkstatt, in der auch ihr Freund arbeitet. Wenn sie mit ihrem Freund in der Schweiz Essen geht, dann wird das ganz schön teuer. Nicht, weil sie so exklusive Speisen bestellen, sondern weil manche Dinge in der Schweiz einfach sehr teuer sind: ein Schnitzel mit Pommes kostet zum Beispiel umgerechnet 30 Euro. Zwar verdienen Schweizer mehr, aber Kerstin Weber ärgert, dass man nach so einem Essen meistens nicht satt ist. "Am schlimmsten ist es beim Salat, es gibt eigentlich nur Fertigsalate", sagt Kerstin Weber und seufzt. Deshalb ist eine ihrer ersten Stationen in Straubing das Restaurant "Rapunzel". Enttäuscht ist sie auch von der Schweizer Patisserie. Am meisten vermisst sie Quarktaschen und Teeblätter - "aber da hab' ich jetzt ein Rezept zum Selbermachen". Kerstin Weber reist oft zurück nach Straubing, aber inzwischen ist sie in der Schweiz richtig angekommen. Sie schwärmt von der gemeinsamen Wohnung mit Seeblick und dem kleinen Boot, das sie besitzen. Bald ziehen die beiden in ein Haus, ebenfalls mit Seeblick. Mit ihrem Freund war sie in Thailand, den USA, auf Bali, Singapur, in Südafrika und auf Mauritius. Bei einer Norwegenkreuzfahrt in Bergen sei sie an einem Fjord gestanden und habe sich gedacht: "Da hätt' ich jetzt gar nicht so weit fahren müssen, am Vierwaldstättersee ist es genauso schön."

In den vergangenen drei Jahren hat sie sich auch einen richtigen Freundeskreis aufgebaut, in dem sie sich sehr wohlfühlt. Für ihre Schweizer Freunde wird sie in nächster Zeit ein Oktoberfest abhalten und alle zu einer Brotzeit und Bier einladen: "Das muss ich dann halt wieder alles vorbestellen", sagt sie und lacht.

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Die 36-Jährige vor dem Fahrgeschäft "Roll Over" und dem Riesenrad. (Foto: phi)

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Mit ihrer Familie und ihrem Freund Alex (rechts) vor der Erntekrone auf dem Volksfest. (Foto: privat)

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Kerstin Weber auf ihrem Boot auf dem Vierwaldstättersee. "Wir haben uns in den Ausblick verliebt", erzählt sie. (Foto: privat)