Colin Macpherson: Der Straubinger Schotte

"Für's Schottisch sprechen wurdest Du früher geschlagen"


Treffen zum Interview vor der Kulisse des Straubinger Stadtturms: Colin Macpherson mit idowa-Redakteur Stefan Karl.

Treffen zum Interview vor der Kulisse des Straubinger Stadtturms: Colin Macpherson mit idowa-Redakteur Stefan Karl.

Von Stefan Karl

Der Spruch "bekannt sein wie ein bunter Hund" scheint für Colin Macpherson erfunden worden zu sein. Ob als Moderator im wöchentlichen Fan-Talk der Straubing Tigers, in einer seiner Karaoke-Shows oder im "Pub Quiz" des Molloy's Irish Pub am Theresienplatz: fast jeder kann sich an mindestens eine Begegnung mit Colin Macpherson erinnern.

Mit Colin ins Gespräch zu kommen, ist leicht - nicht nur weil der Wahl-Straubinger einen sympathischen niederbayerisch-schottischen Zungenschlag drauf hat. Colin bringt eine Menge Gesprächsstoff mit. Er ist gleichermaßen schottischer Patriot wie auch leidenschaftlicher Fan der Straubing Tigers und der Spielvereinigung Unterhaching. Sein Geld verdient er in der Finanzbranche bei einer großen Bank. Er kennt sich aus mit britischer und deutscher Literatur.

In jüngerer Zeit engagiert sich Colin auch politisch - in der Frage nach einer möglichen Unabhängigkeit seiner Heimat Schottland vom Vereinigten Königreich. Darüber, wie ein Schotte nach Deutschland kommt, warum Schotten treue Fans ihrer Sportclubs sind und warum Schottland seiner Meinung nach alleine, ohne das "Noch-Vereinigte-Königreich", besser da stehen würde, haben wir mit Colin Macpherson gesprochen.

Colin, Du hast kürzlich unter anderem auf Twitter und Facebook gepostet: 500 days stuck in limbo. Was hat es damit auf sich?

Colin Macpherson: Das bezieht sich auf den Brexit. Weil nach wie vor die künftigen Rechte von EU-Bürger in Schottland aber auch die Rechte von Schotten in Deutschland und anderen EU-Ländern nicht ausgehandelt sind. Es geht um insgesamt viereinhalb Millionen Menschen, etwa drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien, etwa anderthalb Millionen Briten in der EU, die momentan nicht wissen, wie es dann nach dem 29. März 2019 weiter gehen wird. Es sind auch Dinge zu verhandeln wie die Grenze zwischen Irland und Nordirland. Das ist im Moment noch eine rote Linie für die EU. Meine Sorge ist, dass über diese Verhandlungen die Rechte der EU-Bürger eher hintenangestellt werden.

"Still yes 2 indy" - bei den Veranstaltungen über ein zweites Unabhängigkeits-Referendum für Schottland sind einige Armbänder zusammengekommen.

"Still yes 2 indy" - bei den Veranstaltungen über ein zweites Unabhängigkeits-Referendum für Schottland sind einige Armbänder zusammengekommen.

"500 Tage irgendwo dazwischen"

Beim Referendum 2014 hat sich eine knappe Mehrheit für den Verbleib beim United Kingdom ausgesprochen. Wie hat sich die Stimmungslage in Schottland seither verändert?

Pauschalisieren kann man das nicht. 2014 war eines der zentralen Argumente, ein unabhängiges Schottland könne kein Mitglied der EU werden. Wobei man das durchaus in Frage stellen kann. Zum Stimmungsbild gegenüber der EU vielleicht soviel: beim EU-Referendum hat in Schottland eine Mehrheit von 62 Prozent für den Verbleib in der EU gestimmt. In jedem Wahlkreis gab es eine Pro-EU-Mehrheit. Jetzt werden wir gegen unseren Willen aus der EU herausgerissen. Inwiefern aus dieser Situation zusätzliche Unterstützung für die Unabhängigkeitsbewegung entsteht, ist schwer zu sagen. Es gibt natürlich auch viele Schotten, die ein unabhängiges Schottland wollen, aber nicht unbedingt Teil der EU sein wollen. Da gibt es viele unterschiedliche Konstellationen in der Haltung der Leute.

Schotten sind keine "Erfolgs-Fans"

Wie bist Du nach Deutschland - zunächst nach München, dann nach Straubing - gekommen?

Durch Zufall passierte das, wie eigentlich alles im Leben. Man kann "Zufall" oder "Karma" sagen oder wie auch immer. Meine Eltern haben eine Zeit lang in München gelebt. Das war auch ungefähr die Zeit, als ich mein Studium beendet habe. Und dann stand ich nach dem Studium vor der Wahl: Was mach ich jetzt? Zwei, drei andere Sachen wären mir natürlich schon eingefallen, aber über meine Eltern hatte ich schon die Kontakte nach München in Sachen Wohnung und so weiter. Dann bin ich da einfach hängengeblieben.

"Straubingen" und andere Gemeinsamkeiten

Eine Sache verbindet Dich bis heute mit München, das ist die Spielvereinigung Unterhaching. In Straubing bist Du Fan der Straubing Tigers. Man muss schon bei beiden Clubs gelegentlich leidensfähig sein, oder?

Ja, die beiden Clubs verbindet schon einiges. Zum Beispiel, dass viele Deutsche nicht in der Lage sind, den Namen der Stadt richtig auszusprechen. Wo die Tigers unterwegs immer mal wieder "Straubingen" hören und die Hachinger immer wieder "Unterhachingen" (lacht). Aber "leidensfähig sein" ist finde ich relativ. Es gibt in jedem Verein gute Zeiten und schlechte Zeiten. Entweder ist man halt "Erfolgs-Fan", der ins Stadion geht, wenn die Mannschaft oben dabei ist und sonst nicht oder man akzeptiert eben auch die Durst-Phasen. Das für mich eigentlich die normalste Sache der Welt.

"Schotten sind die treueren Fans" - Colin Macpherson mit Claus Schromm, dem Cheftrainer der Spielvereinigung Unterhaching.

"Schotten sind die treueren Fans" - Colin Macpherson mit Claus Schromm, dem Cheftrainer der Spielvereinigung Unterhaching.

Ist das in Schottland oder allgemein im Vereinigten Königreich verbreiteter, dass man nicht nur "Schön-Wetter-Fan" ist, sondern mit dem Verein durch dick und dünn geht?

Auf jeden Fall. Eigentlich ist das in Schottland Ehrensache, diese Einstellung: Das ist Dein Verein und Du machst alles mit, was er macht.

"Ein schottischer Akzent wird als vertrauenswürdig empfunden"

Du hast als Schotte unter anderem deutsche Literatur studiert und einen entsprechenden Abschluss gemacht. War das als Nicht-Muttersprachler nicht schwierig?

Nun, viele Vorlesungen, Referate, Hausarbeiten und so weiter konnte man schon auf Englisch machen. Für mich war es so und so kein großes Problem, denn ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits ein Jahr in Deutschland gelebt, von dem her waren meine Sprachkenntnisse sowieso auf einem etwas anderen Level als bei meinen Kollegen, die teilweise gerade erst mit der Schule fertig geworden waren. Das hat dann auch zu sehr lustigen Situationen geführt. Im Sprachseminar hab ich irgendwann gar nichts mehr gesagt, weil der Kursleiter meinte: "Colin, wenn Du Deinen Mund aufmachst, trauen sich die anderen gar nicht mehr". Da bin ich dann ganz gemütlich hinten in der letzten Reihe gesessen und hab Bücher gelesen.

Zum Schotten gehört natürlich auch - zumindest zu festlichen Anlässen - die traditionelle Tracht mit Kilt. In der soll Colin auch schon mal auf dem Straubinger Volksfest gesehen worden sein.

Zum Schotten gehört natürlich auch - zumindest zu festlichen Anlässen - die traditionelle Tracht mit Kilt. In der soll Colin auch schon mal auf dem Straubinger Volksfest gesehen worden sein.

… wenn Du damals den Mund aufgemacht hast, klang das noch recht hochdeutsch. Heute schon ziemlich hörbar bayerisch. Gibt's auch da Parallelen zu Schottland im Sinne von "ein für die meisten Landsleute unverständlicher Dialekt?"

… eher im Umgang damit. So wie man den bayerischen Kindern früher an der Schule das Bayerisch Sprechen verbieten wollte, hat man es zeitweise auch in Schottland versucht. In Schottland haben manche Lehrer die Kinder geschlagen, wenn sie schottisch gesprochen haben.

Hat sich das mittlerweile geändert?

Ähnlich wie in Bayern hilft uns da in Schottland mittlerweile die Wissenschaft. Laut denen sind Kinder, die den Dialekt quasi als zweite Sprache haben, in der Mehrzahl sogar schlauer. Andere Studien belegen mittlerweile, dass viele Menschen - im Inland und im Ausland - einen schottischen Akzent für vertrauenswürdiger halten als viele der anderen regionalen Färbungen, die es in Großbritannien gibt.

"Eigentlich wollte ich das Eishockey boykottieren"

München war die erste Station in Deutschland - auch beruflich. Was hat Dich letztlich nach Straubing verschlagen?

Das hatte zunächst mal mit der Situation im Eishockey zu tun. Als die Münchner Eishockey-Clubs pleite gingen und neue Sponsoren die Szene betraten, war mir die ganze Sache nicht mehr sympathisch und ich wollte es eigentlich boykottieren. Das Eishockey hat mir aber dann doch gefehlt und ich hab' mir dann die Spiele in Straubing angeschaut. Nachdem ich dann eh schon praktisch jedes Wochenende im Winter in Straubing verbracht habe, bin ich irgendwann ganz hergezogen.

Treffen zum Interview vor der Kulisse des Straubinger Stadtturms: Colin Macpherson mit idowa-Redakteur Stefan Karl.

Treffen zum Interview vor der Kulisse des Straubinger Stadtturms: Colin Macpherson mit idowa-Redakteur Stefan Karl.

Was macht Straubing für Dich aus?

Das ist einfach eine kleine, gemütliche Stadt, schön übersichtlich und man kann trotzdem viel machen. Ich kann die Leute nicht verstehen, die sagen, in Straubing ist nichts mehr los. Ich bin noch nie verdurstet, wenn ich eine Halbe trinken wollte, und es geht eigentlich auch immer ein Ratsch. Verglichen mit München ist es einfach viel persönlicher. Man kommt leichter ins Gespräch. Ich denke, wenn man älter wird, braucht man nicht unbedingt den Trubel einer Großstadt, sondern freut sich, dass man hier ein Stück Heimat hat.

"Gut, dass nicht alles zwei Minuten später online ist"

Die Straubinger Eishockeyfans kennen vor allem Deinen Fantalk nach den Heimspielen. Was ist Dir bei der Veranstaltung wichtig?

Der Fantalk ist eine übersichtliche Veranstaltung. Es ist eher familiär, hat was von einem Freundeskreis. Zwei Spieler der Straubing Tigers stehen Rede und Antwort zum aktuellen Spiel. Eine Stunde danach, so dass man zum Beispiel bei Spielszenen, die man nicht ganz verstanden hat, direkt nach den Hintergründen fragen kann. Wie haben es die Spieler auf dem Eis erlebt, was man selbst da von den Rängen aus gesehen hat? Da muss man auch den Spielern ein großes Lob aussprechen, dass sie sich dafür Zeit nehmen und auch sehr offen und ehrlich antworten. Anders als vielleicht auf einer offiziellen Pressekonferenz, wo natürlich etwas mehr Floskeln und mehr Drumrumgerede unterwegs ist.

Jemals daran gedacht, den Fantalk noch größer aufzuziehen?

Das würde die Atmosphäre kaputt machen. Bei mir wissen die Spieler, dass sie mit Leuten reden, die das, was gesprochen wird, nicht zwei Minuten später auf irgendwelchen Nachrichtenkanälen teilen. Da können sie dann natürlich auch ein bisschen offener ihre Meinung sagen.

"Wer wird Millionär?" - aber mit lustigeren Fragen

Eine weitere Sache ist das Pubquiz im Molloy's Irish Pub in Straubing. Wie Du hat auch die Veranstaltung schon mehrere Stationen hinter sich.

Ja, das hab ich seinerzeit schon in München gemacht, auch in Rosenheim hatten wir das ganz gut etabliert. Im englischsprachigen Raum sind solche Pub Quizzes absolute Pflichtveranstaltungen. Da gibt's in jeder Kneipe mindestens einmal die Woche einen Quizabend. Als wir damals angefangen haben, das war so die Zeit von "Wer wird Millionär", insofern hatten die Leute auch in Deutschland Lust, in der Kneipe Quizfragen zu beantworten. Wobei beim Pubquiz viele Fragen auch ins Lustige gehen und es gibt natürlich nicht riesig viel Geld, sondern in der Hauptsache Alkohol zu gewinnen. Da bekommt zum Beispiel das Team, das eine Zahl aus einer Statistik oder ein Datum am genauesten schätzen kann, eine Runde Schnaps. Bei anderen Runden geht es darum, Gesichter von Prominenten zu erkennen oder den Titel und Interpreten von Popsongs zu erraten. Man muss auch nicht unbedingt super gebildet sein, um bei der ein oder anderen Runde richtig gut zu punkten.

Einmal bist Du sogar zum Gäubodenvolksfest in schottischer Tracht gekommen, im Kilt.

Bin ich das? Kann sein. Ist aber schon länger her.

Zum Thema "Schottische Unabhängigkeit" gibt es übrigens einen Twitter-Account, auf dem Colin regelmäßig schreibt.

In unserer Interviewserie sprechen wir mit erstaunlichen Menschen aus Nah und Fern über das, was sie besonders macht, über das, was sie von der breiten Masse unterscheidet.
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