NawaRo-Geschäftsführerin im Interview

Ingrid Senft: "Man plant jede Saison am Limit"


NawaRo-Geschäftsführerin Ingrid Senft.

NawaRo-Geschäftsführerin Ingrid Senft.

Vor dem großen Niederbayernderby am Samstagabend in Vilsbiburg spricht NawaRo Straubings Geschäftsführerin Ingrid Senft im idowa-Interview über die bisherige Saison, die Unterschiede zum niederbayerischen Konkurrenten und die finanzielle Situation des Clubs.

Frau Senft, was hätten Sie geantwortet, wenn Ihnen vor der Saison jemand gesagt hätte, sie würden am Samstag punktgleich mit den Roten Raben ins Niederbayern-Derby gehen?
Ingrid Senft: Das hätte ich sicherlich nicht für möglich gehalten. Sportlich läuft es für uns in dieser Saison besser, als wir es zu träumen gewagt hätten - trotz einiger Personalsorgen.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Senft: Alle Neuzugänge funktionieren. Dazu gab es glückliche Umstände - etwa bei der Leihe von Julia Schaefer. Ohne Leihmodell hätten wir uns eine solche Spielerin sicherlich nicht leisten können, Julia hat aber eine ganz wichtige Rolle innerhalb unserer Mannschaft inne. Es hat sich zudem über die Saison ein unheimlicher Teamgeist entwickelt, die Spielerinnen verstehen sich super untereinander. Mit Julia Schaefer, Magdalena Gryka oder Sophie Dreblow haben wir auch richtige Führungsspielerinnen, die dem Team Stabilität verleihen.

Der Kader ist gut, aber nicht besonders breit.
Senft: Richtig, wir haben im Vergleich zu anderen Teams einen kleinen Kader. Da muss man auf die Regeneration einen besonderen Fokus legen. Übers vergangene Wochenende hatte die Mannschaft zum Beispiel vier Tage frei. Auch, um den Kopf freizubekommen und nun voll motiviert das Derby angehen zu können.

Im Hinspiel gelang beim 2:3-Erfolg eine Überraschung…
Senft: Ich kann mich noch an die Schlussphase erinnern, die ich gegenüber der Tribüne erlebt habe. Beide Mannschaften waren stehend k.o.. Am Ende hat die Mannschaft gewonnen, die es mehr wollte. Auch von den Rängen kam eine unheimliche Energie. Man hat gespürt, dass auch unsere Zuschauer diesen Sieg unbedingt wollten.

Was erwarten Sie nun vom Rückspiel in Vilsbiburg?
Senft: In der Ballsporthalle haben wir uns in der Vergangenheit immer schwer getan. Aber wir haben beim Hinspiel gemerkt, wie schön so ein Derbysieg sein kann. Die Mädels sind alle fit und gut erholt. Ich glaube, dass es auch darauf ankommt, wie wir ins Spiel reinfinden. In der Halle ist es nicht einfach zu spielen. Den Sieg zu wiederholen, wird sicher schwierig. Aber einen Punkt hätte ich schon gerne. Es wird auch davon abhängen, welchen Tag die Roten Raben erwischen, die in der bisherigen Saison sehr schwankende Leistungen gezeigt haben.

Wenn man die beiden Clubs vergleicht: Wo ist Vilsbiburg Straubing noch voraus?
Senft: Da ist zum einen mal die Hallenthematik, das ist ein ganz wichtiger Faktor. In einer Halle wie der Ballsporthalle hat man in allen Bereichen - sei es Vermarktung oder Zuschauerzuspruch - andere Möglichkeiten. Wir werden zum Beispiel auf absehbare Zeit kein Heimspiel im Free-TV bekommen, weil unsere Halle schlicht und ergreifend nicht TV-tauglich ist. Dadurch ist man automatisch für überregionale Partner nicht so interessant. Ein weiterer Punkt ist, dass in Vilsbiburg über die Jahrzehnte gute Strukturen im Verein aufgebaut wurden. Wir sind in dieser Entwicklung noch am Anfang. Die Roten Raben sind nicht ohne Grund einer der konstantesten Clubs in der Liga und schon so lange erstklassig.

Gibt es auch Punkte, in denen Sie den Raben voraus sind?
Senft: Ich glaube schon. Wenn man sich zum Beispiel den Standort anschaut. Straubing liegt sicherlich günstiger als Vilsbiburg und hat ein besseres Einzugsgebiet für Zuschauer. Und auch das wirtschaftliche Potenzial am und um den Standort würde ich hier perspektivisch größer einschätzen.

Muss NawaRo als noch relativ junger Erstligist mit anderen Faktoren punkten als die bewährten Vereine?
Senft: Ja, wir ermöglichen zum Beispiel unseren Spielerinnen, dass sie neben dem Sport eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren und nehmen darauf Rücksicht. Das ist bei Top-Vereinen, die lange im Pokal dabei sind oder auch international spielen, sicherlich schwieriger. Wir können als Verein nicht in monetärer Hinsicht punkten, aber mit dem Drumherum. Das ist sicher auch für viele junge Spielerinnen ein Faktor. Denn im Volleyball kann man zwar auch okay verdienen, aber man braucht auf jeden Fall auch ein Standbein für die Zeit nach der aktiven Karriere.

Welche Rolle spielt bei der Struktur des Teams Trainer Benedikt Frank?
Senft: Wir haben Bene damals bewusst für unser Konzept geholt. Wir wollten auf junge und talentierte Spielerinnen setzen und ihnen eine Chance auf höchstem Niveau geben. Gerade bei vielen jungen Spielerinnen braucht es nicht nur die sportliche Führung, man muss auch mal neben dem Feld Gespräche führen. Das kann er gut. Er hat, gemeinsam mit dem gesamten Trainerteam, aus unserer Talentlage sehr viel rausgeholt in dieser Saison.

Ist diese Saison ein positiver Ausrutscher, oder kann sich NawaRo dauerhaft auf diesem Niveau bewegen?
Senft: Wir müssen uns nichts vormachen: In den kommenden Jahren wird es sicherlich nicht einfacher. Wir hatten diese Saison mit einigen Entscheidungen auch das nötige Glück, das es im Sport braucht. Aber die Liga ist auch ein Stück weit unberechenbar. Gerade bei den unteren vier, fünf Teams kann man die Dinge nicht wirklich kalkulieren. Viele müssen auf Talente setzen, hier sind die Entwicklungen der Spielerinnen nicht immer vorhersehbar. Die oberen Clubs können sich Spielerinnen für die Summe X kaufen und wissen, dass sie dafür eine gewisse Qualität bekommen. Wir haben zum Beispiel auch kein Budget auf der Seite, um während einer Saison groß reagieren zu können. Deshalb dürfen auch keine Leistungsträgerinnen länger ausfallen - damit steht oder fällt oft eine Saison. Wir werden es wohl in den nächsten Jahren nicht konstant schaffen, unsere aktuelle Rolle zu spielen. Aber wir wollen perspektivisch schon fest um die Playoff-Plätze mitspielen.

Und was ist bei der aktuell guten Ausgangslage in dieser Saison drin?
Senft: Rein rechnerisch könnte es sein, dass wir noch aus den Playoff-Plätzen rutschen. Aber wenn es halbwegs normal läuft, werden wir unter den ersten Acht landen, vielleicht sogar ein bisschen besser. Dann wird es unheimlich schwierig, weil es im Viertelfinale gleich gegen einen Top-Gegner geht, gegen den es auf dem Papier fast unmöglich ist, weiterzukommen. Aber Playoffs sind Playoffs, und damit ist doch wieder alles möglich. Wir haben uns in dieser Saison ein gutes Selbstvertrauen erarbeitet und werden sicher keine Serie schon im Vorhinein abschenken.

Wie sieht es finanziell aus? In der Stadt machen Gerüchte die Runde, es würde wieder Geld fehlen.
Senft: Wirtschaftlich ist jedes Jahr ein Spagat, in Straubing wie auch an anderen Standorten. Man plant jede Saison am Limit, weil man ja den maximalen sportlichen Erfolg anstrebt. Man hat also keinen großartigen Puffer. Es wird jedes Jahr das Ziel sein, am Ende bei einer schwarzen Null zu landen. Heuer haben wir den Etat erneut gesteigert, im Laufe der Saison gab es aber Kleinigkeiten wie eine Nachverpflichtung aus Verletzungsgründen und somit eine Abweichung von ein paar wenigen Prozentpunkten zum Plan. Deshalb war und ist es schon eine ziemliche Gratwanderung. Ich bin aber guter Dinge, dass wir es bis zum Saisonende gut hinkriegen.

Es fehlt also noch Geld. Ist der Standort in Gefahr?
Senft: Nein, der ist auf keinen Fall gefährdet. Es geht vielmehr um die bestmögliche Ausgangslage für die kommende Saison ohne jeglichen "Rucksack". Bis 15. April müssen wir den Lizenzantrag stellen und die ersten Unterlagen für die wirtschaftliche Lizenzierung einreichen. Wobei wir uns dabei in jedem Jahr prinzipiell neu hinterfragen, ob die Finanzierbarkeit weiterhin gegeben ist und auch die Gesamtperspektive für den Erstliga-Standort stimmt, unabhängig von Lizenzstatut oder anderen Vorgaben. Einen finanziell machbaren Haushaltsplan aufzustellen hängt natürlich immer auch von den Gesprächen mit den Spielerinnen, dem Trainer und den Partnern ab. Wir haben da noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, aber die 1. Bundesliga steht für uns nicht in Frage.

In welchem Bereich bewegt sich der Etat aktuell?
Senft: Wir liegen in dieser Saison bei circa einer dreiviertel Million.

Wo liegt der Club hier im Ligavergleich?
Senft: Im Gesamtetat sind wir im hinteren Bereich anzusiedeln, aber auch nicht in allen Punkten. Die Liga bietet hier eine sehr gute Übersicht mit Vergleichswerten. Was den Trainer- und Spieleretat angeht, sind wir schon in einem Bereich, in dem wir uns mittelfristig auch sportlich sehen. Also rund um die letzten Playoff-Plätze. Wo wir sehr hinterherhinken ist die Geschäftsstelle. Hier wollen wir auch zeitnah für eine Entlastung sorgen, das ist dringend nötig. Wir werden zum 1. März jemanden im Bereich Controlling und Organisation einstellen. Damit kann ich mich zukünftig mehr um den Bereich Marketing und Vermarktung kümmern.

Mit welchem Etat planen Sie zukünftig?
Senft: Wir haben zu dieser Saison schon einen Sprung gemacht auf ein Niveau, mit dem man planbar 1. Liga spielen kann. Die Schritte in den kommenden Jahren werden kleiner ausfallen. Zur neuen Saison werden der Trainer- und der Spieleretat definitiv auf gleichem Niveau bleiben. Die Investition zur neuen Saison wird die Geschäftsstelle betreffen, das ist für die Entwicklung des Clubs entscheidend.

Damit dürfte es schwierig werden, die Mannschaft zusammenzuhalten, weil die Spielerinnen auch Begehrlichkeiten von finanziell besseren Clubs geweckt haben dürften.
Senft: Das stimmt. Es wird sicher Spielerinnen geben, die nach der guten Saison auch finanziell eine Anpassung wollen. Aber wir dürfen da keine verrückten Dinge machen. Wir müssen eine gute Balance finden. Aber klar ist, dass wir versuchen wollen, möglichst viele Spielerinnen zu halten.

Wie weit sind die Gespräche fortgeschritten, auch der Dreijahresvertrag von Trainer Benedikt Frank läuft ja aus?
Senft: Wir befinden uns mit Bene und den Spielerinnen im Austausch. Zu vermelden gibt es zum aktuellen Zeitpunkt aber noch nichts.