Straubing
"Mittagsmörder" kommt frei: Resozialisierung nach 50 Jahren Knast möglich?
20. Februar 2015, 8:58 Uhr aktualisiert am 20. Februar 2015, 8:58 Uhr
Es war Medien landauf und landab eine Schlagzeile wert: Der sogenannte "Mittagsmörder", der in den sechziger Jahren bei Überfällen im Raum Nürnberg stets zur Mittagszeit fünf Menschen getötet hat, kommt nach fast 50 Jahren in Haft zum 1. März auf Bewährung frei (wir berichteten). Kein anderer Häftling in Bayern sitzt so lange hinter Gittern. Die Straubinger Gefängnistore öffnen sich ihm in eine drastisch veränderte Welt. Wir sprachen mit JVA-Leiter Hans Jürgen Amannsberger über die Herausforderung Resozialisierung für lebenslänglich Verurteilte, wie sie sich im Fall von Klaus G. im Extrem spiegelt.
Zur Zeit zählt die JVA Straubing, die bayernweit Gefangene mit einer Haftstrafe von sechs Jahren aufwärts aufnimmt, genau 777 Insassen. Davon sind laut JVA-Leiter Hans Jürgen Amannsberger 196 rechtskräftig zu einer lebenslangen Haft Verurteilte, bei drei weiteren ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. 59 Insassen befinden sich außerdem in Sicherungsverwahrung.
Eine 50-jährige Haftzeit ist extrem selten. Frühestens nach 15 Jahren werde bei einem Lebenslänglichen die Möglichkeit einer Entlassung geprüft, sagt der JVA-Leiter. Das gelte allerdings nicht, wenn das Gericht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt habe. Entweder weil es mehrere Opfer gab oder das Verbrechen besonders brutal war. Von den 196 Lebenslänglichen in der JVA liege allein bei 90 eine besondere Schwere der Schuld vor.
Seit drei Jahren Vorbereitung auf Entlassung
Neben allen anderen Voraussetzungen, die zu erfüllen sind, müsse der betreffende Gefangene seiner Entlassung auch zustimmen, sagt Amannsberger. Er weist nicht von der Hand, dass mancher Jahrzehnte Inhaftierte vor allem im fortgeschrittenen Alter gar nicht mehr entlassen werden wolle, weil ein Leben draußen für ihn nicht mehr vorstellbar sei.
Nachdem der sogenannte Mittagsmörder schon seit drei Jahren weiß, dass er die Chance auf eine Entlassung auf Bewährung hat, sei er seither gezielt darauf vorbereitet worden, sagt Hans Jürgen Amannsberger. Er habe eine Einzeltherapie erhalten und sei von ehrenamtlichen Betreuern besucht worden, zumal zu seiner Familie kein Kontakt bestehe. Es habe Ausführungen einzeln und in der Gruppe in Begleitung von Justizvollzugsbeamten gegeben sowie Ausgang mit ehrenamtlichen Betreuern. Dabei seien natürlich auch Alltagskompetenzen geübt worden, zum Beispiel beim Discounter einzukaufen, einen Fahrscheinautomaten zu bedienen oder der Umgang mit einem Handy.
Die eigene Habe und Überbrückungsgeld
Finanziell seien die wenigsten Gefangenen gut gestellt, das Gros habe nur das Überbrückungsgeld von maximal 1.700 Euro für die erste Zeit und sei ansonsten auf Sozialhilfe angewiesen. Rentenansprüche erwirbt man im Gefängnis nicht.
Womöglich findet sich Klaus G. bald auf einem Sessel in einer TV-Talkshow, könnte man ketzerisch vermuten. Auch darüber werde im Vorfeld gesprochen, sagt der Anstaltsleiter. Man rate Klaus G. davon ab, schließlich mache das Lüften seines Inkognitos seine Wiedereingliederung noch schwerer.