Geiselhöring

Zur Geschichte der Wahlfälschung


Von Uschi Ach

Zur Geschichte der Wahlfälschung

Noch einmal zur Erinnerung: Es ist Sonntag, 16. März 2014. Im Landkreis Straubing-Bogen wird gewählt. Auch in der Stadt Geiselhöring werden die Bürger zu den Urnen gebeten. Sie sollen den Kreistag, ihre Stadträte und nicht zuletzt ihren zukünftigen Bürgermeister wählen. Was sie auch machen - die Wahlbeteiligung beträgt 69,52 Prozent. Der Wahlsonntag verläuft planmäßig, zumindest vorerst und auf den ersten Blick. Bei der abendlichen Auszählung der Stimmbezirke liegt Bürgermeister Bernhard Krempl (FW) erwartungsgemäß vorne, wenn auch überraschend knapp. Nach Auszählung von zwei bestimmten Briefwahlbezirken aber liegt er plötzlich hinter seinem CSU-Herausforderer Herbert Lichtinger. Am Ende hat er 303 Stimmen weniger als Lichtinger.

Krempl ficht die Wahl an

Weil Krempl glaubt, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte, ficht er drei Tage später die Wahl an. Auch Lichtinger bittet brieflich mit seinem Parteifreund Erwin Kammermeier um eine Überprüfung der Wahl. Viel später stellt sich heraus, dass beide Schreiben rechtlich nichtig sind.

Geschäftsräume werden durchsucht

Im April beginnen Kripo Passau und Staatsanwaltschaft Regensburg mit ihren Ermittlungen. Mitte September werden in Geiselhöring die Wohn- und Geschäftsräume von fünf Personen durchsucht: Darunter die Räumlichkeiten der Ehefrau des in Geiselhöring ansässigen Spargelbauern und von vier Angestellten eines Unternehmens, das Erntehelfer vermittelt. Dabei wird unter anderem festgestellt, dass Akten geschreddert worden waren. Außerdem wird ermittelt, dass die Wahlfälschung von langer Hand vorbereitet worden war: Etliche osteuropäische EU-Bürger wurden aus dem Landkreis Regensburg in die Stadt umgemeldet. Alle fristgerecht in Geiselhöring gemeldeten osteuropäischen Erntehelfer - es waren 482 - erhielten von der Stadtverwaltung Wahlkarten und danach auch Briefwahlunterlagen zugeschickt. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein Kurier einige der Briefwahlunterlagen nach Rumänien gebracht hat.

Stimmzettel hätten nicht berücksichtigt werden dürfen

Mitte September ergibt das Gutachten des Landeskriminalamtes in München, dass in der Stadt Geiselhöring 95 rumänische Erntehelfer und Lohnarbeiter nicht vor Ort waren oder nicht selbst gewählt haben. Viele von ihnen hatten gewählt, obwohl sie ihren Lebensschwerpunkt in Rumänien hatten. Hinzu kommt, dass 260 Kreistagsbriefwahlunterlagen von höchstens drei Personen mit einem identischen Muster ausgefüllt wurden. Eine Hilfstätigkeit, die rechtmäßig wäre, wenn diese drei Helfer ihre unterstützende "Handführung" durch ihre alleinige Unterschrift angegeben hätten. Stattdessen aber hatten die Rumänen selbst unterschrieben: Das ist Urkundenfälschung von den Hilfspersonen und von den Erntehelfern eine falsche eidesstattliche Versicherung. Die Behörden gehen davon aus, dass unter Berücksichtigung von Doppelnennungen 350 der abgegebenen Stimmzettel bei der Wahl nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.

Regierung erklärt Wahl für ungültig

Noch im September wird die Bürgermeister- und Stadtratswahl von der Kommunalen Wahlleiterin und die Kreistagswahl von der Regierung von Niederbayern für ungültig erklärt. Bei allen drei Wahlen liegt eine Wahlverdunkelung vor, da sich die Wahlfälschung auf das Ergebnis ausgewirkt hatte - beim Kreistag ging es um elf Wähler, bei der Bürgermeisterwahl um 303 und beim Stadtrat um 38 Wähler.

Landkreisweit nachgewählt

Ein teuerer Wermutstropfen: Es muss landkreisweit nachgewählt werden. Wegen des Artikels 52 Kommunalwahlgesetz (Absatz 2, Satz 3) ist eine Beschränkung der Wahl auf Geiselhöring nicht möglich. Dieser geregelt nämlich, dass jeder Kandidat der ursprünglichen Kandidatenliste auch wieder auf der neuen Liste stehen muss. Da aber der neue Landrat Josef Laumer nicht mehr als Kreisrat kandidieren darf und auch einer der Kreistagskandidaten bereits gestorben ist, fehlen zwei Kandidaten auf der neuen Liste. Zusätzlich tritt auch die Geiselhöringer Unternehmerin Rosemarie Baumann (CSU) nicht mehr zur Wahl an. Sie war über den geschäftlichen Kontakt zu den Lohnarbeitern in den Fokus der Ermittler gerückt.

Teure Nachwahl

Exakt 113.981,55 Euro hat allein die Nachwahl des Kreistages gekostet. Das hat Regierungsrätin Birgit Fischer-Rentel Ende vergangenen Jahres bekanntgegeben. Laut der kommunalen Wahlleiterin mussten vonseiten des Amtes den Landkreisgemeinden rund 106.930 Euro rückerstattet werden, die Softwarekosten (AKDB) betrugen rund 845 und die Stimmzettel 6.106 Euro. Für den Wahlausschuss schlugen zusätzlich 100 Euro zu Buche. Und für die Stadt Geiselhöring? Inklusive aller Personalkosten, auch für den Einsatz des Staatsbeauftragten Josef Rothammer, rund 31.860 Euro.