U20-Nationaltrainer im Interview
Christian Künast: "Der Nachwuchs muss immer unsere Basis sein"
24. November 2018, 10:40 Uhr aktualisiert am 24. November 2018, 10:40 Uhr
Ab 9. Dezember findet in Füssen die U20-Weltmeisterschaft Division I statt. Die deutsche Mannschaft trifft dabei in Gruppe A auf Weißrussland, Lettland, Frankreich, Österreich und Norwegen. Trainer der U20-Auswahl des DEB ist seit 2015 der gebürtige Landshuter Christian Künast. Im idowa-Interview spricht der Niederbayer über das anstehende Turnier, die Nachwuchsentwicklung im deutschen Eishockey und in Ostbayern sowie den Abschied seines Schwagers Marco Sturm in die NHL.
Herr Künast, es sind noch rund zwei Wochen bis zur U20-Weltmeisterschaft. Wie ist das Gefühl?
Christian Künast: Die Anspannung wird natürlich immer größer. Das wird vor allem dann kommen, wenn wir uns zur Vorbereitung treffen. Aber die Vorarbeit ist erledigt, deshalb bin ich auch relativ entspannt. Wir sind gut vorbereitet und freuen uns nun auf das Turnier.
Macht es die WM spezieller, weil sie im eigenen Land stattfindet?
Künast: Wir hatten das auch vor zwei Jahren in Bremerhaven. Man kann schon sagen: Zuhause ist es immer am schönsten. Gerade in Füssen, in unserer Metropole im Nachwuchs-Eishockey. Es ist natürlich ein besonderer Ansporn. Aber wir müssen auch aufpassen, denn die Spieler wollen im eigenen Land manchmal zu viel oder verspüren Druck. Das ist dann unsere Aufgabe, ihnen diesen zu nehmen.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie ins Turnier?
Künast: Es mag langweilig klingen, aber unser primäres Ziel ist, dass wir Spieler ausbilden und nach oben bringen. Am liebsten würde man natürlich dennoch alles gewinnen. Aber wir haben bei vergangenen Turnieren gesehen, wie schwer das ist. Deshalb ist das Ziel, dass wir Tag für Tag ein Stück besser werden.
Aber dennoch dürfte Ihr Ziel sein, den Aufstieg zu schaffen.
Künast: Ich wäre falsch im Sport, wenn ich nicht nach ganz oben denken würde. Ich will immer gewinnen. Diese Mentalität braucht es und die haben wir auch in unserer Mannschaft. Aber auf der anderen Seite steht immer ein Gegner, der ebenfalls gewinnen will.
Wie schätzen Sie die Gegner denn ein?
Künast: Es ist schwierig, das im Vorfeld zu bewerten. Ich denke, wir können gegen alle fünf Teams gewinnen, aber auch gegen alle verlieren. Man muss sehen, dass dieser Jahrgang vor zwei Jahren in der U18 fast abgestiegen wäre. Vor zwei Jahren sind wir mit der U20 wegen eines Treffers nicht aufgestiegen. Es liegt alles eng beieinander und ist nicht einfach. Aber wir sind gut vorbereitet und bereit.
Sie sind seit rund dreieinhalb Jahren U20-Bundestrainer. Merken Sie seitdem schon eine Entwicklung oder eine Niveausteigerung?
Künast: Es wurden viele Sachen angeschoben, im Strukturellen und in der Ausbildung. Aber im Nachwuchs dauert es einfach rund acht Jahre, bis die Maßnahmen von unten auch oben ankommen. Dennoch haben wir auch im Bereich der U16 bis U20 Strukturen geschaffen, die kurzfristig helfen sollen. Das merkt man auch.
Wie hat sich der Nachwuchsbereich im Eishockey allgemein entwickelt?
Künast: Ich denke schon, dass wir nach Olympia-Silber einen Boom erlebt haben. Im Bereich der U13 und darunter gibt es eine Zuwachsrate von zehn bis 15 Prozent. Nun gilt es, aus dieser größeren Quantität auch etwas zu machen. Das heißt, man braucht mehr und qualitativ gute Trainer. Die Ausbildung muss einfach gut sein. Dafür gilt das Programm Powerplay26 als Leitfaden. Wir sind auf einem guten Weg. Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen.
Ein großes Thema ist auch immer die Einsatzzeit der Talente in den Proficlubs. Ihr gesamter Kader kommt auf knapp 50 Einsätze in der DEL, verteilt aber auf nur fünf Spieler. Ein Wert, mit dem Sie zufrieden sind?
Künast: Für mich ist es immer entscheidend, welche Rolle ein Spieler in seiner Mannschaft spielt. Das kann in der DEL, der DEL2, Oberliga oder im Nachwuchs sein. Es bringt uns ja nichts, wenn zwar 20 Spieler in der DEL zum Einsatz kommen, aber nur ganz wenig Eiszeit haben. Was man aber schon merkt ist, dass auch bei den Profivereinen die Nachfrage nach den Talenten mehr geworden ist.
Christian Künast über Ausnahmetalent Dominik Bokk, die Ausbildung in Ostbayern und seinen Schwager Marco Sturm
Mit Tim Stützle und John Peterka haben Sie zwei Spieler im vorläufigen WM-Kader, die gerade einmal 16 Jahre alt sind. Was zeichnet sie aus?
Künast: Das sind zwei Spieler aus dem Jahrgang 2002, der auch international sehr gut besteht. Warum soll ich ihnen also nicht die Chance geben? Nach der Vorbereitung müssen zwar noch Spieler gestrichen werden, aber die beiden haben die Möglichkeit, dabei zu sein. Sie bringen großes Potenzial mit.
Dominik Bokk spielt bereits in der ersten schwedischen Liga und gilt als Ausnahmetalent. Was zeichnet ihn aus?
Künast: Wenn Dominik auf seinem Top-Level spielt, dann macht er eine Mannschaft einfach besser. Wie bei jungen Spielern üblich unterliegt auch er noch einigen Schwankungen. Aber er ist zweifelsfrei ein Ausnahmetalent.
Sieben Spieler des Kaders spielen in Nordamerika. Würden Sie einem jungen Talent diesen Weg empfehlen?
Künast: Das muss man immer von Fall zu Fall sehen. Es kommt darauf an, ob das Gesamtpaket stimmt. In der Ausbildung der Jungs geht es ja nicht mehr ausschließlich um Eishockey. Im Sport kann so viel passieren und es kann von einem auf den anderen Tag vorbei sein. Deshalb muss man auch sehen, wie man den Sport mit einem Studium oder einer Ausbildung verbinden kann. Aus diesem Grund gehen viele nach Nordamerika, weil dafür das College-System sehr gut ist. Wir sind in Deutschland gefordert, etwas Ähnliches zu schaffen. Die jungen Leute brauchen eine Perspektive - auf und abseits des Eises.
Merken Sie einen Unterschied zwischen Spielern, die daheim oder in Nordamerika spielen?
Künast: Nein, da merkt man keinen großen Unterschied. Das einzige: sie sind schon etwas selbstständiger. Sie sind in Nordamerika auf sich alleine gestellt und müssen sich um alles kümmern.
Blicken wir auf Ostbayern. Hier stellt der EV Landshut als einziger Verein Spieler. Wie bewerten Sie die Arbeit der Clubs in der Region?
Künast: Landshut macht ja traditionell eine gute Nachwuchsarbeit. Gerade bei Marco Baßler und Alexander Ehl sieht man aber auch, dass sie schon ihre zweite Saison im Erwachsenenbereich spielen. Aus Regensburg ist ein Spieler auf Abruf dabei, da wird auch gute Arbeit geleistet. In Straubing hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Wichtig ist, dass die Vereine darüber, also die Proficlubs, erkennen, wie wichtig der Nachwuchs ist. Es kommt viel auf das Zusammenspiel zwischen Profiabteilung und Nachwuchs an. Fest steht: egal ob in Ostbayern oder im Norden, der Nachwuchs muss immer unsere Basis sein.
Bei vergangenen Maßnahmen der U20 war manchmal auch Marco Sturm dabei. Werden Sie ihn bei der WM an Ihrer Seite vermissen?
Künast: Das ist ganz lustig. Denn wir haben uns schon im Januar zusammengesetzt und geklärt, dass er nicht mehr aktiv dabei sein wird. Für ihn wäre es zeitlich schwer machbar gewesen und er war auch weit weg von der Mannschaft. Er war auch in diesem Jahr nicht mehr aktiv dabei, sodass sich eigentlich nichts groß ändert - weder für mich, noch für die Mannschaft.
Sie kennen Marco Sturm als Schwager so gut wie wohl kein anderer in der Eishockey-Szene. Was bedeutet sein Abgang aus Ihrer Sicht fürs deutsche Eishockey?
Künast: Ich betrachte es zunächst aus Marcos persönlicher Sicht. Wenn man diese Chance bekommt, dann muss man sie auch nutzen. Er hat sich das verdient und ich bin mir sicher, er wird seinen Weg als Trainer auch in der NHL gehen und erfolgreich sein. Im deutschen Eishockey hinterlässt er natürlich eine große Lücke. Aber er hat in den vergangenen Jahren auch Strukturen geschaffen, auf die man aufbauen kann. Es mag vor allem aus meinem Mund komisch klingen, aber jeder ist ersetzbar. Es wird ein neuer Trainer kommen und oft kann ein neuer Input auch hilfreich sein.
Zum Abschluss: Wie blicken Sie auf dieses Jahr zurück, das für Sie mit dem Gewinn der Silber-Medaille bei den Olympischen Spielen begonnen hat?
Künast: Der Erfolg bei Olympia bleibt unglaublich. Ich weiß nicht, ob man das überhaupt noch toppen kann. In meinem Büro hängt auch ein großes Bild von Olympia, das wir vom DEB bekommen haben, dadurch werde ich fast täglich daran erinnert. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Den Februar 2018 werde ich in meinem Leben nie mehr vergessen.