Co-Trainer der LA Kings im Interview

Marco Sturm: "Die NHL ist eine andere Liga"


Seit November Co-Trainer bei den Los Angeles Kings in der NHL: Marco Sturm.

Seit November Co-Trainer bei den Los Angeles Kings in der NHL: Marco Sturm.

Seit November ist Marco Sturm Co-Trainer bei den Los Angeles Kings in der NHL, der besten Eishockey-Liga der Welt. Aktuell befindet sich der Niederbayer in Deutschland. Im idowa-Interview spricht der ehemalige Bundestrainer und Silbermedaillen-Gewinner bei Olympia über seine neue Aufgabe, über die Situation bei den LA Kings und das deutsche Eishockey.

Herr Sturm, im November ging es ziemlich schnell. Sie haben Ihren Posten als Bundestrainer aufgegeben und sind als Co-Trainer zu den Los Angeles Kings in die NHL gewechselt. Wie blicken Sie darauf zurück?
Marco Sturm: Das waren spannende und aufregende Wochen. Der Anruf kam für mich zu diesem Zeitpunkt doch ein bisschen aus dem Nichts und es musste sehr schnell gehen. Speziell für einen Europäer ist es sehr schwierig, in der NHL ins Trainergeschäft reinzukommen. Deshalb wollte ich diese Chance nutzen und die neue Herausforderung annehmen.

Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie die NHL auch als Trainer reizen würde. Brauchten Sie entsprechend gar keine lange Bedenkzeit?
Sturm: Für mich war ziemlich schnell alles klar. Aber es gibt auch noch andere Dinge zu beachten. Ich hatte einen laufenden Vertrag als Bundestrainer und habe eine Familie mit zwei Kindern. Das muss man berücksichtigen. Mit meiner Familie war ich mir dann einig, dass wir diesen Schritt machen wollen und auch dem DEB bin ich dankbar, dass er mich freigegeben hat.

Ihre Kinder wurden in den USA geboren und es ist ohnehin ihre Heimat.
Sturm: Richtig. Die Kinder wollten wieder in die Staaten, in ihre gewohnte Umgebung. In den paar Jahren in Deutschland hat man schon gemerkt, dass sie sich schwergetan haben. Für sie war es der richtige Weg, sie werden nun auf jeden Fall die Schule drüben in den nächsten Jahren fertig machen. Für mich ist es enorm wichtig, eine so starke Familie zu haben, die das alles mitmacht. Denn das ist nicht immer alles so schön und einfach in diesem Geschäft.

Wie war für Sie persönlich der Start bei den Kings?
Sturm: Für mich war es einfach schön, wieder in der alten Umgebung zu sein. Es hat sich zum Teil nichts verändert, dadurch musste ich mich nicht großartig umstellen. Auf der anderen Seite hat sich im Eishockey drumherum schon etwas geändert und ich habe eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich richtig drin war.

Worin sehen Sie mit etwas Abstand die Gründe für das schlechte Abschneiden der Kings?
Sturm: Der Club hat 2012 und 2014 den Stanley Cup gewonnen. In der Folge wollte man unbedingt den dritten holen und hat dadurch über die Jahre viele junge Spieler verloren. Das ist in diesem Jahr zurückgekommen. Die Spieler werden auch älter und das Eishockey ist schneller geworden. Man hat den Sprung ein bisschen verpasst und dann kann es in diesem Geschäft auch sehr schnell gehen. Jetzt wird versucht, sich neu aufzustellen, sodass man in drei, vier Jahren vielleicht wieder oben mitspielen kann.

Wie sehen die ersten Schritte auf diesem Weg aus, was wird schon in diesem Sommer getan?
Sturm: Es ist schon einiges verändert worden. Man hat keinen Spieler verpflichtet, es wurden sogar welche abgegeben. Zudem hat man wieder ein komplettes Paket an jungen Spielern gedraftet, die für die Zukunft interessant sind. Das hatte man die letzten sechs, sieben Jahre nicht. Daran sieht man: Es fängt wieder etwas Neues an. Es war für uns ein Sommer in die richtige Richtung, auch wenn es in kleinen Schritten geht.

Der Verein hatte große Erfolge, der neue Weg benötigt Zeit. Sehen Sie die Geduld dafür gegeben?
Sturm: Ich hoffe es. Das Management und der Trainerstab wissen, dass wir diese Geduld brauchen. Wir brauchen auch Spieler und die Fans, die diesen Weg mitgehen. Sie sind in den letzten Jahren etwas verwöhnt worden. Jetzt ist es an der Zeit, einiges zu verändern. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir nach wie vor Top-Spieler in unserer Mannschaft haben. Die sollen in Zukunft die jungen Spieler mitziehen.

Also ist der Plan: Ein erfahrenes Gerüst und dazu viele junge Talente?
Sturm: Genau so ist es. Wir haben noch Spieler wie Anze Kopitar, der noch einige Jahre Vertrag hat. Oder Drew Doughty, da beginnt jetzt ein neuer Achtjahresvertrag. Das sind unsere Führungsspieler, die weiter für uns spielen werden und in der Zukunft vielleicht auch nochmal eins drauflegen müssen, damit wir so schnell wie möglich da unten rauskommen.

Der Weg ist längerfristig ausgelegt. Was ist kurzfristig für die Kings möglich?
Sturm: Den Wake-up-call hat es in der letzten Saison gegeben, dadurch ist die Situation im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr neu. Wir müssen einfach versuchen, wenn auch nur in kleinen Schritten, konstanter und besser zu spielen. Wir wollen mit dem neuen Trainer von Beginn an in die richtige Richtung gehen, jeden Tag besser werden und in der neuen Saison besser abschließen als in der letzten.

Sind die Playoffs wieder möglich oder ist der Schritt noch zu groß?
Sturm: Das ist schwierig zu sagen. Wir haben immer noch sehr viele gute Spieler im Team. Wenn diese ihr Potenzial abrufen, dann sind die Playoffs absolut möglich. Wenn nicht, dann geht es schnell nach hinten los. Wir werden versuchen, alles zu geben, um die Playoffs zu erreichen. Dafür brauchen wir alle, sowohl die älteren als auch die jüngeren Spieler.

Lesen Sie auf Seite zwei, welche Aufgaben Marco Sturm bei den Kings übernimmt und wie der Umgang mit den Superstars ist.

Marco Sturm über seine Aufgaben als Co-Trainer und den Umgang mit Superstars

Was sind bei den Kings Ihre Aufgaben als Co-Trainer?
Sturm: Letztes Jahr war ich ein bisschen mehr für die Defensive verantwortlich, was eigentlich nicht geplant war. Jetzt mit dem neuen Trainer ist klar, dass ich für die Stürmer und das Powerplay zuständig bin. Das ist genau das, wo ich mich wohlfühle und was mir am meisten Spaß macht, gerade das Powerplay. Alles, was mit offensivem Spiel zu tun hat, vom Bully über den Forecheck, ist ein bisschen mein Bereich.

Sie haben den Trainerwechsel schon angesprochen. Mit Todd McLellan kommt ein neuer Head Coach. Wie ist der bisherige Austausch?
Sturm: Ich war bis zum 1. Juli in den Staaten, da hatten wir mehrmals Kontakt und sehr viele Meetings. Ich bin total begeistert von ihm. Man merkt sofort, dass er schon längere Zeit in diesem Geschäft dabei ist. Er war in San José, kurz nachdem ich dort als Spieler gegangen bin. Dadurch sind wir schnell ins Gespräch gekommen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und glaube, dass ich enorm von ihm lernen und profitieren kann.

War die Umstellung für Sie schwierig vom Bundestrainer zum Co-Trainer?
Sturm: Nein, das war nicht schlimm. In einem Trainerteam in der NHL zu arbeiten, war neu für mich. Deshalb habe ich versucht, erst einmal meinen Job bestmöglich zu machen. Ich bin reingeworfen worden und musste noch viel lernen. Bei vier Spielen pro Woche war sehr viel los, da gab es viel Arbeit und wenig Schlaf. Deshalb ist der Co-Trainerposten für mich zum Einstieg genau das Richtige.

Wie sieht es mit Ambitionen aus, auch einmal als Cheftrainer in der NHL zu arbeiten?
Sturm: Dafür gibt es keinen Zeitraum oder eine Deadline, vielleicht passiert es auch gar nicht. Ich habe jetzt einen Trainer, unter dem ich sehen kann, woran ich noch arbeiten muss, um ein Head Coach zu sein. Deshalb freue ich mich einfach, von ihm zu lernen. Die NHL ist noch einmal eine andere Liga. Wenn man im Fußball erst Bundesliga und dann auf einmal Champions League spielt, dann ist es einfach etwas anderes. Deshalb werde ich auch eine gewisse Zeit brauchen.

In welchen Punkten haben Sie sich in den Monaten als Co-Trainer schon weiterentwickelt?
Sturm: Pro Woche wird viermal gespielt und jede Mannschaft ist taktisch ein bisschen anders aufgestellt. Das heißt, man muss sich schnell neu finden, neu analysieren und vorbereiten. Auch im taktischen Bereich habe ich gelernt, schnell Dinge umzustellen, nicht nur nach, sondern auch während eines Spiels. Wenn man so viele Spiele und Gegner hat, muss man einfach flexibel sein. Ebenfalls neu war für mich, mit Superstars umzugehen. Ich denke, das unterschätzen wahrscheinlich viele.

Was macht den Umgang mit Superstars denn so speziell?
Sturm: Man muss erkennen, wie der Spieler tickt. Sie sind keine normalen Spieler. Die Superstars braucht der Trainer, die Mannschaft und die gesamte Organisation. Deshalb ist es sehr wichtig, den Kontakt so gut wie möglich zu halten. Wenn das nicht passiert, bekommt man vielleicht nicht alles aus ihnen heraus, was man sich wünscht. Wenn es im Sport gut läuft, dann braucht man sich keine großen Sorgen zu machen. Aber wenn man viele Niederlagen hat, dann gibt es Unzufriedenheit. Dann ist es umso wichtiger, eine gute Verbindung zu den Top-Spielern aufrecht zu erhalten.

Hilft es Ihnen dabei, dass Ihre Spielerkarriere noch nicht so lange zurückliegt und Sie sich noch besser in die Denkweise der Spieler hineinversetzen können?
Sturm: Ich finde schon. Das hilft mir in verschiedenen Bereichen. Es gab Situationen, in denen ich die Entscheidungen so gefällt habe, weil ich wie ein Spieler dachte. Ich habe ja selbst in Los Angeles und mit einigen Spielern noch zusammengespielt. Das hat mir schon geholfen.

Lesen Sie auf Seite drei, was Marco Sturm über die Entwicklung des deutschen Eishockeys denkt und welchen Spielern er den Sprung in die NHL zutraut.

Marco Sturm über seinen Nachfolger Toni Söderholm und seinen Wunsch fürs deutsche Eishockey

Wie haben Sie in Ihrer neuen Funktion das deutsche Eishockey verfolgt?
Sturm: Eigentlich weniger. Ich war viel unterwegs und es war stressig. Erst bei der WM hatte ich mehr Zeit, mich zu informieren und mich mit Freunden und der Familie darüber zu unterhalten. Ich bin froh, dass Deutschland eine tolle WM gespielt hat und es für Toni Söderholm ein guter Start war. Ich weiß selbst, wie wichtig ein guter Start ist. Ich bin auch glücklich, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, weitergegangen wird. Mir hat die Zeit bei der Nationalmannschaft sehr viel Spaß gemacht und sobald meine Spieler und mein Staff Erfolg haben, macht mich das glücklich.

Gab es einen Austausch mit Ihrem Nachfolger Toni Söderholm?
Sturm: Wir haben ein paar Mal vor der WM telefoniert und letzte Woche haben wir uns im Büro in München getroffen. Toni war ja schon gemeinsam mit mir bei der U20-WM, dadurch kannte ich ihn schon. Es ist immer wieder ein kleiner Austausch da, aber letztendlich trifft er jetzt die Entscheidungen und er macht das gut.

Waren Sie zufrieden mit der Auswahl Ihres Nachfolgers?
Sturm: Es war sicherlich riskant. Ich kenne nicht alle Kandidaten, aber das war sicher auch eine Entscheidung für die Zukunft. Toni ist noch jung und hat noch einiges vor. Man will auch wieder mehr junge Spieler einbinden und da ist er genau der Richtige.

Wenn Sie auf die etwas über drei Jahre zurückblicken, in denen Sie Bundestrainer waren. Was ist aus dieser Zeit hängengeblieben?
Sturm: Sehr viel. Man spricht immer über Olympia und die Silbermedaille. Aber hängen bleibt vor allem die schöne Zeit, die wir zusammen hatten. Zusammen ist ein Wort, das nicht nur für mich wichtig war, man hat es bei jeder Maßnahme gefühlt. Wir waren eine Einheit, da hat alles gepasst. Dank meiner Spieler, meines Staffs und des großen Zusammenhalts hat jede Maßnahme und jedes Turnier einfach Spaß gemacht. Deswegen kam auch der Erfolg.

Sie waren immer jemand, der auch mal den Finger in die Wunde gelegt hat im Bezug auf die Nachwuchsförderung. Was hat sich in diesem Punkt in den letzten Jahren verbessert und wo muss Ihrer Meinung nach noch angesetzt werden?
Sturm: Ich kann vor allem sagen, was sich im DEB verändert hat. Mit dem "Powerplay26" und dem Fünf-Sterne-Konzept hat sich schon vor längerer Zeit einiges bewegt. Man merkt auch die Fortschritte im Juniorenbereich und in der Nationalmannschaft. Wir haben da etwas aufgebaut und die U20 und die U18 sind im Moment nicht umsonst wieder in der A-Gruppe. Das war jahrelange Arbeit. Das Problem war und ist der Sprung in den Profibereich. Da hat sich leider wenig verändert.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des deutschen Eishockeys?
Sturm: Das ist ziemlich klar: Dass einfach mehr Deutsche in der Deutschen Eishockey-Liga spielen. Ich denke, da ist enormes Potenzial vorhanden, dass mehr deutsche Spieler in der DEL und der DEL2 spielen. Es sollte generell unser Ziel sein, dass wir in Zukunft eine gute Liga und eine gute Nationalmannschaft haben, dass man sich nicht immer wieder kurzfristig Gedanken machen muss, wie es weitergeht. Andere Länder haben uns das vorgemacht. Andere Länder schlafen nicht und machen enorm Druck. Deshalb müssen wir dranbleiben, dass wir auch in Zukunft viel Freude haben.

Gibt es deutsche Spieler, denen Sie in absehbarer Zeit den Sprung in die NHL zutrauen?
Sturm: Einem Spieler wie Nico Sturm traue ich in der kommenden Saison einiges zu, dass er den Sprung schafft. Mit Moritz Seider haben wir einen neuen hohen Draft-Pick, dem ich auch zutraue, dass er vielleicht schon nächstes Jahr in Detroit spielt. Für die Zukunft ist vielleicht Marc Michaelis einer der nächsten, der einen Vertrag in der NHL bekommen kann.

Was brauchen die Spieler, um den Sprung in die NHL zu schaffen?
Sturm: Moritz Seider hat in letzter Zeit alles ein bisschen vorgemacht. Er ist ein bodenständiger, angenehmer Junge, der sein Ziel immer vor sich hatte. Er hat sich durch harte Arbeit und vor allem Disziplin jedes Jahr gesteigert. In dem jugendlichen Alter passiert es oft, dass es Spieler ein bisschen schleifen lassen oder die Disziplin ein wenig verlieren. Die Spieler sollen einfach jeden Tag versuchen ihr Bestmögliches zu geben. Träume können wahr werden, das habe ich miterlebt, das hat auch Leon Draisaitl miterlebt. Wir haben alle mal klein angefangen mit großen Träumen. Aber durch harte Arbeit und Disziplin kann man doch einiges erreichen.

Wie sieht Ihr weiterer Sommer in diesem Jahr aus?
Sturm: Der ist sehr kurz. Wir werden noch den August in Deutschland verbringen, dann beginnt für meine Kinder die Schule wieder. Anfang September beginnt dann das Rookie-Camp, Mitte des Monats geht es mit dem Trainings-Camp los und Anfang Oktober stehen die ersten Saisonspiele an.