Präsident des FC Bayern
Die Wut auf Uli Hoeneß und ihre Folgen
3. Dezember 2018, 6:10 Uhr aktualisiert am 3. Dezember 2018, 9:58 Uhr
Der Präsident ist bei den Fans umstritten. "Der FC Bayern ist keine One-Man-Show".
München - Uli Hoeneß blickte gedankenversonnen drein, sein Blick verriet eine gewisse Leere, eine Portion Ratlosigkeit und eine noch größere Portion Verständnislosigkeit. Er, Uli Hoeneß, das Gesicht des FC Bayern seit fast 40 Jahren, erster Anwalt, Fan und Taktgeber des Vereins, war auf der Jahreshauptversammlung am Freitagabend ausgepfiffen worden, musste Buh-Rufe und Gelächter über sich ergehen lassen (Hier der Ticker der Bayern-JHV zum Nachlesen). Als der Präsident gefragt wurde, ob ihn die harte Kritik der Mitglieder treffe, antwortete Hoeneß mit Betroffenheit und Fassungslosigkeit über das, was ihm widerfahren war, nämlich Widerstand seiner sonst bedingungslos Untergebenen: "Das trifft mich sehr." Kurze Pause. "Sehr."
Seine Gefolgschaft folgt Hoeneß nicht mehr blind, seine Machtbasis erfährt erste Risse. Die Bayern-Familie ist im Fall ihres obersten Vertreters gespalten. Das Uliversum wankt. Auf die Mitglieder, die Fans, - die Basis also - konnte er sich stets verlassen. Steuerhinterziehung, Gefängnis hin oder her. Als er 2016 reumütig zur Wiederwahl nach der Haftentlassung antrat, glich der Abend im Audi-Dome einer Krönungszeremonie. Schwamm drüber. Alle waren mia san Uli. Gegen den Rest der Welt da draußen, außerhalb des FC Bayern. (Lesen Sie auch: Arjen Robben verkündet Abschied)
Der Macher machte, kämpfte, schimpfte
Andererseits hat genau dies Hoeneß groß gemacht. Mia san anders, eben mia. Der Macher machte, kämpfte, schimpfte - zum Wohle und als Diener seines Vereins. Eine Lebensaufgabe, eine Mission. Vor dem Gefängnisaufenthalt rief er aus: "Das war's noch nicht!" Nach Ende der Zeit in der JVA Landsberg warf er die angekündigte Demut rasch über den Haufen, dabei blieb sein oft so feines Gespür auf der Strecke. Die Attacken gegen Mesut Özil und Juan Bernat, der aktuelle Streit mit Ex-Busenfreund Paul Breitner, all das Schimpfen und Nachtreten nehmen Teile der Mitglieder nicht mehr belustigt-jubelnd zur Kenntnis.
Im Video: Hoeneß - "Nicht mehr mein FC Bayern"
Einer der Kritiker fasste sich am Freitagabend bei den Wortmeldungen, die auf die Rede der Bosse folgen, ein Herz: Johannes Bachmayr. Er begann seine Abrechnung mit: "Früher wollte ich werden wie Uli Hoeneß, der große Manager. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher." Applaus der verdutzten Mitglieder für den mutigen Mann in der schwarzen Lederjacke. Bachmayr fuhr an Hoeneß gerichtet fort: "Mein Verständnis vom Verein ist: Ein Ehrenspielführer ist nicht zu verbannen. Es ist nicht Ihr Stadion, der Verein ist nicht Ihr Eigentum. Paul Breitner hat ausgesprochen, was viele dachten und das muss man dann auch mal aushalten. Ich sage Meinungsfreiheit Artikel fünf Grundgesetz." Der Applaus wurde lauter, trotziger. Die Stimmung kippte.
Bachmayr kritisierte - dies allerdings zu persönlich, weil polemisch - die Ernennung von Hasan Salihamidzic zum Sportdirektor und von Niko Kovac zum Trainer, das Sponsoring durch Katar, warf Hoeneß Vetternwirtschaft vor, fragte in die Runde "Sind wir ein populistischer Stammtischverein oder ein Weltverein mit Herz?" und schloss den bemerkenswerten Vortrag mit den Worten: "Der FC Bayern ist keine One-Man-Show." Großer Applaus.
Hoeneß schießt ein Eigentor
Hoeneß, stummer, brodelnder Zuhörer, beging nun einen Fehler. Die Wut tötete sein Feingefühl. Statt die Halle, die 1682 Mitglieder, mit erklärenden Worten zurückzugewinnen, sagte er von oben herab: "Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben. Und dabei will ich es belassen. Da waren so viele Unwahrheiten drin, das würde drei Stunden dauern, das zu diskutieren. Ich nehme eine Diskussion auf dem Niveau nicht an." Buh-Rufe, Pfui-Rufe, einer blökte: "Und du willst Präsident sein?" Rasch ging Hoeneß zum nächsten Wortbeitrag über. Ein Eigentor.
Später erklärte sich Hoeneß die plötzlich eskalierte Anti-Hoeneß-Stimmung, die er "Grundunzufriedenheit" nannte, damit, dass "Bayern nicht Tabellenführer" sei. So einfach ist das? Im November 2019, auf der nächsten Mitgliederversammlung, steht seine Wiederwahl an. Es wird sich zeigen, ob die dann sportlich aktuelle Situation wahlentscheidend wird - oder ob es tatsächlich um einen geht: Um Hoeneß selbst.
Lesen Sie hier den AZ-Kommentar FC Bayern: Ein verlorenes Jahr