Menschenrechts-Expertin im Interview
FC Bayern im Trainingslager: "Es hat sich einiges bewegt in Katar"
4. Januar 2019, 11:48 Uhr aktualisiert am 4. Januar 2019, 15:17 Uhr
Der FC Bayern bricht am Freitag zu seinem umstrittenen Trainingslager in Katar auf. Die AZ hat mit der Menschenrechts-Expertin Sylvia Schenk über die Situation im Wüstenstaat gesprochen.
München - Während in München bei Temperaturen um den Gefrierpunkt gezittert wird, bereitet sich der FC Bayern in deutlich wärmeren Gefilden auf die Aufgaben in der Rückrunde vor. Auch in diesem Jahr geht es in der Wintervorbereitung nach Katar - aufgrund der Menschenrechtssituation eine umstrittene Reise.
Die AZ hat sich mit Sylvia Schenk über die Situation der Gastarbeiter im WM-Land von 2022 unterhalten. Die Juristin und ehemalige Leichtathletin arbeitet für die Anwaltskanzlei Herbert Smith Freehills und beschäftigt sich u.a. mit dem Thema Menschenrechte.
AZ: Frau Schenk, an diesem Freitag bricht der FC Bayern mal wieder ins Trainingslager nach Katar auf. Wie hat sich die Menschenrechtssituation im Land des WM-Gastgebers von 2022 entwickelt?
SYLVIA SCHENK: Bei den Arbeiterrechten hat sich einiges getan. Stück für Stück werden die Dinge verbessert - nicht nur auf den Stadion-Baustellen. Seit einem Jahr läuft der Prozess mit der International Labour Organization (ILO). Wir waren mit unserem Menschenrechtsbeirat im Oktober in Katar, haben dort mit der ILO gesprochen. Das läuft alles nach Plan, Gesetzesänderungen sind schon getroffen worden. Ich habe mich auch mit Gewerkschaftern unterhalten: Die sind alle total positiv gestimmt.
Schenk: Katar befindet sich in einem spannenden Prozess
Was hat sich für die Gastarbeiter in Katar verbessert?
Das Kafala-System (Bürgschaftssystem, das den Arbeitnehmer abhängig macht vom Arbeitgeber, d. Red.) ist weitgehend abgeschafft. Die Pässe der Arbeiter dürfen nicht mehr einbehalten werden, so dass sie das Land leichter verlassen können. Das Organisationskomitee übernimmt zudem die Recruiting-Gebühren für die Arbeiter. Die Sicherheitsstandards sind auf hohem Niveau, Unterbringung und medizinische Versorgung deutlich verbessert und auf den WM-Baustellen gibt es jetzt auch Arbeiterbeiräte. Das Problem ist teilweise, dass das Komitee die Arbeiter zunächst ausbilden muss. Die kennen eine solche Interessenvertretung nicht aus ihren Heimatländern. Da findet ein spannender Prozess statt, nicht alles lässt sich von heute auf morgen umsetzen.
Welche Probleme sehen Sie noch in Katar?
Der Umgang mit Homosexuellen ist ein Problem. Katar ist eine konservative Gesellschaft mit Strafgesetzen gegen Homosexuelle. Die werden zwar nur noch eingeschränkt angewandt, aber das reicht nicht. Es hat sich eine Menge bewegt in den vergangenen Jahren, die WM-Baustellen werden sogar von Gewerkschaftern gelobt. Zur Frage der Belastung durch Hitze läuft eine Studie, da muss sich dringend was tun. Ohne die WM-Vergabe nach Katar wären viele Prozesse nicht so schnell in Gang gesetzt worden.
Inwiefern nutzt der FC Bayern seine Popularität, um auf Missstände hinzuweisen?
Ich weiß, dass der FC Bayern in Katar einiges gemacht hat. Die Frauenmannschaft absolviert inzwischen ihr Trainingslager in Katar, das war ein wichtiges Signal - für den Frauenfußball und für die Frauen in der Golfregion insgesamt. Insofern ist ein Bemühen zu erkennen. Ich erwarte aber schon, dass in direkten Gesprächen mit Regierungsverantwortlichen und Sponsoren sehr deutlich gesagt wird, was die Erwartungen des FC Bayern sind an ein Land, das die Weltmeisterschaft austrägt.
Schenk: Fußball-Klubs haben eine besondere Verpflichtung
Hat der FC Bayern in diesem Punkt Nachholbedarf?
Im Detail habe ich nicht gehört, dass sich der FC Bayern in Gesprächen positioniert hat. Was öffentlich zu hören war, war eher ein Drüberhinwegwischen - das reicht natürlich nicht. Besser wäre es, Bayern würde offensiver auftreten. Man muss seine Gastgeber und Sponsoren nicht ständig vor den Kopf stoßen und dreimal am Tag sagen, was alles schlecht läuft. Aber man kann das auf diplomatischen Weg machen, damit die eigene Haltung deutlich wird.
Machen sich denn andere deutsche Firmen in Katar für Menschenrechte stark?
Aus Sicht der Fifa und auch aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn sich mehrere Firmen zusammentun würden, um etwas zu bewegen. Es ist sicher richtig, dass sich alle Unternehmen entsprechend positionieren und ein Menschenrechtskonzept erarbeiten sollten. Da sind auch deutsche Firmen relativ zurückhaltend.
Hat der Fußball eine besondere Verpflichtung, auf Missstände hinzuweisen?
Ja. Der Fußball lebt im Wesentlichen davon, dass er so populär ist. Da kommt das Geld her. Deshalb stehen die Klubs mehr im Fokus und müssen aufpassen, sich nicht für das Verschleiern von Rechtsverletzungen missbrauchen zu lassen. Auch Bayern hat die Verpflichtung, sich an dem hohen Anspruch, wonach Fußball positive Wirkungen für die Gesellschaft hat, messen zu lassen.
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