Cybertraining, Mentalität & Co.
Kult-Physio Klaus Eder: "Topniveau? Das dauert zwei, drei Wochen"
8. April 2020, 9:48 Uhr aktualisiert am 8. April 2020, 9:48 Uhr
Kult-Physio Klaus Eder spricht in der AZ über das perfekte Heimtraining, was nun wichtig ist, um voll fit zu werden - und was Manuel Neuer auszeichnet: "Er kann auch mit 40 noch im Tor stehen."
Der Kult-Physiotherapeut Klaus Eder aus Donaustauf betreute von 1988 bis 2018 die Spieler der DFB-Elf.
AZ: Herr Eder, wie sehr wirkt sich die Coronavirus-Pandemie aktuell auch für Sie ganz persönlich aus?
KLAUS EDER: In unserer "Eden Reha"-Klinik haben wir alles zurückgefahren und ich lasse meinen Mitarbeitern den Vortritt. Ich bin 67 und habe eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung - ein Relikt meiner jahrelangen Raucherei. Deshalb hat mich mein Lungenarzt davor gewarnt, mich zu sehr in der Öffentlichkeit blicken zu lassen. Und schon gar nicht direkt am Patienten zu behandeln. Auch in der Familie halten wir von den Enkelkindern Abstand. Auch wenn ich mich eigentlich topfit fühle, jeden Tag mit unserem Hund rausgehe, Nordic Walking mache. Ich halte mich zu Hause fit.
Klaus Eder über Cybertraining beim FC Bayern
Genau das mussten die Fußballprofis gerade tun. Beim FC Bayern, der nun auch wieder dosiert in Kleingruppen draußen trainiert, in Form von Cybertraining. Was halten Sie davon?
Das Schlimmste, was den Spielern passieren könnte, wäre ein Kaltstart, wenn sie dann wieder von Null auf Hundert hochfahren müssten. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Profis zu Hause gymnastizieren, sich beweglich halten, koordinative Aufgaben erfüllen.
Ist es überhaupt möglich, seine Form mit so einem Individual-training zu halten?
Da verliert man zwangsläufig etwas die Form. Jetzt geht es erst mal darum, nicht zu viel Energie zu verlieren. Man sollte auch das limbische System, das negative und positive Effekte an unser Gehirn weiterleitet, nicht unterschätzen. Deshalb ist auch das Gemeinschaftsgefühl beim Cybertraining wichtig, wo man ja trotzdem gemeinsam Sport treibt.
Wie lange können die Profis eigentlich ohne fußballspezifisches Training überbrücken?
Um das Zusammenspiel von Muskeln und Nerven ins Gehirn und die Reflexlaufzeiten aufrecht zu erhalten, sind koordinativen Übungen wichtig. Übrigens auch, um möglichen Verletzungen vorzubeugen. Dafür kann man auch zu Hause über die Springleiter laufen oder mit dem Ball jonglieren.
Sportpsychologen haben eine entscheidende Bedeutung
Wie lange braucht der Körper eines Profifußballers, um wieder hochzufahren?
Der FC Bayern und die meisten anderen Mannschaften haben ja nun wieder mit dem Training begonnen. Um komplett hochzufahren, wieder auf Topniveau zu sein, benötigt man aber sicher zwei, drei Wochen. Das ist individuell sehr unterschiedlich. Die Profis sollten jetzt darauf achten, sich eine möglichst stressfreie Umgebung zu schaffen, sich gut zu ernähren, professionell zu verhalten. Dazu gehören auch ausreichend Schlaf und frische Luft. Die Situation bereitet jedem zumindest einen gewissen Stress. Deshalb kommt auch den Sportpsychologen eine entscheidende Bedeutung zu.
Ex-Profi Bastian Schweinsteiger machte kürzlich beim Cybertraining der Bayern mit und sorgte für Unterhaltung.
So kenne ich ihn. Ich hatte ja die Ehre, ihn jahrelang in seiner Karriere bei der Nationalmannschaft begleiten zu dürfen. Neben seiner nach außen hin legeren Art ist er trotzdem ein Vollprofi gewesen und hat alles daran gesetzt, seinen Körper möglichst optimal fitzuhalten. Dafür war ihm nichts zu viel - oder zu schwer.
Wie haben Sie die Entwicklung von Manuel Neuer verfolgt, der nach mehreren Mittelfußbrüchen nun wieder ganz der Alte ist?
Es freut mich unheimlich, dass sich Manuel Neuer wieder so zurückgekämpft hat. Nichts anderes habe ich aber von ihm erwartet. Er hat einfach die mentale und charakterliche Stärke, um so etwas durchzustehen - und hatte die optimale Betreuung. Deshalb war mir klar, dass er seine alte Form wieder erreichen wird.
Klaus Eder über Manuel Neuer
Wie lange kann er die noch halten? Er ist jetzt 34.
Neuer erinnert mich ein bisschen an Sepp Maier. Als Walter Junghans damals zum FC Bayern kam, hat der Sepp gesagt: "Solange ich hier und fit bin, wird aus dem Junghans, der Althans." (lacht) Daran muss ich immer denken, wenn es darum geht, wer Neuer mal ablösen könnte. Hätte Sepp Maier diesen schweren Unfall nicht gehabt, hätte er uns bestimmt noch einige Jahre mit seinen Taten und Späßen beglückt.
Trauen Sie das Neuer ebenfalls zu? Er würde seinen Vertrag gerne bis 2025 verlängern.
Wenn er von massiven Verletzungen verschont bleibt, auf jeden Fall. Er hat ja nach wie vor die Reaktionen und das Auge, ist einfach ein perfekter Torhüter. Physisch würde er es locker schaffen, auch mit 40 noch im Tor zu stehen.
Was sind die schönsten Erinnerungen an Ihre 30 Jahre beim DFB?
Die "Italia Novanta" 1990 war eines der Highlights. Alleine schon die Konstellation mit Sepp Maier und Franz Beckenbauer. Ich war damals noch ganz jung, 1988 zum DFB gekommen. Und auch 2014. Dass wir in Brasilien Weltmeister geworden sind, war natürlich das Tüpfelchen auf dem i. Aber unser Campo Bahia, das war ein Traum. Es wollte ja gar keiner mehr nach Hause fahren.
Mit Ihrem Karriere-Abschluss bei der WM 2018 klappte es leider nicht.
2018 war ein Seuchenjahr für mich. Erst habe ich mir beim Skifahren eine Beckenring-Fraktur zugezogen. Dann musste ich vor der WM an der Wirbelsäule operiert werden. Nur in Alibi-Funktion mitfahren, wollte ich nicht. Es hat mir dann schon gereicht, von zu Hause mitzuleiden, so wie das Ganze gelaufen ist. Mit 67 muss man nicht mehr auf dem Platz rumhoppeln. Das sollen jetzt die Jungen machen. Der Gesundheit ist alles andere unterzuordnen. Genauso wie nun, wo es erst mal darum geht, dass wir diese Krise gesund überstehen.
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