Kühnen im AZ-Interview
"Boris Becker ist ein wichtiger Mann für Alexander Zverev"
21. Januar 2020, 6:00 Uhr aktualisiert am 21. Januar 2020, 6:00 Uhr
Patrik Kühnen spricht im AZ-Interview über sein Lieblingsturnier, die Australian Open, die beiden deutschen Sorgenkinder Alexander Zverev und Angelique Kerber - und seinen Kumpel Becker.
Der ehemalige Tennis-Profi Patrik Kühnen arbeitet heute als TV-Experte und Turnierdirektor bei den BMW Open in München. Im AZ-Interview spricht er über seine Erinnerungen an die Australian Open, die Entwicklung des kriselnden Alexander Zverev und Deutschlands Tennis-Ass Angelique Kerber.
AZ: Herr Kühnen, Australian Open: Bei keinem anderen Grand Slam waren Sie als Spieler öfter dabei: acht Mal, von 1987-94, hatten Matches gegen Legenden wie John McEnroe und Stefan Edberg, spielten Doppel mit Michael Stich, Charly Steeb und Boris Becker. Erzählen Sie doch mal!
PATRIK KÜHNEN: Mein absolutes Lieblingsturnier! Das hieß damals noch Flinders Park, nicht Rod Laver Arena. 1989 habe ich in der dritten Runde auf dem Center Court gegen McEnroe gespielt, mein Idol. Ich kann mich noch genau an meinen ersten Aufschlag erinnern: mit 200 Sachen durch die Mitte! Er retourniert irgendwie, rennt ans Netz, ich spiele Passierball, er Volleystopp - und ich bin gefühlt zwölf Meter vom Ball weg. Wahnsinn, wie im Fernsehen! Es hat einen Satz lang gedauert, bis ich im Match angekommen bin. Das war mein Kindheitstraum damals, der Auslöser, warum ich Tennis-Profi geworden bin. Diese Turnierserie im Januar mit Adelaide, Sydney, Melbourne, das war meine Lieblingsreise. Australian summer: überragend!
Derzeit sieht es anders aus: verheerende Buschbrände, die sich auf das größte Turnier des Kontinents auswirken.
Ich war mit Sky ja beim ATP-Cup in Perth, Brisbane und Sydney: Solche Brände hat es noch nie gegeben. Aber ich glaube, dass die Turnierverantwortlichen alles tun, um die Spieler zu schützen. Deren Gesundheit muss an erster Stelle stehen.
Kühnen: "Wenn du gut aufschlägst, gibt das Selbstvertrauen"
Dabei ist das Turnier ja auch ohne Buschbrände eine physische Gratwanderung bei Temperaturen von bis zu 40 Grad.
In Melbourne muss man das relativieren. Das ist die Stadt der vier Jahreszeiten. An einem Tag kann die Temperatur um 15 Grad fallen. Aber klar: Als Spieler muss man in diesen extremen Temperaturen bestehen. Ivan Lendl hat immer diese beduinenähnliche Kappe als Sonnenschutz getragen.
Lendls ehemaliger Schützling und das Zugpferd der BMW Open, bei denen Sie Turnierdirektor sind, heißt Alexander Zverev. Wie beurteilen Sie seine Entwicklung?
Ich habe seine Matches beim ATP Cup verfolgt. Das zentrale Thema dort war die Unsicherheit beim Aufschlag. Das ist der Kern seines Spiels. Wenn du gut aufschlägst, gibt das Selbstvertrauen für das übrige Spiel. Im ersten Match beim ATP Cup gegen Alex de Minaur stand es 4:0 - dann kamen ein paar Doppelfehler dazu, den ersten Satz gewann Sascha gerade noch so, aber dann wurde es ein anderes Spiel.
Der Aufschlag war in der letzten Saison ja auch schon mal Thema...
...das er aber in den Griff bekommen hat! Beim Laver Cup hat er das letzte, entscheidende Match gespielt - und gewonnen. Richtig fand ich aber seine Reaktion nach dem ATP Cup: keine Turniere spielen, sondern nochmal richtig trainieren, konzentriert an diesen Dingen arbeiten!
Kühnen: Becker "ist in der Weltspitze der Coaches"
Was trauen Sie ihm in Melbourne zu?
Seine Auslosung ist vielversprechend. Erste Runde Marco Cecchinato: eine lösbare Aufgabe, auch wenn der bei den French Open schon mal Halbfinale gespielt hat. Das sind alles harte Matches, da gibt es keine Selbstläufer. Dann womöglich Casper Ruud in Runde zwei, danach David Goffin oder Andrei Rublew. Ich bin nach wie vor zuversichtlich. Wir reden ja trotzdem über die Nummer sieben der Welt, der seit einigen Jahren in den Top Ten steht. Die Erwartungshaltung ist ein bisschen gedämpft, was auch zuträglich sein kann, weil man dann freier aufspielt. Das Potenzial ist ja da. Als Spieler musst du halt ein paar Mal hören: "Game, Set and Match". Dann spielt es sich leichter. Schwierige Phasen sind im Leistungssport normal - die Frage ist: Wie geht man damit um? Da ist Boris Becker ein wichtiger Mann für ihn.
Das ewige Boris-Sascha-Ding: Wird Becker denn nun Zverevs Coach?
Das müssen die beiden entscheiden. Boris hat gesagt: Für ihn ist das kein Thema. Boris ist ein super Coach. Spätestens bei den sechs Grand-Slam-Titeln bei der Zusammenarbeit mit Novak Djokovic hat er gezeigt, wie viel Einfluss er hatte. Er ist in der absoluten Weltspitze der Coaches. Ob das mit Zverev was werden kann? Muss man abwarten.
Was braucht Zverev denn? Eine Loslösung vom Vater, wie Dominic Thiem vom Über-Vater Günter Bresnik?
Als Spieler lautet die erste Frage: Wo will ich hin? Und die zweite: Was bin ich bereit, dafür zu tun? Das kann nur er selbst entscheiden. Das kann ihm keiner abnehmen. Aus schwierigen Situationen kann man ja auch etwas finden, was einen weiterbringt.
Patrik Kühnen: Die Auszeit tut Angelique Kerber gut
Aus der Weltspitze rausgepurzelt ist die Australian-Open-Siegerin von 2016: Angelique Kerber, derzeit Nummer 18 der Weltrangliste. Wie sehen Sie ihre Entwicklung?
Sie hat sich eine längere Auszeit genommen. Mit Dieter Kindlmann hat sie jetzt einen erfahrenen Coach, der lange mit Maria Scharapowa gearbeitet hat. Sie hat es als dreifache Grand-Slam-Siegerin ja mehrfach bewiesen: Wenn sie hungrig ist, dann hat sie dank ihrer Athletik und ihren Kampfgeist immer die Chance vorne mitzuspielen, auch jetzt in Melbourne.
Wobei ihre Downs zuletzt krasser waren als ihre Ups.
Das war wahrscheinlich der Grund, warum sie eine Auszeit genommen hat. Das ist schon sinnvoll, mal ganz rauszugehen, neu anzufangen, neu aufzubauen, neuer Coach, neue Ziele definieren - und dann neu angreifen! Federer hat 2016 nach Wimbledon sechs Monate lang kein Turnier mehr gespielt - und hat dann in Melbourne die Australian Open gewonnen!
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