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Georg Eisenhut im AZ-Interview: "Was Linus fehlt? Das Hundertstel-Glück"
10. Februar 2023, 18:38 Uhr aktualisiert am 10. Februar 2023, 18:38 Uhr
AZ-Interview mit Georg Eisenhut: Der langjährige Sportwart des TSV 1860 ist der Vater von Ski-Ass Linus Straßer.
AZ: Herr Eisenhut, nachträglich noch herzlichen Glückwunsch zum nächsten Enkelkind! Bei Nummer wie viel stehen Sie derzeit?
GEORG EISENHUT: Bei fünf. Im August kam Nummer drei, im November Nummer vier und kurz vor Weihnachten mit Linus' Marta die Nummer fünf.
Da haben Sie auf der Piste ja bald einen richtigen Zwergerl-Skikurs beisammen!
Klar, mit der Sechsjährigen sind wir natürlich beim Skifahren, und die Zweijährige hat auch gerade angefangen.
Wie erleben Sie den jungen Vater, Ihren Sohn Linus, derzeit?
Als ausgeglichen, zielbewusst, mit einer gewissen Ruhe.
Was macht den Rennläufer Straßer gerade aus? Vor gut einem Jahr scheint da irgendein Knoten geplatzt zu sein, oder?
Er hat jetzt neun Podestplätze im Weltcup erreicht, letztes und vorletztes Jahr war ein Sieg dabei. Er ist deutlich konstanter, fährt immer um den Sieg mit. Mittlerweile ist es auch ganz egal, wo das ist. Zum Beispiel das Rennen in Chamonix: So etwas nimmt er mittlerweile an und macht das wirklich gut. Vor dem Rennen in Garmisch-Partenkirchen hatte er eine starke Angina, ist mit Antibiotika gefahren, die er zum Rennen abgesetzt hat. Dann kam das wieder, und er musste in Adelboden mit Antibiotika das Rennen fahren - das hat man schon gemerkt.
Ist das eine Frage der Reife, dass es ihm nun immer öfter aufgeht? Braucht man einfach diese Zeit und all diese Erfahrungen, die man als Skirennläufer eben sammeln muss?
Ob man das braucht, weiß ich nicht. Wenn ich mir die Norweger anschaue: Die brauchen das nicht. Die haben irgendwo eine "Fabrik", wo sie junge Athleten produzieren. Diese Situation haben wir in Deutschland leider nicht. Und manchmal braucht es viele Jahre, um an die Weltspitze zu kommen. Das beste Beispiel ist Lena Dürr, die in diesem Winter ihren ersten Weltcup-Sieg geholt hat. Auch sie hat im Sommertraining in Südamerika einen Riesenschritt gemacht. Wenn man sie bei ihrem Sieg in Spindlermühle gesehen hat: vollkommen unaufgeregt! Beim Linus ist es das Gleiche.
Für einen Sieg hat es heuer noch nicht gereicht, aber immerhin schon zu zwei dritten, zwei vierten und einem sechsten Rang.
In Kitzbühel war er als Vierter zwei Hundertstel hinter dem Zweiten! Ein Daniel Yule (Sieger in Kitzbühel und Madonna di Campiglio, d. Red.) fährt nicht besonders spektakulär, aber leidenschaftlich und ist damit schnell. Auch ein Henrik Kristoffersen fährt an der Grenze - bei Linus war das ein souveränes Fahren. Er hätte auch mehr riskieren können.
Sie begleiten ihn seit seinem allerersten Rennen. Wie geht's Ihnen mittlerweile dabei?
Früher dachte ich bei jedem Rennen "Hoffentlich. . .!" - das ist vorbei. Mittlerweile ist er schon eine "Bank". Klar, in Garmisch (wo Straßer in Führung liegend ausschied, d. Red.) wollte er es wissen. Da hat er das Derby noch mal auf ein anderes Niveau gehoben, weil auch die Verhältnisse extrem schwierig waren. Ich war ja dort - das war schon cool, was er da gezeigt hat. Wenn er nicht krank gewesen wäre, wäre es womöglich anders ausgegangen. Aber lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin mehr denn je überzeugt von dem, was er so macht und wie er es macht.
Wie oft sind Sie bei den Rennen noch dabei?
Selten. In Kitzbühel hat er das ja im Interview beschrieben. Als er gefragt wurde, ob die Familie denn auch da sei, sagte er: ‚Keine Ahnung. Die sind alt genug und finden selber zum Hang.' Und so ist es ja auch.
Bei der WM in Courchevel sind Sie nicht vor Ort?
Nein. Courchevel ist zwar schön zum Skifahren, aber Linus braucht uns als Unterstützung nicht am Hang oder im Zielraum.
Fehlt Linus noch irgendetwas, um zum Stammgast auf dem Podium zu werden?
Fehlen tut nichts. Er hat eine sehr gute und langjährige Partnerschaft mit seinem Ausrüster Rossignol, worüber ich glücklich bin. Es ist schon extrem, was das Material können muss. Linus sagt das auch. Was ihm sonst fehlt? Ich würde sagen: das Hundertstel-Glück.
In dieser Saison fährt er neben dem Slalom auch wieder Riesenslalom - eine gute Idee?
Er ist ja auch in der Vergangenheit Riesenslalom gefahren, bei der WM 2017 in St. Moritz mit Platz zehn bester Deutscher gewesen, eine Sekunde hinter Marcel Hirscher. Nun steht er aktuell von den Riesenslalom-Punkten so da, dass er mit einer hohen Startnummer kommt und somit die Piste schon stark ramponiert ist. Bei der Deutschen Meisterschaft hat man gesehen: souveräne Laufbestzeit im zweiten Durchgang! Ich würde sagen, er fährt Riesenslalom so gut wie Slalom. Aber er konzentriert sich jetzt auf das Parallel-Event und den Slalom.
Noch mal zu Ihrer Rolle: Kann man sagen, dass Ihr Sohn immer mehr auf eigenen Füßen steht?
Absolut.
Er wohnt jetzt auch in Kirchberg, nicht mehr in München, wo er für den TSV 1860 startet.
In München ist er schon öfter, der DSV sitzt ja in Planegg. Aber sonst ist er eh ständig auf Reisen. In dieser Saison fährt er, glaube ich, sechs Mal in die Westalpen: Adelboden, Wengen, Chamonix, die WM in Courchevel, und Andorra kommt auch noch. Zu meiner Rolle kann ich nur sagen: Wenn es nach dem Ehrgeiz der Väter ginge, würde im Weltcup ein Riesen-Gedränge herrschen. Aber die müssen das schon selber machen. Ich bin mittlerweile ein extrem wohlwollender Zuschauer, unterhalte mich gern mit meinem Sohn, auch über andere Themen des Lebens. Wir hatten das Glück, dass wir ihn in einer absolut schönen Zeit begleiten konnten. Dass wir als Eltern unterstützen und mal die Enkel nehmen, ist doch klar. Familie ist ein großes Thema bei uns.
Schauen die Enkelkinder schon zu beim Rennen?
Ja, natürlich. Die kapieren auch: Wenn es grün ist, ist es gut, wenn es rot ist, nicht so gut.