Davis-Cup-Kapitän im Interview
Michael Kohlmann: "Zverev war aufgeräumt – und sehr positiv"
9. Februar 2020, 16:14 Uhr aktualisiert am 9. Februar 2020, 16:14 Uhr
Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann spricht in der AZ über die "außergewöhnliche" Vorstellung des Deutschen bei den Australian Open, die Gründe für die Leistungsexplosion und das Turnier in München.
AZ-Interview mit Michael Kohlmann: Der ehemalige Tennis-Profi (36) ist seit Februar 2015 Kapitän der deutschen Davis-Cup-Mannschaft.
AZ: Herr Kohlmann, wenn Ende April am Aumeisterweg die BMW Open beginnen, wird auch Deutschlands Nummer 1 Alexander Zverev wieder dabei sein. Wie haben Sie ihn bei den Australian Open erlebt?
MICHAEL KOHLMANN: Wenn er sich bis zu den BMW Open nochmal so steigert, wie er das vom ATP-Cup bis zu den Australian Open getan hat, weiß ich nicht, wie viele Leute es gibt, die überhaupt ein Spiel gegen ihn machen. Das war schon außergewöhnlich, wie er das hinbekommen hat. Aber für diese Entwicklung gibt es Gründe.
Die da wären?
Vor dem ATP-Cup (bei dem Zverev jedes seiner drei Spiele verlor, d.Red.) hatte er gerade mal eine Woche lang den Tennisschläger in der Hand. In der Davis-Cup-Woche hatte er seine Schaukämpfe mit Roger Federer, danach erst mal Urlaub und eben nur eine Woche Tennis gespielt vor dem ersten Wettkampf. Vor Melbourne hat er die Zeit sehr gut genutzt, sehr hart trainiert.
Was sich bei den Australian Open prompt niederschlug.
In den ersten Runden war er noch ein bisschen wacklig, aber schon sehr solide, alles in drei Sätze gewonnen. Das hat er bei einem Grand Slam noch nie erlebt: Fast ohne Satzverlust bis ins Halbfinale zu kommen. Das zeigt, dass er noch viel Potenzial hat, das er in diesem Jahr hoffentlich in vielen Turnieren zeigen wird, so auch hier in München, wo er ja schon zum siebten Mal aufschlägt. Der kommt nicht hierher, um nur mal kurz Hallo zu sagen - der will Titel gewinnen.
Wie gut ist das deutsche Männertennis?
Mit Philipp Kohlschreiber hat ein weiterer deutscher Spieler für die BMW Open zugesagt. Wie gut ist das deutsche Männertennis derzeit?
Wir haben momentan mit Zverev, Jan-Lennard Struff, Philipp Kohlschreiber und Dominik Koepfer nur vier Spieler in den Top 100. Als Verband kann man das nicht richtig beeinflussen. Man kann dafür sorgen, dass man eine sehr gute Breite hat. Es muss unser Ziel und unser Anspruch sein, zwischen acht und zehn Mann in den Top 100 zu haben. In den Jugendweltranglisten sind wir wieder besser aufgestellt. In Melbourne hatten wir erstmals wieder zwei Vertreter im Hauptfeld, in Paris bei den French Open werden es drei, vielleicht sogar vier sein. Das müssen wir sukzessive erweitern, und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die in den Top 100 stehen.
Was auch für den Davis Cup nicht ganz unwichtig wäre...
Da hat man gesehen, dass wir auch ohne Alexander Zverev ins Viertelfinale gekommen sind und dort unglücklich gegen Großbritannien verloren haben.
Wird Alexander Zverev bei der Qualifikation fürs Davis-Cup-Finale Anfang März in Düsseldorf gegen Weißrussland für den DTB aufschlagen?
Er spielt vorher in Acapulco, danach in Indian Wells - von daher sind die Grundvoraussetzungen nicht gerade optimal für uns. Es gibt weder eine hundertprozentige Ab- noch Zusage. Wir haben vereinbart, dass wir demnächst sprechen.
Aber es gibt keine generelle Davis-Cup-Absage von ihm wie im vergangenen Jahr?
Nein, wir haben in Melbourne viel gesprochen, und er betont immer, gerne für Deutschland spielen zu wollen.
Wie haben Sie ihn in Australien erlebt?
Aufgeräumt - und sehr positiv. Während des ATP-Cups war er ja ein bisschen verzweifelt und angeschlagen, er hat dann aber wirklich sehr hart gearbeitet. Und so ein Turnier wie in Melbourne gibt natürlich Selbstvertrauen, zumal das Match gegen Dominic Thiem ja auf Augenhöhe war. Das hätte er genauso gut gewinnen können. Aber für ihn waren die Australian Open ein Auftakt nach Maß. Das war wichtig für ihn, das Jahr so gut zu beginnen, auch im Hinblick auf die ganze Saison.