Überblick

Tuchel und Müller: Szenen einer Fußball-Ehe

Thomas Tuchel lobt Thomas Müller zwar stets in den höchsten Tönen, spielen lässt er den Ur-Bayern aber kaum. Ein Vorgeschmack auf die kommende Saison? Matthäus: "Sie müssen ein offenes Gespräch führen"


Von Patrick Strasser

Ob das Heimspiel des FC Bayern am kommenden Samstag gegen Abstiegskandidat Schalke 04 ein Thomas-Müller-Spiel wird?

Also - ein echtes?

30 Minuten gegen Hertha BSC, 27 beim SV Werder - in den letzten beiden Spielen kam der Ur-Bayer lediglich als Joker zum Zuge. Der Weg zurück in die Anfangself wird schwierig für Müller, da Trainer Thomas Tuchel entweder Serge Gnabry (zuletzt zwei Tore in zwei Spielen) oder den spielstarken Jamal Musiala aus dem Team nehmen müsste.

"Die breiten Seiten sind nicht sein Profil", erklärte Tuchel und schloss damit die rechte Außenbahn (meist Kingsley Coman) für Müller aus. "Es muss einfach harte Entscheidungen geben, die muss es gegen drei, vier, fünf Spieler geben - sonst werden wir unsere Ziele nicht erreichen", sagte der 49-Jährige.

Und jetzt? Nix mehr Müller oder was? Wie einst Bayern-Trainer Pep Guardiola ("Ich liebe XY") schwärmt Tuchel von einem Spieler, den er in vier seiner bislang neun Pflichtspiele auf die Bank setzte. Es klingt nach Szenen einer Fußball-Ehe, wenn Tuchel sagt: "Thomas kann immer starten, kann immer spielen für uns. Ich bin ein großer Fan von Thomas, er hat gut trainiert. Natürlich mag er das nicht. Ich weiß schon, was ich an ihm habe, es ist alles gut."

Sicherlich nicht für Müller, den Vize-Kapitän. Der wiederum schweigt - was für ihn höchst unüblich ist. "Es riecht schon nach Problemen, die zwischen Müller und Tuchel aufkommen", sagt Sky-Experte Lothar Matthäus und fügt hinzu: "Mit der Situation kann er nicht zufrieden sein. Es hat einen Beigeschmack, der mit Sicherheit nicht gut ist." Angesichts der wackligen Form sagte Matthäus: "Wenn doch einer Sicherheit zurückbringen kann, diese positive Energie, dann ist es doch Thomas Müller."

Müller ist Publikumsliebling, eine Ikone des Vereins, eine Identifikationsfigur, er holte 2013 und 2020 das Triple. Wie moderiert Tuchel, der am Samstag in Bremen genervt ("Ich habe Verständnis für die Frage, etwas weniger Verständnis für 100 Fragen am Spieltag") wirkte, nun die Personalie? In den nächsten Wochen, in denen es um die Meisterschaft geht, dürfte Müller zum Wohle der Mannschaft und im Sinne des letzten verbliebenen Saisonziels stillhalten. Aber was ist nächstes Jahr?

Müllers Vertrag läuft bis 2024, die Heim-EM 2024 könnte ein passendes Highlight zum Karriere-Ende werden. Doch auch ein Routinier wie Müller braucht Spielpraxis, Rhythmus und Rückendeckung.

Bei Bundestrainer Hansi Flick, der in Absprache in den März-Länderspielen auf Müller verzichtete, ist der Weltmeister von 2014 gesetzt. Aber dann ohne Form und Vertrauen in eine EM starten?

Tuchel bezieht Müller an der Seitenlinie oft mit ein, holt sich Rat und Bestätigung in taktischen Dingen. Für Müller ein Vorgriff auf seine Rolle in der kommenden Saison? Als Teilzeitprofi - und Co-Trainer? Matthäus bei Sky deutlich in Richtung Klubführung: "Sie müssen ein offenes Gespräch führen." Aber wer? Der infrage gestellte Oliver Kahn? Der ebenfalls kritisierte Hasan Salihamidzic? Am Ende muss es wieder Patron Uli Hoeneß richten.