Verkehr

Im Bahn-Tarifstreit stehen die Signale auf Eskalation

Nach einer kurzen ersten Runde steuert der Tarifstreit bei der Bahn auf eine Eskalation zu. Die Gewerkschaft EVG stellt Bedingungen, damit sie sich überhaupt wieder mit an den Verhandlungstisch setzt.


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Protestkundgebung vor der ersten Runde der Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft EVG und der Deutschen Bahn in Fulda.

Im Tarifstreit der Deutschen Bahn werden Warnstreiks nach einer ergebnislosen ersten Runde wahrscheinlicher. Personalvorstand Martin Seiler ging am Dienstag entgegen den Forderungen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ohne Angebot in die Verhandlungen für die rund 180.000 Beschäftigten des Konzerns in Fulda. Bereits nach zwei Stunden wurden die Gespräche daraufhin unterbrochen - und der Tonfall zwischen den Parteien verschärfte sich deutlich.

EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch machte im Anschluss klar, dass die Gewerkschaft nur bei einem Angebot des Arbeitgebers die Gespräche wieder aufnehmen wolle. "Wir möchten mit Substanz reden", sagte Loroch in einer Pressekonferenz. "Offensichtlich hat das Unternehmen überhaupt kein Interesse daran, einen Abschluss am Verhandlungstisch zu erzielen, sondern provoziert bewusst einen Arbeitskampf." EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay ergänzte: "Wir setzen uns in dem Moment hin, wo ein Angebot vorliegt."

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Bahn-Vorstand Martin Seiler erwartet eine «sehr komplexe Tarifverhandlungsrunde».

Bahn-Personalvorstand Seiler bezeichnete die Unterbrechung der Verhandlungen als "völlig unnötig". "Die EVG hat verlangt, dass wir ohne inhaltliche Erörterung ein Angebot vorlegen - und das ist aus unserer Sicht derzeit nicht möglich." Es liege ein "massives Paket" mit 57 Forderungen auf dem Tisch, "da müssen wir zunächst den Rahmen abstecken, priorisieren und dann in die Details einsteigen." Man sei irritiert, dass die EVG nicht bereit gewesen sei, über Inhalte zu sprechen, sondern "als Vorbedingung auf einem Angebot beharrte".

Die Gewerkschaft fordert in der Tarifrunde unter anderem mindestens 650 Euro monatlich mehr für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei den höheren Entgelten will die Gewerkschaft eigenen Angaben zufolge eine Steigerung um zwölf Prozent erreichen. Für die Nachwuchskräfte fordert die EVG 325 Euro mehr im Monat. Neben den reinen Lohnforderungen will die Gewerkschaft auch die Struktur der Tarifverträge überarbeiten. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Neben der Deutschen Bahn verhandelt die Gewerkschaft in den kommenden Wochen auch mit 50 weiteren Unternehmen der Branche und geht dabei jeweils mit den gleichen Forderungen in die Gespräche.

Ob und wann die Bahn nun ein Angebot vorlegt, verriet Seiler nicht. "Das will ich offen lassen, wann der richtige Zeitpunkt für ein Angebot gekommen ist", sagte der Personalvorstand.

Man verlange von der Bahn kein umfassendes Angebot, aber "wir müssen schon wissen, mit welcher Vorstellung der Arbeitgeber da reingeht", sagte dagegen Loroch. Ein für April geplanter Verhandlungstermin sei für die Gewerkschaft nun eine "Terminoption", sagte Ingenschay. "So gar nichts Schriftliches mitzubringen, halte ich für denkwürdig und für kulturell überholt", sagte Loroch.

Zum Verhandlungsbeginn hatten rund 150 Beschäftigte die Forderungen der Gewerkschaft bei einer Protestkundgebung vor dem Tagungshotel untermauert. Dabei hielten sie Schilder hoch mit Aufschriften wie "Keine Verzögerungstaktik, sofort verhandeln. Wir sind kampfbereit!" Zu den Teilnehmern der Kundgebung sagte Loroch, man werde bei den Gesprächen "die Wertschätzung und den Respekt in barer Münze" einfordern, die während Corona zugesagt worden seien.

Loroch warnte die Bahn auch davor, die Reisenden als "Spielball" gegen die Beschäftigten zu nutzen und diese schon jetzt in Warnstreiks hineinzutreiben. Zum Zeitplan bekräftigte der Gewerkschafter, dass nach den ersten Gesprächen mit den anderen 50 Unternehmen, die voraussichtlich bis Ende März dauern werden, erste Aktionen möglich seien. "Alle sollen die Chance bekommen haben, mit uns einmal zu sprechen, und dann werden wir in entsprechende Maßnahmen gehen oder auch nicht gehen", sagte Loroch.

DB-Vorstand Seiler wies die Darstellung der EVG zurück, dass die Bahn mit ihrer Verhandlungstaktik auf Warnstreiks zusteuere. Es stehe außer Frage, wer für die Eskalation die Verantwortung trage. Die Gesprächsatmosphäre beschrieb Seiler als gut und fair - nach der Vorstellung der jeweiligen Position war das Gespräch aber dann eben auch schnell wieder beendet.

Man erwarte von der EVG nun, dass bei den nächsten Gesprächen am 14. und 15. März "ernsthaft" in die Verhandlungen eingetreten werde, sagte Seiler. Die offizielle zweite Verhandlungsrunde steht nach EVG-Angaben im April an.

Bereits zuvor hatte Seiler die Erwartungen für die Tarifrunde gedämpft. "Diese Tarifverhandlungen finden in einer besonderen Situation statt", sagte der Personalvorstand. "Wir haben mitten in Europa einen verheerenden Krieg, wir sind in einer Nach-Corona-Phase, wir haben eine hohe Inflation und auch enorme Energiepreise." Zwar wolle das Unternehmen die Leistungen der Beschäftigten anerkennen. "Wir müssen aber auch die Zukunftsfähigkeit der Deutschen Bahn mit den großen Investitionen, nicht nur in Personal, sondern auch in Fahrzeuge, in Infrastruktur, im Blick behalten." Das Gesamtvolumen der Forderungen der EVG bezifferte Seiler am Dienstag auf 25 Prozent - das entspräche rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.