Wirtschaft
Zu wenig zum Leben
26. Januar 2023, 18:09 Uhr aktualisiert am 26. Januar 2023, 18:09 Uhr
Mehr als drei Viertel der Frauen und fast 43 Prozent aller Männer, die 2021 in Bayern in Rente gingen, erhalten eine gesetzliche Altersrente unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von derzeit 1236 Euro im Monat. Das ist Ergebnis des DGB-Rentenreports, dessen sechste Ausgabe gestern in München vorgelegt wurde.
Der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl forderte kurzfristig eine Stabilisierung des Rentenniveaus und mittelfristig ein Renten-Niveau von 50 Prozent des letzten Einkommens.
"Perspektivisch" sei auch ein Rentenniveau von 53 Prozent "nicht utopisch", so der DGB-Landeschef. Diese Höhe sei in Deutschland schon einmal erreicht worden. Das Nachbarland Österreich mache vor, wie es zu wesentlich höheren Renten kommen könne. Dort liege der Rentenbeitragssatz höher als in Deutschland und auch Beamte und Selbstständige zahlten in die Versicherung ein, sagte Stiedl. Das Ergebnis sei ein Rentenniveau von etwa 700 Euro über dem deutschen.
Der Gewerkschafter mahnte das ursprünglich schon für 2022 geplante Gesetzespaket der Ampel-Bundesregierung an, mit dem laut Koalitionsvertrag das Rentenniveau stabilisiert werden soll.
Eine Lebensarbeitszeitverlängerung wäre nach den Worten Stiedls nichts anderes als Rentenkürzung. Die Menschen unter Androhungen zur Arbeit zu zwingen, gefährde ihre Gesundheit. "Es ist kein Anreiz, sondern vielmehr eine Bestrafung für alle, die es nicht schaffen, länger zu arbeiten", so Stiedl. Die Gewerkschaften würden daher gegen jede Art der Arbeitszeitverlängerung "entschieden vorgehen".
Nach dem jüngsten Rentenreport waren von den 60-Jährigen in Bayern im Jahr 2021 noch 57,7 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bei den 65-Jährigen waren es nur noch 14,3 Prozent. Nach wie vor bestehen erhebliche Unterschiede bei der Rentenhöhe von Männern und Frauen. Männer erhielten 2021 durchschnittlich eine Altersrente in Höhe von 1264 Euro, Frauen lediglich 833 Euro.
Im Landkreis Eichstätt sind die Renten am höchsten
36,5 Prozent der Frauen und 20,9 Prozent der Männer müssen sogar mit weniger als 600 Euro Altersrente auskommen.
Die "Rentenlücke" zwischen Männern und Frauen ist mit 34 Prozent höher als die Verdienstlücke im Erwerbsleben, die bei 21 Prozent liegt. Erst, wenn es gelinge, die Arbeitszeit- und Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern zu schließen, werde dies auch die Rentenlücke mindern, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Verena Di Pasquale.
Der Rentenreport hat erhebliche regionale Unterschiede beim bayerischen Rentenniveau ergeben. So bezogen Männer im Landkreis Eichstätt mit durchschnittlich 1563 Euro die höchsten Renten, im Landkreis Berchtesgaden hingegen die niedrigsten (989 Euro).
Zur Bekämpfung der Altersarmut sei die Stärkung der Tarifbindung ein wichtiges Instrument, sagte Di Pasquale. Die Arbeitgeber müssten daher die Tarifflucht beenden. Auch die bayerische Staatsregierung könnte durch die Einführung eines Tariftreue- und Vergabegesetzes einen Beitrag gegen die Altersarmut leisten. Der Aufbau eines Kapitalstocks mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro werde angesichts von jährlichen Rentenzahlungen im Umfang von 310 Milliarden Euro nichts bringen, prophezeite Stiedl.
Nicht nur in Bayern, auch in ganz Deutschland wird Altersarmut zu einem immer größeren Problem. Nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts ist die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter binnen eines Jahres um gut 68 000 auf 647 515 im vergangenen September gestiegen. 2015 lag sie noch bei 527 353. Die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer hatte Anfang Januar steigende Beitragssätze und ein höheres Renten-
eintrittsalter gefordert.