Erfurt

Doch nicht betrunken? Waschbär unter Staupe-Verdacht


Krank oder etwa doch betrunken? Ein Waschbär taumelte am Samstag über einen Weihnachtsmarkt in Erfurt und wurde schließlich vom zuständigen Jäger erlegt. (Symbolbild)

Krank oder etwa doch betrunken? Ein Waschbär taumelte am Samstag über einen Weihnachtsmarkt in Erfurt und wurde schließlich vom zuständigen Jäger erlegt. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Dieser Fall schlägt seit Samstag hohe Wellen: ein Waschbär torkelt über einen Weihnachtsmarkt. Eine Menschentraube umringt und filmt ihn. Kurz darauf kursieren Meldungen, das Tier sei betrunken gewesen und wurde vom zuständigen Jäger erschossen. Das sorgt für eine Welle der Entrüstung. Nun könnte sich der Fall jedoch völlig anders darstellen.

Bei Daniel Baumbach, Pressesprecher der Stadt Erfurt, steht das Telefon nicht mehr still. Der Fall des Waschbären vom Weihnachtsmarkt sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Allerdings mitunter auch für irreführende Meldungen. Das Video des torkelnden Tieres auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt verbreitete sich rasend schnell auf Facebook. Schnell hieß es, der Waschbär sei wohl betrunken gewesen. Diverse Medien zitierten diesbezüglich einen Polizeisprecher. Doch eine idowa-Nachfrage am Montag bei der Erfurter Polizei wirft Fragen auf. "Wir waren dort gar nicht im Einsatz. Von uns konnte dazu also niemand was sagen", berichtet eine Pressesprecherin. Vor Ort sei lediglich die Feuerwehr im Einsatz gewesen. Doch auch in Reihen der Feuerwehr möchte man sich in diesem Fall offenkundig nicht die Finger verbrennen und verweist auf die Stadt.

Denn das verwirrt wirkende Tier wurde von der Feuerwehr an den zuständigen Jäger übergeben. Dieser erlegte den Waschbären schließlich. Und seitdem herrscht vielerorts nicht nur Unverständnis, sondern blanker Hass. Baumbach: "Der Jäger und der Jagdverband erhalten seitdem sogar Morddrohungen." Der Pressesprecher der Stadt Erfurt hat dazu freilich eine klare Meinung: "Der Jäger hat absolut richtig gehandelt. Waschbären sind Allesfresser und eine invasive Art, die keine natürlichen Feinde hat." Man müsse den Jäger daher also in jedem Fall vor derlei Anfeindungen schützen.

Staupe-Verdacht

Zumal auch die kursierende Meldung, der Waschbär sei betrunken gewesen, mittlerweile stark angezweifelt wird. "Man kann das zwar im Moment noch nicht ausschließen, aber eine Veterinärin hält anhand der Bilder eine Staupe-Erkrankung für wahrscheinlicher", so Baumbach. Umso besorgniserregender findet er, wie die Menschen auf dem Weihnachtsmarkt mit dem Waschbären umgingen. Das Tier wurde von einer Menschentraube umringt, gefilmt, fotografiert. Eine gefährliche Nähe. Denn der Waschbär mag zwar knuffig aussehen, gilt aber als Parasit und kann durchaus Krankheiten übertragen. Baumbach: "Für uns ist es alarmierend, dass wir Waschbären jetzt schon im Stadtgebiet haben. Bislang hatten wir sie noch in Randgebieten vermutet."

Die Kommunikation dieses spektakulären Falles scheint unglücklich verlaufen zu sein, was offenkundig zu weiteren falschen Annahmen führte. Denn das Erfurter Tierheim hatte am Wochenende auf seiner Facebook-Seite gepostet, dass der Waschbär von einem Jäger erlegt worden sei. Daraufhin hatten sich zahlreiche Kritiker darüber echauffiert, man hätte den Waschbären doch ins Tierheim bringen sollen, anstatt ihn zu erlegen. "Es wäre besser gewesen, sie hätten an dieser Stelle die Öffentlichkeit noch darüber informiert, dass Tierheime gar keine Wildtiere aufnehmen dürfen", sagt Baumbach. Das Handeln des Jägers sei so oder so alternativlos gewesen. Baumbach: "Er hätte den Waschbären keinesfalls mehr aussetzen dürfen."

Das bestätigt auch Dr. Gertrud Helm. Sie ist Pressesprecherin beim Bayerischen Jagdverband (BJV). "Waschbären fressen Jungvögel, kleine Hasen und alle möglichen bedrohten Arten. Sie müssen von Gesetz wegen bejagt werden und haben keine Schonzeit", erklärt Helm. Vor allem in den neuen Bundesländern seien Waschbären mittlerweile ein großes Problem. Aber auch in Bayern melden Jagdpächter immer mehr der posierlich wirkenden Tierchen. Vor allem in Unterfranken und Schwaben. Für den Menschen sei der Waschbär an sich eher weniger gefährlich, weil die Tiere nachtaktiv seien und sich ihre Wege daher sehr selten kreuzen würden. Anders am vergangenen Samstag auf dem Weihnachtsmarkt in Erfurt. Hier hatten Passanten sogar versucht, den Waschbären zu streicheln. Helm: "Das ist natürlich Quatsch: Wildtiere streichelt man nicht."